Viele hatten diesen Tag sehnlich erwartet. Und viele waren enttäuscht, als der Bundesrat am letzten Donnerstag den Fahrplan für einen vorsichtigen Ausstieg aus dem Corona-Lockdown präsentierte. Einzelne Wirtschaftszweige waren stocksauer, vor allem Restaurants und kleine Läden, die ohnehin um ihre Existenz fürchten.
>> Coronavirus: Alle News im Liveticker
Der Bundesrat geniesst nach wie vor ein grosses Vertrauen in der Bevölkerung, weil er die Krise bislang gut gemeistert hat. Wenn er keine Erosion riskieren will, mit womöglich gravierenden Folgen, muss er heute Mittwoch nachbessern und präzisieren. Einfach wird das nicht, denn die Ansprüche sind vielfältig, und die Gesundheit hat oberste Priorität.
Es ist absehbar, dass auch nach der heutigen Sitzung nicht alle Fragen geklärt sein werden. Der Bund will nur mehrere Grobkonzepte vorlegen. Im Zentrum stehen Schutzmassnahmen, um eine erneute Zunahme der Fallzahlen oder eine zweite Welle zu verhindern. Die «Feinjustierung» müssen die Branchenverbände vornehmen. Die Umsetzung liegt bei den Betrieben.
Die Freude in der Branche war gross: Die Salons dürfen am nächsten Montag wieder öffnen. Wenige Tage vor dem Restart aber herrscht Verunsicherung, wie der «Blick» berichtet. Die Coiffeure wissen nicht, welche Schutzmassnahmen sie einhalten müssen.
Viel erwarten dürfen sie vom Bundesrat nicht, weil er wie gesagt nur ein Grobkonzept präsentieren will. Der Branchenverband Coiffeur Suisse wird es unter hohem Zeitdruck konkretisieren müssen. Das dürfte manchen Betrieb vor Probleme stellen. Allenfalls kann der Bund bei der Beschaffung des Schutzmaterials helfen, sicher ist das nicht.
Die «kleinen» Ladenbesitzer sind das Gegenstück zu den Coiffeuren. Sie reagierten mit blankem Entsetzen auf den Öffnungsplan des Bundesrats. Er suggerierte, dass die grossen Detailhändler ab nächstem Montag das gesamte Sortiment anbieten können, während die spezialisierten Geschäfte weitere zwei Wochen geschlossen bleiben sollen.
Ziel des Bundes ist, einen «Menschenauflauf» zu verhindern. In den letzten Tagen versuchten seine Vertreter, den Schaden zu begrenzen. Gesundheitsminister Alain Berset betonte am Montag in Graubünden, es gehe um «eine gewisse Sortimentserweiterung» bei den Lebensmittelläden: «Zum Beispiel dürfen ab Montag Schuhbändel verkauft werden.»
Schuhbändel, aber keine Schuhe? Der Bundesrat muss für Klarheit sorgen und darlegen, wie er eine Wettbewerbsverzerrung verhindern will. Eine ideale Lösung wird es kaum geben. «Es ist eine gewisse Ungerechtigkeit da, keine Frage», sagte Patrick Mathys vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) an der Medienkonferenz vom Montag.
Beizer und Touristiker bildeten die andere grosse Gruppe, die am letzten Donnerstag enttäuscht war. Sie wurde im Lockerungsplan nicht einmal erwähnt. Bürgerliche Politiker fordern eine rasche Öffnung oder zumindest Klarheit für die Branche. Die Bundesräte Alain Berset und Guy Parmelin machten ihr in den letzten Tagen zumindest Hoffnung.
Einfach wird es wegen der Vielfalt der Branche nicht werden. Führende Vertreter von Gastronomie und Tourismus machten am Dienstag mit einem ganzseitigen Inserat in den grossen Zeitungen weiter Druck. Sie wollen «baldmöglichst wieder öffnen» und verlangen vom Bundesrat «einen klaren Fahrplan». Dazu wird es heute nicht kommen.
Das Coronavirus wird uns noch monatelang in Atem halten. Das sind schlechte Nachrichten für die Veranstalter von Grossanlässen wie Festivals und Open Airs. Ihre Saison ist wohl gelaufen. Einzelne wurden abgesagt, etwa Paléo, Montreux Jazz und Blue Balls. Andere wie die Street Parade zögern, obwohl sie wissen, dass es dieses Jahr nichts mehr wird.
Sie warten vermutlich aus versicherungstechnischen Gründen auf ein klares «Verbotssignal» des Bundes und dürften vorerst weiter leer ausgehen. «Der Bundesrat wird zu gegebenem Zeitpunkt entscheiden – aber sicher noch nicht diese oder nächste Woche», sagte BAG-Krisenmanager Patrick Mathys am Montag.
Der Sportbetrieb steht nicht nur im Profibereich weitgehend still. Gemeinsame Trainings etwa von Fussballklubs sind nicht möglich. Auch Hobbysportler würden gerne wieder Golf oder Tennis spielen, wie es im Ausland teilweise schon möglich ist. Erlaubt sind derzeit aber nur Sportarten wie Joggen oder Velofahren.
Derzeit würden Konzepte und Vorgehensweisen erarbeitet, sagte Mathys. Einen konkreten Zeitplan aber nannte er am Montag nicht. Es heisst wohl weiter warten. Daran ist der Sportbetrieb nicht unschuldig. Seine Durchschlagskraft in Bern ist traditionell beschränkt. Im politischen Powerplay verhalten sich selbst Profisportler häufig wie blutige Amateure.
Dringender Handlungsbedarf besteht dafür bei der für den 11. Mai geplanten Öffnung der Schulen. «Mr. Corona» Daniel Koch hat die Eltern letzte Woche mit widersprüchlichen Aussagen zum Ansteckungsrisiko bei Kindern nachhaltig verunsichert. Deshalb müssen rasch konkrete Schutzmassnahmen für die Schulen auf den Tisch.
Die genauen Schutzkonzepte für die Schulöffnung würden derzeit zusammen mit der Erziehungsdirektorenkonferenz ausgearbeitet, sagte Patrick Mathys am Montag. Zumindest gewisse Eckwerte muss der Bundesrat heute präsentieren, denn verunsicherte Eltern sind so ziemlich das Letzte, was er zur Bewältigung der Corona-Krise brauchen kann.
Es gibt weitere Fälle, bei denen eine Lösung schwierig ist. Ein Paradebeispiel sind die Fahrschulen mit dem Problem des fehlenden Abstands. Und die Kirchen wollen wieder Gottesdienste mit Gläubigen durchführen. Die Arbeit wird dem Bund nicht ausgehen.
MMB wird ja dann das selbstlos das Schutzmaterial zum Selbstkostenpreis liefern.
Wir freuen uns dann schon auf die immune Herde geschorener Schafe.
ich dachte die Coiffeur-Branche hat doch selber schon vor Tagen ein Konzept mit klaren Regeln erarbeitet?