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Lufthansa, Swiss machen Wilma, doch es gibt bessere Boarding-Methoden

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Wilma kommt – doch es gibt noch bessere Boarding-Methoden

Mit einem neuen Boarding-Verfahren will die Lufthansa, und damit auch teilweise die Swiss, die Einsteigezeit bei ihren Fliegern deutlich verkürzen. Die Idee ist nicht schlecht, doch es gibt noch Bessere.
05.11.2019, 13:4405.11.2019, 16:00
Dennis Frasch
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Passagiere des Lufthansa-Konzerns müssen sich beim Einstieg ins Flugzeug auf ein neues Verfahren einstellen. Damit soll das Boarding schneller gehen. Tochter Swiss führt das neue Boardingprinzip allerdings nur auf wenigen Flügen bei Aussenstationen ein.

Die neue Einsteig-Methode heisst «Wilma», eine Abkürzung für «Window-Middle-Aisle». Das Prinzip dabei ist einfach: Nachdem Familien mit kleinen Kindern sowie Personen mit eingeschränkter Mobilität und die Business-Class-Kunden eingestiegen sind, geht es der Reihe nach. Der Horizontalen, nicht der Vertikalen.

Zuerst dürfen alle Passagiere mit Fensterplatz einsteigen. Danach kommen jene in der Mitte, gefolgt von den Gangplätzen. Doch ist diese Methode wirklich die Beste? Ein Test der Fernsehsendung Mythbusters hat verschiedene Methoden getestet, mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen.

Back to Front – die Standardmethode

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Bild: screenshot youtube

Von den meisten Airlines genutzt, von den wenigsten Passagieren geschätzt, im Test mit Abstand am schlechtesten abgeschnitten: Die Back-to-Front-Methode. Viele werden dieses Verfahren bereits kennen. Zuerst steigen Passagiere ein, welche ganz hinten sitzen und dann wird sukzessive aufgefüllt.

Beim Test der Mythbusters brauchten die Test-Passagiere 24 Minuten und 29 Sekunden, bis der letzte Gast auf seinem Platz und das letzte Gepäckstück verstaut war.

Vorteil: Familien, Paare, Freunde und alle anderen Konstellationen von Personen, die zusammen reisen, können gemeinsam ins Flugzeug einsteigen.

Nachteile: Viele Leute versuchen gleichzeitig, eine Reihe zu besetzen. Das führt zu Rückstau. Oftmals müssen auch Leute wieder von ihren Sitzen aufstehen, um Passagieren an den Fenstersitzen Platz zu machen.

Fazit: Eine der schlechtesten Methoden. Im Test der Mythbusters war dieses Verfahren das langsamste von allen, auch erhielt es einen sehr niedrigen «Satisfaction Score» (Zufriendenheitswert) von den Gästen.

Random with Seats – Das organisierte Chaos

Das sieht in der Praxis etwa so aus:

Ein wenig schneller war die Zufallsmethode. Dabei hatten die Passagiere einen festen Sitzplatz zugeteilt bekommen, es gab jedoch keine feste Reihenfolge beim Einsteigen.

Und siehe da, es ging bereits deutlich schneller. In 17 Minuten und 15 Sekunden waren die Passagiere bereit zum Abflug.

Vorteile: Zusammengehörige Reisende können gemeinsam boarden. Auch ist die Zufallsmethode schon erheblich schneller als die Standardmethode.

Nachteile: GEDRÄNGEL. Jeder will zuerst einsteigen, Survival of the fittest. Rumble in the Jungle. Man will es ja doch nicht riskieren, dass man am Gate stehengelassen wird. Oder den anderen Top-Dränglern das obligate «ERSTER!» überlassen zu müssen. Sehr niedriger Satisfaction Score.

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Bild: shutterstock.com/watson

Fazit: Auch nicht unbedingt zu empfehlen. Die Einsteigezeit war zwar sieben Minuten unter jener der Standardmethode, aber die Zufriedenheitswerte waren nochmals etwas schlechter als beim ersten Verfahren.

Wilma – Die Neue

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Bild: screenshot youtube

Ok, so neu ist diese Methode nicht. Die Mythbusters haben sie immerhin schon 2014 getestet. Wie sie funktioniert, ist bereits oben im Text beschrieben.

Im Test der Mythbusters schnitt das Verfahren, auf das künftig auch die Lufthansa und Teile der Swiss setzen wird, sehr gut ab. 14 Minuten und 55 Sekunden betrug die Einsteigezeit.

Vorteile: Schnelle Einstiegszeit, keine Staus, kein erneutes Aufstehen.

Nachteile: Alle genannten Vorteile treffen nur zu, wenn das Verfahren mustergültig angewandt wird. Das heisst, dass alle Passagiere bereits am Gate sind und auch verstehen, was die Zahlen auf ihren Boardingkarten bedeuten. Zudem müssen Ausnahmen gemacht werden, um zumindest Familien gemeinsam einsteigen zu lassen.

Fazit: Gute Idee, würde sicherlich besser funktionieren als die Standardmethode. Wie es sich in der Praxis verhält, wird sich jedoch noch zeigen. Der Zufriendenheitswert beim Test der Mythbusters war jedoch der Dritthöchste.

Wilma Block – Die Neue mit Nachnamen

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Bild: screenshot youtube

Wilma Block könnte man als Kind von Wilma und der Standard-Methode bezeichnen – eine Mischung. Eine ziemlich gute, wie sich im Test der Mythosvernichter zeigte. Zwölf Sekunden länger als bei der normalen Wilma, nämlich 15 Minuten und sieben Sekunden, brauchten die Passagiere, um einzusteigen.

Wie genau das Ganze funktioniert, ist ein wenig schwer, in Worte zu fassen. Aber das Bild beschreibt es doch ganz gut. Also hurtig weiter zu den Vor- und Nachteilen.

Vorteile: Auch wenn es auf dem Bild ein wenig kompliziert aussieht, und ich mir nicht sicher bin, ob die Tester miteinbezogen haben, dass Menschen am Flughafen allesamt 20 IQ-Punkte als Depot zurücklassen müssen und diese erst bei Ankunft zurückerhalten (wieso ist das so?), so hat das Block-Verfahren sehr gut funktioniert.

Es ist strukturiert, die Testpersonen haben den zweithöchsten Zufriedenheitswert vergeben. Familien und andere Gruppen-Reisende würden eher noch die Chance bekommen, gemeinsam einzusteigen.

Nachteile: Es ist kompliziert. Die Leute müssen den Anweisungen sehr gut zuhören.

Fazit: Wäre sicher interessant, diese Methode in der Praxis zu testen. Den Testpersonen hats zumindest schon mal sehr gut gefallen.

Random no Seats – Das komplette Chaos

Für diese Methode braucht es kein Bild. Und auch keine grosse Erklärung. Niemand hat einen reservierten Sitzplan, es gibt keine Reihenfolge beim Einsteigen.

Vorteil: Es ist tatsächlich die schnellste Methode. Im Test brauchten die Probanden 14 Minuten und sieben Sekunden.

Nachteile: Die Leute sind sich selbst überlassen. Urinstinkte keimen auf, die prähistorischen Überlebensmechanismen verwandeln die Passagiere in Scheuklappen tragende Egoisten. Zumindest stelle ich mir das so vor.

Fazit: Der Zufriedenheitswert stützt meine These. Er ist bei der Chaos-Methode mit Abstand der Tiefste. Und die Schwachen, die es erst gar nicht ins Flugzeug geschafft haben, konnten vermutlich gar nicht erst wählen. Der Wert wäre also noch tiefer.

Ryanair hat diese Methode jahrelang angewandt, nun jedoch aufgrund von negativem Kundenfeedback aufgegeben.

Reverse Pyramid – Die Kleopatra

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Bild: screenshot youtube

Die umgekehrte Pyramide ist eine eierlegende Wollmilchsau: Sie ist schnell, effektiv und beliebt bei den Testpersonen. In 15 Minuten und zehn Sekunden waren die Passagiere startklar.

Wie genau die Pyramide funktioniert, ist auch wieder dem Bild zu entnehmen.

Vorteile: Passagiere sollten sich nicht in den Weg kommen, es wird sowohl von hinten nach vorne als auch von rechts nach links logisch aufgefüllt.

Nachteile: Gleiche Kritikpunkte wie bei Wilma. Erstens ist es kompliziert, es müssen alle Gäste anwesend sein, damit es funktioniert, und sie müssen vor allem zuhören und ihre Boardkarte verstehen können.

Fazit: Die Testpersonen haben diese Methode zum Sieger erkoren. Auch punkto Einsteigezeit war sie nur wenige Sekunden langsamer als die beiden Wilmas. Fraglich ist jedoch weiterhin, ob man dieses Verfahren im echten Leben anwenden kann. Es ist zu bezweifeln.

Hier noch die Resultatetabelle:

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bild: screenshot youtube

... und das Video der Mythbusters:

Bonus: Die Steffen-Methode

Nicht getestet wurde die Steffen-Methode. Liest man sich aber ein bisschen durch das Internet, stösst man immer wieder auf das Verfahren von Jason Steffen, einem Physiker.

Dieser musste mal ziemlich lange in Seattle auf das Boarding warten und entwickelte dabei diese Idee. Im Grunde genommen funktioniert die Steffen-Methode gleich wie Wilma, mit dem Unterschied, dass die linke und rechte Reihe abwechselnd aufgefüllt werden. Zuerst also alle linken Fensterplätze, dann alle rechten. Und so weiter.

Vorteil: Könnte das Wilma-Verfahren weiter beschleunigen und lässt keine Kollisionen im Gang mehr zu (ausser die Vordersten sind zu langsam).

Nachteil: Je mehr Boarding-Gruppen, desto komplizierter.

Fazit: Könnte funktionieren, wenn alles stimmt. Es müssten jedoch wieder viele Ausnahmen für Familien und beeinträchtigte Personen gemacht werden, was das ganze Prinzip ein wenig kaputt macht. Aber besser als die Standardmethode ist auch die Idee von Jason Steffen allemal. Bringt den Airlines halt kein Geld durch Priority-Entry-Verkäufe.

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47 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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DerHans
05.11.2019 14:46registriert Februar 2016
Egal wie das Boarding von statten geht, viel wichtiger ist die Frage, ob man schneller aussteigen kann, wenn man schon beim Landeanflug den Gürtel öffnet und aufsteht?
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Phrosch
05.11.2019 14:42registriert Dezember 2015
Alle Methoden scheitern an drei Sorten Zeitgenossen: jenen die nicht zuhören können, jenen die nicht gehorchen können, und hebe die nicht lesen können. 🤷‍♂️😂
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mrgoku
05.11.2019 15:08registriert Januar 2014
ja klar probiert das mal bei einem Flug nach Porto...

als ob Frau Maria Matilda dos Santos Aveiro Monteiro alleine in den Flieger steigt weil ihr Mann Carlos Manuel Ferreira do Carmo Monteiro am Gang sitzt und sie am Fenster....
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