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Trotz Krise nehmen Konkurse und Betreibungen ab – das hat einen Grund

Trotz Krise nehmen Konkurse und Betreibungen 2020 ab – das hat einen Grund

07.04.2021, 12:1707.04.2021, 14:36
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Ein Mann geht am Dienstag, 9. Juni 2009, in Berlin an einem Geschaeft mit Werbeschildern mit der Aufschrift "Konkurse, Insolvenzen", das Artikel aus Geschaeftsaufloesungen verkauft, vorbei.  ...
Bild: AP

Es klingt paradox: Ausgerechnet 2020, im Jahr der grössten Wirtschaftskrise seit den Siebzigerjahren, haben Firmenkonkurse und Betreibungen in der Schweiz deutlich abgenommen. Doch die Zahlen sind mit Vorsicht zu geniessen, denn die Massnahmen des Bundes zur Verhinderung von Konkursen zeigten Wirkung.

Die Zahl der eröffneten Firmen- und Privatkonkursverfahren ging vergangenes Jahr in der gesamten Schweiz um 6.6 Prozent zurück, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) am Mittwoch mitteilte. Zum Vergleich: 2019 wurden rund 13'800 Insolvenzen registriert, 2020 waren es nur noch 12'900.

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Bild: BFS

Dabei wurden in allen Regionen der Schweiz weniger Konkursverfahren eröffnet als im Vorjahr, die Zahl des Rückgangs schwankte aber je nach Region stark. Am schwächsten war der Rückgang mit 2.8 Prozent in der Nordwestschweiz. Am stärksten gingen die Konkurseröffnungen mit 15.9 Prozent im Tessin zurück.

Auf kantonaler Ebene zeigten sich mit rund einem Viertel weniger Konkurseröffnungen in Glarus und Graubünden die stärksten Abnahmen. In absoluten Zahlen wurde aber in den Kantonen Tessin, Genf und Waadt mit über 100 weniger Insolvenzen als im Vorjahr der stärkste Rückgang verzeichnet. Lediglich in vier Kantonen nahmen die Konkurseröffnungen zu: In Schwyz (+13), Luzern (+32), Obwalden (+15) und Uri (+3). Ausserdem gab es im Halbkanton Basel-Stadt genau eine Konkurseröffnung mehr als im Vorjahr.

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Noch stärker als die Konkurse gingen laut der Mitteilung die Betreibungen zurück. 2019 wurden noch knapp 3.1 Millionen Zahlungsbefehle ausgestellt, im letzten Jahr waren es nur noch knapp 2.7 Millionen. Auch die Betreibungen auf Pfändung sowie die Betreibungen auf Pfandverwertung gingen deutlich zurück.

Zahlen zeigen nicht das wahre Abbild

Dass die Konkurse im vergangenen Jahr wegen der Coronakrise und deren verheerenden Auswirkungen auf die Firmenlandschaft in der Schweiz nicht mehr zugenommen haben, erklären die Statistiker vom BFS mit den Massnahmen des Bundes zur Verhinderung von Konkursen: Einerseits habe der Bundesrat die Unternehmen sehr früh von der Pflicht der Überschuldungsanzeige befreit. Das heisst, Unternehmen, die per Ende 2019 finanziell gesund waren, mussten eine drohende Überschuldung nicht mehr melden.

Als zweite Massnahme führte der Bund eine «Covid-19-Stundung» für KMU ein. Das bedeutet, dass die Fälligkeit von finanziellen Forderungen um drei Monate hinausgeschoben werden konnte. Zudem hat der Bund mit der Härtefallklausel Unternehmen finanziell unter die Arme gegriffen.

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Bild: BFS

Aus diesen Gründen sei keine klare Interpretation der Konkurszahlen von 2020 möglich, heisst es im Communiqué. Um hingegen das volle Ausmass der Coronakrise auf die Schweizer Wirtschaft und insbesondere die Anzahl Konkurse zu sehen, müsse man mindestens dieses oder sogar das nächste Jahr abwarten.

Im März steigen Konkurse

Einen ersten Hinweis darauf, wie die Entwicklung weitergeht, dürfte die aktuelle Auswertung des Informationsdienstleisters CRIF liefern: Laut einer ebenfalls am Mittwoch veröffentlichten Mitteilung nahmen die Firmenkonkurse im März 2021 schweizweit erstmals seit Beginn der Krise wieder zu. Und zwar um 16.2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im März hätten 688 Firmen Konkurs angemeldet, im Vorjahr waren es noch 592. Gegenüber dem Vormonat Februar stieg die Anzahl der Konkurseröffnungen sogar um über ein Drittel.

Am stärksten war der Anstieg laut der Mitteilung im Gesundheitswesen. In diesem Bereich wurden fünfmal so viele Konkurse verzeichnet wie 2020. Auch im Bereich Personalvermittlung vervierfachte sich die Anzahl Konkurse. In der Gastronomie, die bekanntlich von der Coronakrise besonders betroffen ist, meldeten zwar diesen März weniger Firmen Konkurs an als im Vorjahr. Gegenüber Februar stiegen die Insolvenzen von Restaurants und Bars allerdings um 54 Prozent. Im Bereich Beherbergung nahmen die Konkurseröffnungen gegenüber dem Vorjahr um 60 Prozent zu.

CRIF wertet für seine Erhebung alle Handelsregistereinträge von Firmen aus. Im Gegensatz zur Auswertung des BFS fallen dabei die privaten Konkurse nicht ins Gewicht. (aeg/sda/awp)

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3 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Snowy
07.04.2021 13:30registriert April 2016
Dafür werden im 2021 und 2022 Betreibungen und Konkurse in die Höhe schnellen...

"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben...!"

2020 konnte man dank den Unterstützungsleistungen des Bundes und der Kantone fast nicht Konkurs gehen. Das wird sich nun brutal rächen: Einerseits wird eine Bereinigung stattfinden müssen von allen Betrieben, welche auch ohne Corona im Jahr 2020 Konkurs gegangen wären - zusätzlich dazu folgen noch die Coronaspezifischen Konkurse, welche es trotz Unterstützungsgeldern nicht geschafft haben.
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Meyer Andrej
07.04.2021 16:53registriert August 2019
Wartet ab, das grosse Erwachen kommt noch, Arbeitslosigkeit etc..
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Jeder Zehnte in der Schweiz hat Mühe, finanziell über die Runden zu kommen
Im Jahr 2022 hat die Schweiz gemäss dem Bundesamt für Statistik (BFS) die höchste Lebenszufriedenheit aller europäischen Länder aufgewiesen. Seit 2014 hat sich diese kaum verändert. Dennoch lebte fast jede zehnte Person in finanziellen Schwierigkeiten.

Die Lebenszufriedenheit in der Schweiz ist im europäischen Vergleich konstant hoch und erreichte 2022 sogar den höchsten Wert aller europäischen Länder. Dennoch hatte fast jede zehnte Person Schwierigkeiten, finanziell über die Runden zu kommen, und 4,9 Prozent der Bevölkerung mussten aus finanziellen Gründen auf wichtige Güter, Dienstleistungen und soziale Aktivitäten verzichten. Die Armutsquote betrug 8,2 Prozent, wie aus der Erhebung 2022 über die Einkommen und Lebensbedingungen (SILC) des Bundesamtes für Statistik (BFS) hervorgeht.

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