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Wirtschaft

Trotz Corona planen Swiss und Co. mehr Flüge als im Vorjahr – vorerst

Die Fluggesellschaft Swiss macht ernst mit Sparmassnahmen: Ab Juli gleicht sie den Lohn ihrer Angestellten in Kurzarbeit nicht mehr wie bis anhin auf das gewohnte Lohnniveau aus. (Archivbild)
Noch steht die Swiss-Flotte mehrheitlich am Boden. Wie viele in der Wintersaison wieder abheben werden, ist noch unklar.Bild: KEYSTONE

Trotz Corona planen Swiss und Co. ab Zürich und Genf mehr Flüge als im Vorjahr – vorerst

Der Kampf um die besten Zeitfenster für An- und Abflüge an Schweizer Flughäfen hat begonnen. Die Airlines gehen dabei in die Offensive und beanspruchen für die Wintersaison sogar leicht mehr Flüge als in der vergangenen Wintersaison – doch dabei wird es nicht bleiben.
22.05.2020, 18:04
Benjamin Weinmann / ch media
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Von derzeit 3 auf 15 bis 20 Prozent. So sieht der vorläufige Plan der Swiss aus, um das Flugvolumen im Juni langsam wieder hochzufahren. Der aktuelle Rumpfflugplan mit fünf Kurz- und Mittelstreckenflugzeugen sowie einer Langstreckenmaschine nach New York soll stetig ausgebaut werden. Hinzu kommen nun Destinationen wie Tokio, Mumbai, Bangkok und Chicago. Das Angebot wird über Wochen hinweg sukzessive erhöht.

Im Hinblick auf das Wintergeschäft hat für die Swiss und alle anderen Airlines nun das Pokerspiel begonnen. Denn die Fluggesellschaften müssen sich Monate im Voraus die «Slots» an den Flughäfen sichern, die Zeitfenster für Starts und Landungen. Sie gelten als das Gold in der Aviatik. Wer die besten Flugzeiten und Verbindungsflüge bieten kann, hat bei den Kunden gute Argumente beim Ticketkauf.

Vergangenen Donnerstag war Stichtag für die bevorstehende Wintersaison, die Ende Oktober beginnt und bis Ende März 2021 dauert. Es wird ein Winter der Wahrheit. Denn zwei zentrale Fragen sind für die Branche heute schlicht nicht zu beantworten: Kommt es zu einer zweiten Welle? Und egal ob sie kommt oder nicht: Wie gross ist die Lust bei Privatpersonen und Firmen, per Flugzeug zu reisen?

140'000 Starts und Landungen

Angesichts dieser Unsicherheiten überrascht die Strategie der Airlines auf den ersten Blick. Denn sie planen auf Vorrat und gehen «all in». «Die Anzahl Anträge für Starts und Landungen in Zürich und Genf im kommenden Winter liegt praktisch auf Vorjahresniveau, beziehungsweise ist sie leicht steigend», sagt Peter Dellenbach, Direktor der Slot Coordination Switzerland. Die Firma ist für die Vergabe der Start- und Landerechte zuständig. Im Winter 2019/20 verzeichnete der Flughafen Zürich laut Dellenbach 82'000 Flugbewegungen und Genf 56'000. Heisst: Auch für den bevorstehenden Winter planen die Airlines mit rund 140'000 Starts und Landungen.

«Vorerst», sagt Dellenbach. Er geht davon aus, dass diese Zahl noch sinken wird. Denn bis Ende August haben Swiss und Co. Zeit, ihre Eingaben zu korrigieren und Slots wieder abzutreten. Bis dahin heisst es: Bluffen. Fragt sich, wer die Karten zuerst auf den Tisch legt. Denn gibt man die Slots ab, besteht die Gefahr, dass sich ein Konkurrent das Zeitfenster schnappt und es so lange wie möglich behält. Insbesondere die Zeitfenster in den Stosszeiten am Morgen, über Mittag und spät abends gelten in der Branche als heiss begehrt.

Für zusätzliche Spannung sorgt die so genannte 80/20-Regel. Denn ein EU-Paragraph besagt, dass die Airlines 80 Prozent ihrer geplanten Flüge in einer Saison durchführen müssen, damit sie denselben Slot in der nächsten Flugplanperiode wieder erhalten. Ansonsten müssen sie ihn abgeben. So soll verhindert werden, dass die Firmen an unbenutzten Slots festhalten und der Wettbewerb leidet.

Swiss-Chef: «Diese Entscheide sind sehr schwierig»

Kurz nach Ausbruch der Pandemie entschied die EU die Regel für den Sommerflugplan auszusetzen. Doch für die Wintersaison rechnet Dellenbach erst im September mit einem Entscheid aus Brüssel – also erst nach der Deadline für die Airlines.

Fakt ist: Selbst die Swiss rechnet in absehbarer Zeit nicht mit einem Flugvolumen wie auf Vorjahresniveau. Erst kürzlich sagte Airline-Chef Thomas Klühr im Rahmen eines Konferenzgesprächs mit über 20 Journalisten, dass er bis Ende Jahr hofft auf 50 Prozent zu gelangen. Die Herausforderung wird sein, zu eruieren, welche Destinationen zu welchen Zeiten besonders gefragt sind – und welche Slots man abgeben wird.

«Diese Entscheide sind sehr schwierig», sagte Klühr dazu. «Es gibt verschiedene Indikatoren: Welches Land öffnet die Grenzen zuerst? Wo ist der Lockdown vorbei? Welche Ziele suchen unsere Kunden online?» Dieser Mix gebe ein wenig Aufschluss. Doch es bleibt ein Pokerspiel. (bzbasel.ch)

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25 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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PhilippS
22.05.2020 18:35registriert September 2016
Wenig überraschend, wenn man mit einem bedingungslosen staatlichen Blanko-Scheck die Preise drücken und die Maschinen in der Luft halten kann...
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Zum Kommentar
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dergraf
22.05.2020 23:56registriert April 2016
Was die Swiss-Verantwortlichen hier zelebrieren, ist staatlich garantierte Idiotie!
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