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Wirtschaft

Ein Mohrenkopf ist nicht rassistisch, da hat Dubler recht

Offen gesagt

«Lieber Herr Dubler, Sie haben recht ...»

Im Zuge der «Black Lives Matter»-Bewegung haben auch Bestrebungen wieder Auftrieb, rassistisch belastetes historisches Erbe zu beseitigen. Das ist eine ambivalente Angelegenheit.
11.06.2020, 11:4215.06.2020, 09:53
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Lieber Herr Dubler

Sie sind ein Mann von einiger Charakterfestigkeit. Oder Geschäftstüchtigkeit, je nachdem, aus welchem Blickwinkel man es betrachtet. Seit Tag und Jahr verkaufen Sie andernorts längst politisch korrekt als Schokoküsse gelabelte Süssigkeiten unter dem Markennamen «Mohrenkopf». Und laufen deswegen regelmässig in massenmedial recyclierte Shitstorms. Die haben Sie über die Jahre zur absoluten Top-Marke in Ihrem Bereich gemacht, ohne dass Sie auch nur einen einzigen Werbefranken einsetzen mussten.

Jedes Mal, wenn Sie wegen Rassismusvorwürfen unter Beschuss geraten, pflegen Sie zu sagen, Ihre Schokoladenprodukte seien nicht rassistisch, die Menschen seien es. Und damit haben Sie natürlich völlig recht, auch wenn die Migros das offenbar anders sieht.

Sie weichen damit aber der Frage aus, warum Menschen rassistische Vorurteile und Einstellungen früh erlernen und nur so später auch weiter kultivieren können. Dabei spielen Sprache und kulturelle Codes eben schon eine Rolle. Sprache formt das Bewusstsein und das Bewusstsein bestimmt letztlich auch das Sein.

Ich bin zum Beispiel aufgewachsen mit Globi-Büchern, in denen «Neger» noch «Neger» waren und der Held meines Lieblingshörspiels von Trudi Gerster war der kleine Wumbo-Wumm, der war «schüüli dumm», weswegen ihm immer irgendwelches Zeug passiert ist, ab dem man sich kaputtlachen konnte. Und er war natürlich ein kleiner dicker Schwarzafrikaner mit Knochen im Haarknoten. Jedenfalls auf dem Plattencover.

Sie sehen: Ich kann den Refrain noch heute auswendig singen, samt Melodie, so langanhaltend ist frühkindliche Prägung. Ich würde mich zwar dagegen verwahren, aktiv rassistisches Gedankengut zu hegen oder gar zu befürworten. Aber ausschliessen, dass der «schüüli dumme» Wumbo Wumm auch heute noch irgendwie und irgendwo in mir nachwirkt? Das würde ich wohl eher nicht.

Sie sollten Ihre Überlegungen deshalb nicht davon leiten lassen, ob «Mohrenköpfe» rassistisch sein können oder nicht. Das ist keine fruchtbare Diskussion und nur weil andere die führen wollen, müssen Sie damit ja keine Zeit verschwenden.

Vielmehr sollten Sie für sich eine Vorstellung davon entwickeln, welchen Anteil ihr Markenname «Mohrenkopf» am gesamten kulturellen Kanon hat, der rassistische Stereotypen reproduziert und damit am Leben erhält. Wenn Sie zum Schluss kommen, der Mohrenkopf sei im volksmundigen Sprachgebrauch selten und recycliere nur wenig wirkmächtig rassistische Vorurteile, dann belassen Sie es bei «Mohrenkopf».

Wenn Sie aber zum Schluss kommen, der «Mohrenkopf» sei doch eher ein noch weit verbreitetes Wort in der Schweiz und die hervorgerufenen Assoziationen eigneten sich gut, rassistische Vorurteile und Vorstellungen auch in künftige Generationen einzupflanzen, dann sollten Sie den Markennamen ändern.

Oder vielleicht kommen Sie zum Schluss, dass es gar nicht das Beste ist, den Begriff «Mohrenkopf» komplett zu verbannen, sondern Ihr Produkt und damit auch Ihre Firma, in was auch immer Sie die umbenennen, zu ergänzen mit dem Hinweis «Früher bekannt als ‹Mohrenkopf›». Und einer knappen Erklärung, warum Sie zum Schluss gekommen sind, den «Mohrenkopf» nicht mehr «Mohrenkopf» zu nennen.

Das fände ich interessanter als die Frage, ob Süssigkeiten rassistisch sein können oder nicht...

Mit freundlichen Grüssen

Maurice Thiriet

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Was struktureller Rassismus ist und warum es ihn auch in der Schweiz gibt
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379 Kommentare
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der_Gallier
11.06.2020 12:20registriert Januar 2020
Migros und Coop hat ihre Eigenmaken länger schon in Schokoküsse/ Schaumküsse unbenannt.

Nun aber ehrlich gefragt an alle hier:
Wer nennt diese effektiv auch so?
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Chris69
11.06.2020 11:56registriert Juni 2015
Ok, aber dann machen wir mal das Experiment und fragen Jugendliche unter 20 Jahren, was sie unter "Mohren" verstehen. Also meine Jungs (15 und 17) verstehen darin nur der ersten Teil des Wortes "Mohrenköpfe". Also wenn schon mit den Globibüchern und den darin stehenden Wörtern argumentiert wird, muss man vielleicht auch berücksichtigen, dass heutzutage die Jungen echt nicht mehr wissen, was für ein Ursprung das Wort "Mohr"...Eigentlich hätte die Zeit genau das gemacht, was wir alle wollen...falls eben nicht immer solche Story von der Globi-Generation käme
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Lil Buoy aka Yung Speedo
11.06.2020 12:02registriert März 2020
Wir würden unsere Zeit besser darauf verwenden, aus der Geschichte zu lernen, als sie peinliches Stück für peinliches Stück zu tilgen. Wir waren nie perfekt, wir sind es nicht, und wir werden es nie sein. WIR sind das Problem, nicht ein Mohrenkopf, nicht Jim Knopf oder Uncle Ben's. Wir. Für mich ist es in jedem Fall zu bevorzugen, hin und wieder über die eigene peinliche Vergangenheit zu stolpern, als sie ausblenden zu dürfen, weil wir jetzt mal wieder irgendwo ein "Zeichen gesetzt" haben.
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