Der gelbe Lack ist ab. Die stetig fliessenden Gewinne der Post-Tochter sind urplötzlich versiegt. Im Jahr 2018 schauten unter dem Strich noch 66 Millionen Franken Gewinn heraus. Die Summe steht in grellem Kontrast zu früheren Jahren: Im Jahr 2013 schrieb der Finanzarm des gelben Riesen stolze 719 Millionen Franken Gewinn. In den letzten vier Jahren waren es im Schnitt gut 500 Millionen. Dann plötzlich – aus die Maus.
Die Post-Tochter kann von Glück reden, dass es keinen Verlust gab. Denn nur dank einer Änderung des Buchlegungsstandards (auf IFRS 9) war sie in den schwarzen Zahlen. Hätte Postfinance nach dem alten Modell abrechnen müssen, hätte sie für 2018 einen Verlust von 26 Millionen Franken ausgewiesen, wie die «Finanz und Wirtschaft» berichtete.
Postfinance ist nicht mehr der Goldesel, der er einmal war. Das wird für den Mutterkonzern, die Schweizerische Post, zu einem ernsthaften Problem. Die Gewinne fehlen, um wenig gewinnbringende Geschäfte innerhalb der Post weiterhin zu unterstützen. Ulrich Hurni, der nach dem Abgang von Post-Chefin Susanne Ruoff das Unternehmen bis Anfang dieser Woche interimistisch führte, sagte vor zwei Wochen an einem Hintergrundgespräch: «Bei der Postfinance ist der Handlungsbedarf am grössten. Das ist offensichtlich.»
Auch für den Alleinaktionär der Post, die Eidgenossenschaft, ist das bitter. Denn der gelbe Riese hat in den vergangenen Jahren brav 200 Millionen Franken an Dividenden pro Jahr gezahlt. Damit ist nun Schluss: Die Post-Führung hat angekündigt, die Dividenden zu streichen. Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren überhaupt keine Ausschüttungen mehr geleistet werden können.
Für den neuen Post-Chef Roberto Cirillo, der heute Mittwoch erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wird, lautet die Kernfrage nicht: Wie kann ich die Postfinance möglichst schnell wieder in die Gewinnzone führen? Sondern vielmehr: Wie kann ich verhindern, dass die Bank zu einem Fass ohne Boden für den Steuerzahler wird?
Dass sich die Ertragslage dramatisch verschlechtern würde, war voraussehbar. Das Problem liegt bei den Finanzanlagen: Die Post legt die Einlagen ihrer Kunden zum grossen Teil am Anleihen-Markt an. Dazu ist sie gezwungen, weil sie keine Kredite an KMU oder Wohnhypotheken für Private vergeben kann. Diese Anleihen (oder Obligationen) haben während Jahren schöne Renditen abgeworfen. Weil die Postfinance ihren Einlegern auf der anderen Seite der Bilanz kaum Zinsen zahlen musste, machte sie einen guten Schnitt mit der Zinsdifferenz. Ja, sie konnte es sich sogar leisten, Kunden mit speziell attraktiven Konditionen anzulocken.
Ewig konnte das nicht gut gehen. Denn die üppig Zins abwerfenden Obligationen liefen langsam aus. Die Laufzeiten waren bekannt und damit auch der Zeitpunkt, wann diese ersetzt werden mussten. Doch die neuen Obligationen erzielten tiefere Renditen – das historisch tiefe Zinsumfeld machte der Postfinance einen Strich durch die Rechnung. Der Zusammenbruch des Zinsdifferenzgeschäfts war also programmiert.
Doch das Steuer wurde erst letztes Jahr herumgerissen. Anfang Juni gab Postfinance-Chef Hansruedi Köng bekannt, bis 2020 500 Stellen abzubauen. Zudem wurden die Konditionen für die Kunden verschlechtert. Beides war ein Kulturschock. Das Institut galt als der sympathische Gegenentwurf zu den kaltschnäuzigen Zürcher Grossbanken. Noch im Jahr 2010 war man stolz über das kräftige Kundenwachstum – jetzt wurden über 300'000 Postfinance-Konti wieder aufgelöst. Damals wurde das Personal kräftig ausgebaut – jetzt wieder entlassen.
Wie immer, wenn ein Staatskonzern in Schieflage gerät, eilt die Politik zu Hilfe. Der Bundesrat entschied, das Kreditverbot fallen zu lassen und schrittweise die Vergabe von Hypotheken zu ermöglichen. Damit sollte Postfinance wieder ein einträgliches Zinsengeschäft betreiben – und, hoffentlich, dem Staat wieder Dividenden abliefern können.
Ulrich Hurni sagte im Hintergrundgespräch: «Die Zinssituation bei Postfinance ist eine der grossen Herausforderungen des Konzerns.» Deshalb sei es «sehr wichtig, dass der Hypothekarmarkt für die Postfinance geöffnet wird». Die Postfinance würde schrittweise in diesen Markt eintreten und einen «mittleren einstelligen Marktanteil» anstreben, sagte Hurni. Bei einem Hypothekenvolumen von 1000 Milliarden entspräche dies in etwa einem Anteil von 50 Milliarden.
Hurni wäre auch zu Kompromissen bereit: «Sollte die Teilprivatisierung der Postfinance die politische Bedingung für die Aufhebung des Kredit- und Hypothekarvergabeverbots sein, ginge das für mich in Ordnung». Ein Teilverkauf, beispielsweise über die Börse, hätte zudem den Vorteil, dass Postfinance mit den Einnahmen ihr Eigenkapitalpolster verstärken könnte. Denn dieses «muss weiter aufgebaut werden», wie Hurni sagte.
Die Keulung des Kreditverbots könnte sich als schwierig erweisen. Opposition gibt es bei den inlandorientierten Banken. Eine Aufhebung des Vergabeverbots von Hypotheken wäre ein «Eingriff in einen funktionierenden Markt», sagt der Sprecher des Kantonalbankenverbands. In der Tat: Niemand kann behaupten, dass der Hypomarkt derzeit nicht funktioniert. Aus Konsumentenoptik bräuchte es die gelbe Hypothek also nicht. (bzbasel.ch)