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Tamedia fusioniert «Berner Zeitung» und «Bund»

Tamedia fusioniert «Berner Zeitung» und «Bund» und streicht 20 Stellen

08.04.2021, 11:2708.04.2021, 16:59
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Das Zürcher Medienhaus Tamedia legt in Bern die Redaktionen von «Berner Zeitung» und «Bund» zusammen und streicht voraussichtlich 20 Vollzeitstellen. Die beiden Titel sollen aber eigenständig bleiben.

Wie das zur TX Group gehörende Unternehmen am Donnerstag mitteilte, wird die Neuorganisation in den kommenden Monaten näher definiert. Die beiden Redaktionen werden einbezogen. Der Stellenabbau werde von den Ergebnissen dieser Konsultation abhängen. Er soll soweit wie möglich über die natürliche Fluktuation erfolgen.

Andernfalls kommt ein Sozialplan zur Anwendung. Die Redaktionen von «Berner Zeitung» (BZ) und «Bund» bestehen heute aus gegen hundert Personen, welche rund 70 Vollzeitstellen besetzen. In Zukunft werden etwa 70 Personen in 50 Stellen arbeiten, wie Tamedia-Co-Geschäftsführer Marco Boselli auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte.

ARCHIVBILD ZU DEN HALBJAHRESZAHLEN DER TX GROUP --- Aussenansicht des TX Group Hauptsitzes an der Werdstrasse in Zuerich, aufgenommen am 8. Januar 2020. Die Zuercher Mediengruppe Tamedia heisst seit 1 ...
Kahlschlag in Bern: TX Group.Bild: keystone

Tamedia will die beiden Zeitungen als separate Angebote weiterführen. «Der Bund» soll positioniert werden als Zeitung, bei welcher der Meinungs- und Debattenteil gestärkt wird, und in welcher eine breitere Ausland- und Kulturberichterstattung zu finden ist.

Die BZ soll auf eine umfassendere Regionalberichterstattung sowie auf Sport setzen. Die beiden Zeitungen erreichen heute nach eigenen Angaben mit der Print- und mit der Online-Ausgabe ein Gesamtpublikum von rund 420'000 Personen.

Die Gewerkschaft Syndicom kritisierte in einer Mitteilung, der Stellenabbau erfolge «ohne Not». Tamedia habe im vergangenen Jahr auf einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von elf Millionen Franken erzielt. Die Entlassungen seien auf ein Minimum zu reduzieren. Für den nicht vermeidbaren Teil des Abbaus sei ein fairer Sozialplan vorzulegen.

Das Ende des «Berner Modells»

Berns Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL) sprach am Donnerstag von einem «schwarzen Tag für Bern». Der publizistische Wettbewerb zweier Redaktionen habe bisher eine differenzierte, kritische und unabhängige öffentliche Debatte sichergestellt. Nun opfere Tamedia dieses sogenannte «Berner Modell» wirtschaftlichen Überlegungen.

Auch für Sheila Matti von der Personalkommission der «Berner Zeitung» bedeutet die Zusammenlegung der beiden Redaktionen das Ende des «Berner Modells», wie es heute bekannt ist. Es sei wohl nicht falsch, von einem «Einheitsbrei» zu sprechen, der nun drohe, so Matti auf Anfrage weiter.

De Berner Kantonsregierung findet laut Mitteilung, nun drohe eine «Verarmung» des Medienplatzes Bern.

Boselli bestritt am Donnerstag nicht, dass die Zusammenlegung der Redaktionen das Ende des «Berner Modells» bedeutet. Die neue Einheitsredaktion werde gemeinsam über eine Region berichten, nicht mehr gegeneinander.

Der Tamedia-Co-Geschäftsführer schliesst aber nicht aus, dass künftig in «Bund» und «BZ» unterschiedliche Kommentare beispielsweise zu Abstimmungsergebnissen erschienen. Das sei jetzt aber noch zu definieren. Tamedia werde der grösste Medienakteur auf dem Platz Bern bleiben und weiterhin eine gute Berichterstattung gewährleisten.

Ein neues Magazin als Reaktion?

Bereits Ende Oktober des vergangenen Jahres hatte Tamedia angekündigt, dass «Bund» und «Berner Zeitung» künftig enger zusammenarbeiten müssen. Zuvor hatte die TX Group bekanntgegeben, nach einem Verlust von 106 Millionen Franken im ersten Halbjahr 2020 gelte es, mehrere Dutzend journalistische Stellen abzubauen.

Als Reaktion darauf gab im Februar dieses Jahres die in Bern ansässige Bewegung «Courage civil» bekannt, sie prüfe, in der Bundesstadt ein neues Online-Magazin zu gründen.

Wie sie am Donnerstag auf ihrer Internetseite mitteilte, hat sie eine Umfrage zur Mediennutzung abgeschlossen. Fast 3000 Personen wurden befragt. Ein Konzept für ein Start-up stehe bereit. Nun brauche es Geld - mindestens 4,5 Millionen Franken. Dieses solle durch Stiftungen, Firmen und private Spenden gefunden werden. (aeg/sda)

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27 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Aeschiii
08.04.2021 11:34registriert Juni 2018
Das kam nicht unerwartet. Wo bleibt jetzt diese "Innovation durch Kapitalismus", von dem die Neoliberalen seit Jahrzehnten schwärmen?
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Donald
08.04.2021 11:40registriert Januar 2014
Warum nicht gleicht zusammenlegen? Ich hoffe von Tamedia kauft eh keiner mehr. Mittlerweile auf fast Ringier Niveau angelangt.
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Cerulean
08.04.2021 12:19registriert Februar 2016
Das ist für die Medienlandschaft der Bundesstadt und des Kantons Bern eine traurige Nachricht. Die Zentralisierung der Medien auf einige wenige große Medienhäuser in Zürich ist sowohl für die Demokratie, wie auch für die Ausübung der sog. Vierten Gewalt, alles andere als förderlich. Zumal notabene mindestens die Hälfte der Auslandmeldungen ohnehin nur noch aus sda/dpa-Meldungen besteht. Journalistischer Einheitsbrei. E Guete.
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