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Wirtschaft

«Progresuisse»: Neue Lobby-Organisation weibelt für EU-Rahmenvertrag

Vorläufig entlastet: Die parlamentarische Aufsicht hat keinen Beleg dafür gefunden, dass die ehemalige Bundesrätin Doris Leuthard von den Buchungstricks bei PostAuto wusste. (Archivbild)
Alt Bundesrätin Doris Leuthard an einer Pressekonferenz (Archivbild).Bild: KEYSTONE

Neue Lobby-Organisation weibelt für EU-Vertrag – mit Doris Leuthard als Aushängeschild

In den vergangenen Wochen gewannen die Gegner eines EU-Rahmenabkommens die Oberhand. Jetzt zeigen CH-Media-Informationen: Am Sonntag tritt ein neues Komitee an die Öffentlichkeit, das sich für eine Annäherung an die EU einsetzt. Mit prominenter Besetzung aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.
28.02.2021, 04:10
Patrik Müller, Dario Pollice / ch media
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Das institutionelle Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union kommt nicht vom Fleck. Schlagkräftige neue Organisationen wie Autonomiesuisse und Kompass Europa – beide von der SVP unabhängig – haben jüngst die Hoheit über die Europadebatte gewonnen. Sie lehnen das Rahmenabkommen dezidiert ab, weil es die Souveränität der Schweiz gefährde.

Nun will eine neu gegründete Lobbying-Organisation der festgefahrenen Debatte neuen Schub verleihen. Sie nennt sich Progresuisse und will laut eigenen Angaben als «konstruktiver Akteur» einen Beitrag zum Rahmenabkommen leisten. «Ein Abkommen mit unserem mit Abstand wichtigsten Partner ist in unserem ureigenen Interesse», schreiben die Initiantinnen und Initianten. Ihr Gründungspapier liegt der Redaktion CH Media vor. Offenbar ist geplant, dass das Komitee am Sonntag an die Öffentlichkeit tritt.

Die Rektoren von vier Universitäten gehören zu den Gründungsmitgliedern

Das Gründungskomitee zählt über 50 Mitglieder aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Das wohl prominenteste Mitglied ist die ehemalige CVP-Bundesrätin Doris Leuthard, die schon zu Amtszeiten als Promotorin eines Rahmenabkommens in Erscheinung trat. Weitere ehemalige Schwergewichte sind der Ex-FDP-Präsident und Ex-Ständerat Philipp Müller und der ehemalige Chef des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse, Heinz Karrer.

Daneben ist eine Reihe amtierender Mitglieder von National- und Ständerat engagiert, vor allem aus der FDP und aus der SP, aber kein Schwergewicht im Sinne von Parteipräsident oder Fraktionschefin. Gänzlich fehlen SVP-Mitglieder. Die komplette Mitgliederliste ist unten aufgeführt.

Auffällig ist die fast komplette Vertretung der Schweizer Universitäten in dem Komitee. Die Rektoren der Universitäten Zürich, St.Gallen, Bern und Lugano engagieren sich bei Progresuisse.

Die PR-Agentur Furrerhugi zieht die Fäden

Ein näherer Blick auf die Namen sowohl der Politik-, Wissenschafts- wie Wirtschaftsvertreter zeigt: Es ist das Netzwerk der einflussreichen Berner PR-Agentur Furrerhugi, das hier die Fäden zieht. Lorenz Furrer selber, aber auch Ex-Postchef Ulrich Gygi und FDP-Politikerin Claudine Esseiva sind an vorderster Front dabei. Sie sind Partner der Agentur.

Die Organisation wolle sich insbesondere dafür einsetzen, dass die junge Generation hierzulande erfolgreich ihre Zukunft gestalten könne, heisst es im Gründungspapier. «Für die Wissenschaft und die Forschung sind funktionierende und dynamische Beziehungen mit der EU zentral.» Dafür spannt Progresuisse mit Reatch zusammen, einer wissenschaftlichen Ideenschmiede und Wissenschafts-Think-Tank jungen Wissenschafts-Think-Tank.

Und hier die Liste der Gründungsmitglieder:

Wirtschaft

  • Doris Leuthard, Vizepräsidentin Coop, Altbundesrätin CVP/Die Mitte
  • Felix Ehrat, Verwaltungsrat in diversen Unternehmen, Rechtsanwalt, Unternehmer
  • Simon Michel, CEO Ypsomed Holding
  • Kaspar Wenger, VRP Holcim Schweiz
  • Ives Mirabaud, Präsident Vereinigung Schweizerischer Privatbanken
  • Esther-Mirjam de Boer, CEO & Mitinhaberin GetDiversity
  • Peter Forstmoser, Emeritierter Professor UZH für Handels- und Wirtschaftsrecht
  • Martin Naville, CEO Swiss-American Chamber of Commerce
  • Jean-Daniel Gerber, Consartes GmbH
  • Sunnie Groenefeld, Managing Partner Inspire 925
  • Peter Stämpli, Unternehmer
  • Philippe Mosimann, VRP Bucher Industries
  • Karin Lenzlinger, Unternehmerin und Verwaltungsrätin
  • Markus Neuhaus, Vizepräsident des Verwaltungsrates von Barry Callebaut AG
  • Peter Nobel, Nobel & Hug Rechtsanwälte
  • Heinz Karrer, Unternehmer
  • Rico Baldegger, HEG Fribourg
  • Roy Nussbaum, Vorsitzender Nussbaum AG
  • Frank Bodin, Werber/Unternehmer
  • Stephanie Züllig, Unternehmerin und Verwaltungsrätin
  • Ulrich Gygi, Ex-Postchef und Ex-SBB-Präsident
  • Lorenz Furrer, Managing Partner Furrerhugi
  • Claudine Esseiva, Partnerin Furrerhugi und Co-Präsidentin BPW

Politik

  • Doris Fiala, Nationalrätin FDP
  • Christa Markwalder, Nationalrätin FDP
  • Regine Sauter, Nationalrätin FDP
  • Isabelle Chevalley, Nationalrätin GLP
  • Lorenz Hess, Nationalrat BDP
  • Elisabeth Schneider-Schneiter, Nationalrätin CVP
  • Tiana Moser, Nationalrätin GLP
  • Damian Müller, Ständerat FDP
  • Susanne Vincenz-Stauffacher, Nationalrätin FDP
  • Fabian Molina, Nationalrat SP
  • Eric Nussbaumer, Nationalrat SP
  • Yvonne Feri, Nationalrätin SP
  • Philipp Müller, Unternehmer und Alt-Ständerat FDP
  • François Loeb François, Schriftsteller und alt Nationalrat FDP

Wissenschaft

  • Uwe Jocham, Direktionspräsident Insel Gruppe
  • Prof. Peter Gomez, Universität St. Gallen
  • Prof. Astrid Epiney, Professorin für Europa- und Völkerrecht, Rektorin Universität Freiburg
  • Prof. Christian Leumann, Rektor der Universität Bern
  • Prof. Michael Schaepman, Rektor Universität Zürich
  • Prof. Bernhard Ehrenzeller, Rektor Universität St. Gallen
  • Prof. Boas Erez, Rektor Universität Lugano
  • Prof. Christa Tobler, Europainstitut Universität Basel
  • Prof. Francesco Maiani, Uni Lausanne
  • Prof. Thomas Cottier, Emeritierter Professor für Europa- und Wirtschaftsvölkerrecht Universität Zürich
  • Claude Longchamps, Politikwissenschaftler, Autor

(aargauerzeitung.ch)

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42 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Realtalk
28.02.2021 08:39registriert Dezember 2014
Was genau läuft in deren Kopf schief? Ich kann es nicht nachvollziehen. In diesem Vertrag sind untragbare Nachteile für uns enthalten, diese können durch sämtliche Vorteile nie aufgewogen werden. Vorteile fürs eigene Land rauszuholen ist im übrigen keine Rosinenpickerei sondern die Aufgabe von Landesvertretern.
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Schneider Alex
28.02.2021 06:52registriert Februar 2014
„Schrittchen für Schrittchen Richtung EU-Beitritt“, um mit der Schweiz einen Nettozahler mehr zur Unterstützung der maroden, mehrheitlich katholischen südlichen EU-Staaten zu gewinnen. Das ist die Doktrin der nach wie vor katholisch dominierten neuen "Mitte"-Partei.
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THEOne
28.02.2021 10:44registriert März 2019
einer union beitreten dessen " oberhaupt" eine ausgewiesene lügnerin ist und durch höchst fragwürdige umstände zu dem amt kam?
eimer union beitreten deren währung künstlich hochgehalten werden muss um mit dem rest der welt mithalten zu können?
einer union beitreten die himter dem rücken des volkes nicjt vertretbare vertäge abschliessen wollte (usa, russland) ?
ehm... nö danke
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