Diese Woche wurde der Gehring-Bericht zur Aufarbeitung des Falls Pierin Vincenz veröffentlicht. Das Fazit lautete: Es wurden keine Nachweise gefunden, die strafrechtlich belangt werden können. Das liegt daran, dass laufende Untersuchungen der Staatsanwaltschaft nicht in den Bericht einbezogen wurden.
Jedoch durchsuchte die Staatsanwaltschaft Zürich bereits im Mai 2018 Wohnhäuser und Büros mehrerer Manager aus dem Umfeld der Bank Raiffeisen. Zu den Beschuldigten gehören unter anderem Ex-Bankchef Pierin Vincenz und sein langjähriger Geschäftspartner Beat Stocker – beide sassen mehrere Monate in Untersuchungshaft. Es geht um den Vorwurf der ungetreuen Geschäftsbesorgung.
Aber: Acht Monate später liegen noch immer keine Anklageschriften vor. Die Staatsanwälte können zahlreiche beschlagnahmte Akten und sichergestellte Festplatten und Mobiltelefone nicht auswerten. Sie wurden auf Antrag der Beschuldigten versiegelt, wie die «NZZ am Sonntag» berichtet.
Die Behörde sei dabei, auf dem Gerichtsweg eine Entsiegelung verfügen zu lassen, verlautet aus verfahrensnahen Kreisen. Mit einer Versiegelung kann ein Verfahren unter Umständen so lange verzögert werden, bis gewisse Tatbestände verjährt sind.
Derweil weitet sich der Fall aus. Die Kreditkartenfirma Aduno, an der Raiffeisen beteiligt ist, prüft laut «NZZ am Sonntag», ob es zu Unregelmässigkeiten bei den Bezügen der Chefetage gekommen ist. Brisant ist dies, weil Aduno mit einer ersten internen Untersuchung den Fall 2017 ins Rollen gebracht hatte.
Vincenz, einstiger Präsident der Aduno-Gruppe, war bekannt für seine Grosszügigkeit gegenüber sich selbst. Die Kreditkartenfirma lässt deshalb in einer zweiten Untersuchung klären, ob sich der Vorstand unrechtmässig Boni ohne entsprechende Leistung ausbezahlte.
Die Veröffentlichung des Gehring-Berichts hatte personelle Konsequenzen: Der neue Raiffeisen Präsident Guy Lachappelle entliess zwei Geschäftsleitungsmitglieder, zwei weitere traten von sich aus zurück.
Damit setzt die neue Führung ein klares Zeichen: Nun sitzt niemand mehr aus der Ära Vincenz in der Führungsetage. Die Posten sollen bis im Sommer neu besetzt werden. (vom)