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Interview: Noch-UBS-Chef Ermotti über seine Zukunft

Sergio Ermotti, scheidender CEO der UBS.
«Die Schweiz muss aufpassen, dass sie nicht ins Hintertreffen gerät»: Sergio Ermotti.Bild: keystone/watson
Interview

Noch-UBS-Chef Ermotti über seine Zukunft: «Ich werde nicht Boccia spielen gehen»

Sergio Ermotti, 59, hat nicht im Sinn, in Rente zu gehen. Im Interview mit der «Schweiz am Wochenende» zieht er Bilanz über seine Amtszeit, spricht über die frei werdenden Verwaltungsratspräsidien bei UBS und CS - und warnt wegen des Brexit vor einem Abstieg des Finanzplatzes Schweiz: London werde alles tun, um ausserhalb der EU attraktiver zu werden.
22.02.2020, 14:14
Patrik Müller / schweiz am wochenende
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Am Morgen war Sergio Ermotti noch in London, darauf flog er nach Zürich, um mit UBS-Präsident Axel Weber und dem künftigen CEO Ralph Hamers eine Pressekonferenz zu geben – dann empfing er den Journalisten zum Gespräch. Die Sandwiches auf dem Tisch bleiben während des Interviews unberührt.

Sie sagten, Sie hätten einen Traumjob. Wären Sie gern noch länger geblieben?
Sergio Ermotti: Es stimmt, ich mache diesen Job gern. Aber ich führe die Bank schon neun Jahre und anerkenne, dass es Zyklen bei Menschen und Firmen gibt. Axel Weber hat zu Recht betont, dass bei einer guten Corporate Governance der CEO und der Präsident nicht gleichzeitig abtreten sollten. Er sagte, er bleibe voraussichtlich bis Frühjahr 2022. Ich mache bis Oktober 2020 weiter. Es liegen also eineinhalb Jahre dazwischen und das ist so gut geplant.

An Energie würde es Ihnen auch künftig nicht mangeln.
Nein, Energie habe ich weiterhin genug. Aber ganz ehrlich: Nicht nur für die Firma, auch für mich ist es der richtige Zeitpunkt. Ich werde 60-jährig. Da überlegt man sich schon: Was soll man als Nächstes machen?

Politisch haben Sie sich für ein höheres und vor allem flexibles Rentenalter ausgesprochen. Gehen Sie mit dem guten Beispiel voran?
Ich habe vor allem gesagt, dass sich die junge Generation darauf einstellen muss, länger zu arbeiten. Aber klar, es gilt auch für mich!

Sie gehen nicht in Rente?
Nein, nein. Ich werde jetzt sicher nicht Boccia spielen. Und Golf spiele ich auch nicht (lacht).

Axel Weber sagte, die UBS sei eine ganz andere Bank als diejenige, die Sie 2011 übernommen haben. Was war die wichtigste Veränderung?
Wir haben unser Risikoprofil dramatisch reduziert. Sowohl auf unserer Bilanz als auch bei unseren Aktivitäten. Und nicht zuletzt hat sich unsere Firmenkultur verändert. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind engagiert, lösungs – und kundenorientiert. Sie sind stolz, für die UBS zu arbeiten. Und zudem ist die Bank kapitalstark uns sehr solide aufgestellt.

«In unserer Branche war Kundennähe nicht unbedingt das oberste Kriterium.»

Letzteres nicht ganz freiwillig, sondern weil die Politik die Kapitalvorschriften verschärfte.
Wir sind bei der UBS aber noch darüber hinausgegangen. Wir übertreffen die regulatorischen Anforderungen. Vor allem hören wir besser auf unsere Kunden... Das ist sehr wichtig.

...wie meinen Sie das?
Es mag selbstverständlich klingen, aber in unserer Branche war Kundennähe nicht unbedingt das oberste Kriterium. Ich meine, das konnten wir bei der UBS stark verbessern.

Man kann es auch kritischer sehen: Als Sie die UBS übernahmen, war sie im internationalen Massstab eine Grossbank, seither ist sie geschrumpft. Manager aber wollen wachsen!
Wachstum ist kein Selbstzweck, und vor allem: Sie müssen wissen, wo Sie wachsen wollen. Bei der UBS ist der Fall jetzt klar. In der Vermögensverwaltung wachsen wir und wir sind der einzig wirklich global führende Vermögensverwalter. Auch in unserem Heimmarkt, der Schweiz, wachsen wir und sind klarer Marktführer.

Auch hier: Wegen der Politik. Ihr war die ursprüngliche Grösse der UBS unheimlich, darum die «Too big to fail»-Regulierung.
Nicht nur die Politik wollte kleinere Grossbanken. Ironie der Geschichte ist, dass manche, die das unterstützt haben, uns nun dafür kritisieren, weil wir effektiv kleiner geworden sind. Sie vergleichen unsere Leistung und Grösse heute sogar mit den US-Banken. (Zeigt eine Folie mit den weltweit grössten Banken.) Schauen Sie, all diese Banken, in den USA, Grossbritannien oder Deutschland: Ihre Grösse ist nicht getrieben von ihrem Investmentbanking, sondern schlicht von der Grösse ihres Heimmarkts. Sie sind gross, weil im Inland einfach viel mehr Menschen und somit potenzielle Kunden wohnen. Das Personal- und Corporate Banking hat also ganz andere Dimensionen als in der Schweiz, die mit 8.5 Millionen Einwohner natürlich kleiner ist.

Vom Banklehrling zum UBS-Chef
Sergio Ermotti, 59, wurde im November 2011 Konzernchef der UBS, als Nachfolger von Oswald Grübel. Ende Oktober 2020 wird er abtreten. Ermotti wuchs im Tessin auf und absolvierte eine Banklehre bei der Cornèr Bank in Lugano. 1985 ging er zur Citigroup nach Zürich. Es folgten Stationen bei Merrill Lynch in Zürich, London und New York. 2005 wechselte er zu Unicredit und leitete dort das Investmentbanking. Ermotti ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Der Fussball-Fan (langjähriger Präsident des Tessiner 2.-Liga-Klubs FC Collina d’Oro) treibt gerne Sport.

Sie haben das einst glamouröse Investmentbanking massiv schrumpfen lassen.
Es war zu gross, insbesondere mit Blick auf die Risiken und die Profitabilität. Die Fokussierung hat dazu geführt, dass wir insgesamt kleiner und profitabler geworden sind, aber das war gewollt. Die Investment Bank ist für uns sehr wichtig. Nebst der Vermögensverwaltung haben wir auch das Asset Management umgebaut und gestärkt.

Sprich, das Investmentbanking ist irrelevant geworden?
Das sage ich nicht. Wie schon erwähnt, ohne das Investmentbanking wäre UBS nicht führend bei Geschäftskunden in der Schweiz. Und wir wären nicht führend in der globalen Vermögensverwaltung. Dort haben wir auch Kunden, die mehr als 50 Millionen Franken Vermögen haben. Diese Kunden brauchen die Dienstleistungen der Investmentbank.

«Swissness ist zentral.»

Sie haben der UBS, die sich einst mehr für New York und London interessierte, wieder schweizerischer gemacht. Ihr Nachfolger Ralph Hamers ist Holländer, der Verwaltungsratspräsident Axel Weber Deutscher. Ist das richtig für eine UBS?
Unser Präsident ist sehr präsent und bei Schweizer Themen engagiert. Ausserdem haben wir mit Lukas Gähwiler, Axel Lehmann, Sabine Keller-Busse, Markus Diethelm, Iqbal Khan und Markus Ronner, um nur einige Beispiele zu nennen, bestens vernetzte Schweizer Persönlichkeiten. Ich glaube darum nicht per se, dass es für die Swissness ein Problem ist, wenn der CEO und der Präsident einen anderen Pass haben.

Wie wichtig ist Swissness noch?
Sie ist zentral. Sie muss gepflegt und dauernd verbessert werden. Gleichzeitig sage ich: Swissness allein reicht nicht, wir müssen zum Beispiel laufend die Rahmenbedingungen anpassen und dem Unternehmen mehr Freiheit gewähren, um global wettbewerbsfähig zu bleiben.

Die Vorschriften in der Schweiz sind zu streng geworden.

Ist die Schweiz aus politischer, regulatorischer Sicht überhaupt noch ein Standortvorteil für eine Bank wie die UBS?
Ja, es ist weiterhin ein Vorteil. Aber die Vorschriften in der Schweiz sind tatsächlich zu streng geworden. Dass es Verschärfungen gab, war wichtig und richtig. Aber in einigen Bereichen ist man zu weit gegangen. Auch der Missbrauch der direkten Demokratie mit extremen Volksinitiativen hat zusätzlich Unsicherheit geschaffen.

Andere Länder haben die Bankenregulierung wieder gelockert.
Ja, sie benutzen die Regulierung gezielt, um die eigenen Institute im internationalen Wettbewerb zu bevorzugen. Die Schweiz muss tatsächlich aufpassen, dass sie nicht ins Hintertreffen gerät – insbesondere nach dem Brexit. Unser Referenzpunkt muss der Finanzplatz London sein.

Wird London attraktiver werden, auch als Konkurrent zu Zürich?
Nach dem Brexit werden die Briten mit aller Kraft versuchen, den Finanzplatz zu stärken. Durch eine strenge, aber pragmatische Regulierung. In der Schweiz fehlt dieser Pragmatismus manchmal. Und vergessen Sie nicht: London hat mit seinem kosmopolitischen Flair ohnehin eine hohe Attraktivität.

Also bräuchte es vielleicht doch einen Schweizer an der UBS-Spitze. Warum sagen Sie nicht, ob Sie 2022 UBS-Präsident werden wollen?
Was ich an der Pressekonferenz gesagt habe, ist: Heute ist nicht der Tag, um über meine Zukunft zu reden. Das heisst nicht, dass ich mir über die Zukunft keine Gedanken mache.

Welche denn?
Ich werde in den nächsten sechs Monaten weiterhin die UBS führen und mir gleichzeitig einige Gedanken machen. Das geht beides gleichzeitig (lacht).

Wie halten Sie sich beruflich fit, bis 2022 das Präsidium frei wird? Streben sie Mandate an?
Ich strebe keine Mandate an, und solche hypothetischen Fragen werde ich selbstverständlich nie beantworten.

Hier kommt noch eine: Auch das CS-Präsidium wird frei, Urs Rohner tritt bereits 2021 ab. Wäre es ein Tabu, von der UBS zur CS zu wechseln?
Alles ist möglich im Leben, nur zwei Dinge nicht: dem Tod und den Steuern zu entgehen. Im Ernst: Ich bin bis Ende Oktober bei der UBS und bleibe fokussiert auf meine Arbeit.

Iqbal Khan hat auch zwischen den beiden Rivalen gewechselt, Oswald Grübel war CEO von UBS wie CS...
Das stimmt. Um Ihr Gedankenspiel zu beenden: Für mich ist das kein Thema. Für mich ist die UBS die beste Bank der Schweiz.

Banker messen Leistung oft am Aktienkurs. Mit diesem können Sie nicht zufrieden sein. Sie deuteten an, dass Sie rückblickend weniger Dividende ausschütten würden.
Als ich bei der UBS begann, lag die Aktie bei 10 Franken, nun ist sie bei etwa 13 Franken, also 30 Prozent höher. Aber es ist schon so: Hätten wir weniger als die 4 Franken pro Aktie an Dividenden und damit gleich viel wie unsere Konkurrenten ausgeschüttet und dafür mehr Aktien zurückgekauft, wäre der Aktienkurs heute wesentlich höher. Dann würden alle sagen, diese Aktie ist stark gestiegen. Und übrigens: Dazu kommt, dass wir die ganze Restrukturierung und Bereinigung von Altlasten zu tragen hatten. Das hat zusätzlich etwa 4 Franken pro Aktie gekostet. All das haben wir ohne einen Rappen Kapitalerhöhung durchgeführt. Das geht oft vergessen.

PR-mässig waren die hohen Ausschüttungen also falsch.
Ja. Aber das kann nicht unser Kriterium sein, denn wir haben immer im Interesse unserer Aktionäre entschieden.

Was würden Sie sonst noch anders machen? Würden sie im Steuerfall Frankreich nochmals einen Vergleich ausschlagen und vor Gericht ziehen?
Es gab und gibt keine Beweise für ein Fehlverhalten. Man wird sehen, was nun passiert. Ich werde in meiner Amtszeit die zweite Runde des Prozesses noch erleben und wir hoffen natürlich auf einen besseren Entscheid. Wir erwarten das Verdikt vor Ende 2020. Danach könnte es zu einem Weiterzug ans oberste Gericht in Paris kommen. Das wäre nach meiner CEO-Zeit.

Sie bekamen Respekt, aber auch Kritik dafür, dass Sie vor Frankreichs Justiz nicht eingeknickt sind. War das nicht zu viel Risiko? Es droht eine 5-Milliarden-Franken-Busse.
Wir haben eine seriöse Abwägung gemacht, für alle unsere Stakeholder. Und kamen zum Schluss, dass unser Weg in ihrem besten Interesse ist. Es geht um Altlasten. Frankreich ist nicht die einzige: In meiner Amtszeit haben wir Altlasten in der Höhe von 10.5 Milliarden Franken bereinigt. Wir hätten auch Frankreich durch einen Vergleich bereinigt, wenn dies auf verantwortungsvolle Weise möglich gewesen wäre.

Was tun Sie, damit Sie bis Ende Oktober nicht zur Lame Duck werden?
Die Zeiten sind zu intensiv, als dass dies geschehen könnte.

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