Schweiz
Wirtschaft

Nationalrat:Volksinitiative für generelles Tabakwerbeverbot geht zu weit

Nationalrat: Volksinitiative für generelles Tabakwerbeverbot geht vielen zu weit

17.03.2021, 14:3029.12.2021, 15:01
Mehr «Schweiz»
Der Nationalrat tagt an der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 16. Maerz 2021, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Der Nationalrat debattiert das TabakwerbeverbotBild: keystone

Ein lückenloses Verbot für Tabakwerbung hält eine bürgerliche Mehrheit im Nationalrat für übertrieben. Trotzdem dürften einige Anliegen der Tabakwerbeverbotsinitiative umgesetzt werden - auf Gesetzesweg. Ob das Volksbegehren später zurückgezogen wird, ist offen.

Das Parlament will den Umgang mit Tabakprodukten strenger regeln. Die vom Bundesrat erarbeitete Revision des Tabakproduktegesetzes befindet sich im Differenzbereinigungsverfahren zwischen den beiden Räten. Umstritten ist insbesondere noch, wie weit die Werbe-, Verkaufsförderungs- und Sponsoringverbote gehen sollen.

Druck machen die Urheber der Tabakwerbeverbotsinitiative. Das im Jahr 2019 von mehreren Gesundheitsorganisationen eingereichte Volksbegehren «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung (Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung)» fordert ein lückenloses Verbot für Tabakwerbung, die Kinder oder Jugendliche erreicht. Faktisch würde damit Zigarettenwerbung auf Plakaten im öffentlichen Raum verboten. Aber auch Kinowerbung, Inserate, Festivalsponsoring und Onlinewerbung für Tabak würden in Zukunft nicht mehr erlaubt sein.

Umstritten ist nur der Weg zum Ziel

Das geht der Mehrheit der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N) zu weit, wie deren Sprecher Lorenz Hess (BDP/BE) am Mittwoch im Rat sagte. Die meisten wollten «pragmatische, verhältnismässige Massnahmen im Bereich des Jugendschutzes» und «kein Totalverbot».

Mehrere Sprecher der bürgerlichen Fraktionen betonten, dass ein generelles Verbot ein «unverhältnismässiger Eingriff in die Markt- und Handelsfreiheit» darstellen würde. Zudem seien viele Veranstaltungen auf Werbung und Sponsoring von Tabakfirmen angewiesen.

Doch auch die Gegner der Initiative wollen deren Hauptanliegen ernst nehmen. «Niemand von uns will, dass Kinder und Jugendliche rauchen oder dazu verführt werden», sagte Andreas Glarner (AG) im Namen der SVP-Fraktion. FDP-Sprecherin Regine Sauter (ZH) sprach von einem «gewissen Handlungsbedarf». Das Ziel solle aber mit dem revidierten Tabakproduktegesetz erreicht werden. Dieses sehe «zielgerichtete Bestimmungen» vor.

Angst vor weiteren Verboten

Ein generelles Werbeverbot, so befürchten die meisten Vertreterinnen und Vertreter von SVP und FDP, würde dagegen tausende Arbeitsplätze in der Tabakindustrie und im Detailhandel gefährden. SVP-Sprecher Glarner warnte zudem davor, dass bei einem Ja als nächstes Werbeverbote für SUVs, Alkohol, Fleisch, Chips, Schokolade und Gummibären kommen könnten. Er appellierte an die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger.

Für einen wirksamen Jugendschutz sei es «nicht zwingend, sämtliche Prinzipien einer liberalen Wirtschaftsordnung über Bord zu werfen», sagte Sauter. Der Schutz der Jugendlichen dürfe nicht als Vorwand dienen, eine ganze Branche verschwinden zu lassen.

Mitte-Sprecher Christian Lohr (CVP/TG) zollte den Initianten für ihr «berechtigtes Schutzanliegen» zwar den vollen Respekt. Das Parlament habe aber die Mittel in der Hand, die Initianten mit einer guten Gesetzgebung zum Rückzug des Volkbegehrens zu bewegen. Anders als vor vier Jahren, als die erste Tabakprodukte-Vorlage an den Bundesrat zurückgewiesen wurde, hätten die Räte den Handlungsbedarf erkannt.

«Grösste Sparmassnahme für Gesundheitswesen»

Verschiedene Vertreterinnen und Vertretern von SP, Grünen und GLP sehen dies anders. Zwar gingen die Schritte in die richtige Richtung, sagte Yvonne Feri (SP/AG), sie genügten aber nicht. Es sei Zeit für ein generelles Werbeverbot. Laut Feri wäre das «die grösste jemals getroffene Sparmassnahme für das Gesundheitswesen».

Der Grund: Das Rauchen von Zigaretten bleibt die häufigste Ursache von vermeidbaren Todesfällen und Behinderungen. 9500 Menschen in der Schweiz sterben jedes Jahr an den Folgen des Tabakkonsums. Das verursacht der Volkswirtschaft Kosten in Milliardenhöhe. Weil Dreiviertel der Rauchenden als Minderjährige damit beginnen, sollen Kinder und Jugendliche vor Werbung geschützt werden.

«Wollen wir eine gesunde Bevölkerung oder eine gesunde Werbebranche?», fragte Feri rhetorisch. Wem der Schutz der jungen Generation ein Anliegen sei, könne ein Werbeverbot nicht ablehnen, doppelte Manuela Weichelt-Picard (Grüne/ZG) nach. Verschiedene Kantone sähen bereits heute weitgehende Werbeverbote vor.

Auf der Suche nach dem Kompromiss

Zwischen den beiden Blöcken positioniert sich die GLP. Zwar werde die wirtschaftliche Freiheit mit einem Werbeverbot tatsächlich eingeschränkt, sagte der Zürcher Grünliberale Jörg Mäder. Seine Fraktion nehme das aber in Kauf. Tabakwerbung sei «kein Geschäftsmodell, das Schutz finden soll».

Die Urheber der Tabakwerbeverbotsinitiative werden die Debatte zum Tabakproduktegesetz weiterhin gespannt verfolgen. Wenn das Parlament einen Kompromiss in ihrem Sinne findet, ist es durchaus möglich, dass das Volksbegehren zurückgezogen würde.

Diese Vorlage kommt demnächst erneut in den Ständerat. Dessen Gesundheitskommission will an den für den Jugendschutz zentralen Elementen festhalten und ein Werbeverbot in Gratiszeitungen und im Internet verankern. Die Initianten sprechen von einem «Mittelweg, der auch die Mindestanforderungen des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs erfüllen würde». (aeg/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Ein Blick in die Fabrik der Hanfzigaretten-Macher
1 / 10
Ein Blick in die Fabrik der Hanfzigaretten-Macher
Sie sind laut Hersteller die ersten Hanf-Zigaretten der Welt: CBD-Zigaretten der Marke «Heimat Tabak und Hanf».

quelle: keystone / gian ehrenzeller
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Keine Tabakwerbung mehr – zum Schutz der Minderjährigen
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
102 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
MarGo
17.03.2021 14:50registriert Juni 2015
"Ein generelles Werbeverbot, so befürchten die meisten Vertreterinnen und Vertreter von SVP und FDP, würde dagegen tausende Arbeitsplätze in der Tabakindustrie und im Detailhandel gefährden."

Also wollen sie gar nicht, dass weniger geraucht wird... weil Wirtschaft! Aus welcher Ecke das wieder kommt, liegt auf der Hand... nicht wählbar!
20932
Melden
Zum Kommentar
avatar
pejewi
17.03.2021 15:33registriert September 2020
SVP/FDP: "Stellt euch vor alle Werbung würde verboten werden!?"
Öhm... von mir aus?
16521
Melden
Zum Kommentar
avatar
banda69
17.03.2021 17:04registriert Januar 2020
Für die SVPler ein paar Fakten aus der Studie der ZHAW:

- 3 Mrd. medizinische Kosten durch Tabak
- 2 Mrd. Kosten durch Produktionsverlust
- 14% aller Todesfälle durch Tabak (9'500)

Aber eben: Die Rechtspopulisten von SVP stellen einmal mehr Geld und Gier vor Mensch und Gesundheit. Und es sind dann genau auch die selben SVPler, die beim Gesundheitspersonal sparen wollen um die Kosten zu senken.

Quelle: https://blog.zhaw.ch/gesundheitsoekonomie/2019/09/10/neue-wig-studie-zeigt-die-enorme-krankheitslast-des-rauchens/
6112
Melden
Zum Kommentar
102
B-Girl Jazzy Jes will an die Breakdance-WM
Am 20. April messen sich in der Halle 622 in Zürich die besten Breakdancerinnen und Breakdancer der Schweiz am Red Bull BC One Cypher und tanzen um den Einzug in die Weltmeisterschaft im Dezember in Rio de Janeiro. Ebenfalls mit dabei: B-Girl Jazzy Jes.

Die gebürtige Thunerin hat vor dem grossen Event eine vollgepackte Agenda. Nicht für Medieninterviews oder als Jurymitglied an einem Tanzwettbewerb, nein: Jazzy Jes hat Termine mit sich selbst. Sie konzentriert sich aktuell voll auf sich und verbringt viel Zeit im Tanzstudio, um an ihren Skills zu feilen. Momentan macht Jessica, wie die 36-Jährige richtig heisst, jedoch eine Sehnenscheidenentzündung zu schaffen: «Mit den Schmerzen muss ich im Moment darauf verzichten, Tricks wie einen Freeze oder Ähnliches zu üben. Das nervt.»

Zur Story