Das Ende des Leidenswegs scheint in Sicht. Die Impfungen gegen SARS-CoV-2 kommen voran, wenn auch oft langsam, vor allem in der Schweiz. Sie versprechen eine Rückkehr zur Normalität. Rückschläge aber bleiben nicht aus. Die Vektorimpfstoffe von Astrazeneca und Johnson & Johnson sind wegen Thrombose-Fällen bei jüngeren Frauen in der Kritik.
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Für Stress sorgen zudem die mutierten Virus-Varianten. Sie könnten die von den derzeit verabreichten Vakzinen aufgebaute Immunabwehr umgehen, weshalb es als fast schon gesichert gilt, dass wir regelmässig eine Nachimpfung brauchen werden. Wie schön wäre es da, wenn es einen Impfstoff gäbe, der das Problem ein für allemal löst.
Einer glaubt, dass ihm dies gelingen wird: Vladimir Cmiljanovic will mit seiner Basler Firma RocketVax einen Corona-Impfstoff der zweiten Generation «für die Schweiz und die ganze Welt» entwickeln. Er soll längerfristig wirken und einen dauerhaften Schutz ermöglichen, «unabhängig von Mutationen», wie Cmiljanovic im Gespräch erläutert.
«Das Ziel ist nicht nur die Bekämpfung der jetzigen Pandemie, sondern auch zukünftiger Pandemien», sagt Cmiljanovic. Das hört sich grössenwahnsinnig an, doch der 41-Jährige meint es ernst. Man habe in den letzten acht Monaten intensiv gearbeitet, betont er. Den Bund konnte er offenbar damit überzeugen, denn er kann einen ersten Erfolg vermelden.
Die staatliche Innovationsagentur Innosuisse unterstützt RocketVax für die erste Projektphase von sechs Monaten mit einem Betrag von 1,2 Millionen Franken. Das wirkt eher bescheiden, wenn man an die Milliarden der Operation Warp Speed in den USA denkt. Doch normalerweise gebe es eine solche Summe für zwei Jahre, meint Cmiljanovic.
Weiteres Geld habe die Firma von privaten Investoren erhalten, und der CEO weckt im Gespräch die Erwartung, dass in den nächsten Wochen weitere Ankündigungen folgen werden, nicht nur finanzieller Art. Tatsächlich deutet einiges darauf hin, dass das ambitionierte Projekt kein Luftschloss ist, sondern auf einer soliden Grundlage basiert.
Was aber hat es mit diesem Impfstoff auf sich? Vereinfacht gesagt handelt es sich beim RVX-13 genannten Impfstoff von RocketVax um einen für den Menschen harmlosen «Nachbau» des SARS-CoV-2-Virus. Er soll nach der Injektion im menschlichen Körper eine Art Schutzwall gegen gefährliche Varianten bilden, auch gegen künftige Mutationen.
Das genetische Design sei bereits erfolgreich etabliert worden, heisst es in einer Mitteilung. Bis zu einem möglichen Einsatz ist der Weg aber noch weit. Man hoffe, im kommenden Dezember oder Januar mit der Phase 1 der klinischen Studien zu beginnen, sagt Cmiljanovic. Wenn alles klappt, könnte die Produktion für den Weltmarkt Ende 2022 starten.
Der Weg ist lang und schwierig, aber das schreckt Vladimir Cmiljanovic nicht ab: «Ich bin als ehemaliger Handballprofi sehr kompetitiv.» Der gebürtige Serbe war Nationalspieler in seiner Heimat und in der Schweiz beim RTV Basel engagiert. Daneben studierte er medizinische Chemie in Basel und engagierte sich nach dem Ende seiner Sportkarriere in der Krebsforschung.
Cmiljanovic gründete mehrere Firmen und geriet dabei auch in Turbulenzen. Beim Startup Piqur zog er nach einem Machtkampf den Kürzeren. 2018 rief er mit seiner im gleichen Fachgebiet tätigen Schwester Natasa das Unternehmen Swiss Rockets ins Leben. Das Ziel war ebenfalls die Entwicklung von Krebsmedikamenten. Dann kam Corona.
Im letzten November lancierten die Geschwister die Tochterfirma RocketVax. Sie konnten viel Fachkompetenz an Bord holen. Der bekannteste Name ist Marcel Tanner, ehemals Mitglied der Covid-Taskforce. Er fungiert als wissenschaftlicher Chefberater. «Wir lernen von den anderen Impfstoffen und wollen diese am Ende überholen», meint Cmiljanovic.
Er ist sich bewusst, dass das Projekt dabei auch ins Schleudern kommen und scheitern könnte. Diese Erfahrung machten die drei früheren Schweizer Impfstoff-Projekte, die teilweise mit viel Brimborium angekündigt wurden und aus denen am Ende nichts wurde. «Das Risiko ist vorhanden, aber wenn man es nicht versucht, erreicht man nichts.»
Der umtriebige Basler und seine Mitstreiter sind zudem nicht die Einzigen, die an einem Impfstoff der zweiten Generation arbeiten. Weltweit wird geforscht. Besonders ambitioniert ist das Tübinger Unternehmen Curevac, dessen erster Impfstoff vor der Zulassung steht und das für seine Weiterentwicklung den Pharmariesen GlaxoSmithKline (GSK) gewonnen hat.
Vladimir Cmiljanovic lässt im Gespräch durchblicken, dass er ähnliche Partnerschaften anstrebt, auch wenn noch nichts spruchreif ist. Und er muss sehr viel Geld organisieren, wobei er gleichzeitig die Kontrolle behalten will, was die Sache nicht einfacher macht. Vorerst ist der Schweizer «Super-Impfstoff» nicht viel mehr als ein schönes Versprechen.
Für Cmiljanovic sind solche Bedenken eher Ansporn als Hindernis. Er könnte beweisen, dass die Schweiz, die als weltweit führender Pharma- und Forschungsstandort bei den Corona-Impfungen bislang einen schwachen Eindruck hinterlässt, in einem zweiten Anlauf den grossen Erfolg landen wird: «Es ist ein schwieriger Weg, aber das schaffen wir. Ich glaube an unser Team und an die Schweiz!»