«Back by Popular Demand!» Kaum ein Auto wurde mit derart viel Vorfreude erwartet wie der kürzlich vorgestellte 2021er Ford Bronco. Und wisst ihr was? Es scheint, als hätte Ford hier ziemlich alles richtig gemacht.
Let me explain. Seht, das hier, zum Beispiel, ist ein offizielles Pressebild:
Es will offenbar aufzeigen, dass der Innenboden des Fahrer- und Laderaums sich easy mit dem Schlauch auswaschen lässt. Wenn man sich mit richtig dreckigen Schuhen reingesetzt hat. Wohl nachdem man ungefähr so unterwegs war:
Fein. Da bewirbt eine Automarke sein Offroader-Modell als das, wofür es eigentlich konzipiert wurde. Daran ist nichts besonders. Das machen alle Autohersteller so. Gekauft werden die Göppel am Ende dann doch von Goldküsten-Mamis oder Stadtzürcher Werber, welche die übergrossen Dinger ausschliesslich auf gut geteerten Strassen der Innenstadt bewegen. Ja, auch ich nerve mich über Offroader in der Stadt.
Doch beim Ford Bronco ist was anders. Beim Ford Bronco ist was ... Emotionales im Spiel. Zumindest für Nordamerika. Dort nämlich hat der Ford Bronco eine ähnliche Stellung im kollektiven Bewusstsein etlicher Generation wie in Europa der Mini oder der VW Käfer ... oder der Land Rover. Keine blosse Fahrzeuge, sondern Ikonen. Welche zudem eine riesige, eingeschworene Fangemeinde haben, die es zu beglücken gilt.
Was übrigens gar nicht so einfach ist, wenn es darum geht, ein Gefährt von Grund auf zu erneuern. Beim New Beetle von VW ist der Motor vorne – sagt mal, spinnen die eigentlich? Und der neue Mini ist eher ein Maxi! Und als 2015 verkündet wurde, dass der Land Rover Defender, jener von allen geliebter Ur-Offroader, eingestellt würde, war der Aufschrei riesig. Ebenso gross natürlich auch der Gwunder auf das Aussehen des Nachfolgemodells. Denn am liebsten hätten alle gehabt, dass der Defender, der seine äussere Form seit 1948 kaum verändert hatte, einfach immer weiter existieren würde. Als der neue Defender schliesslich Ende 2019 vorgestellt wurde, waren die Reaktionen durchzogen. Der Neue versucht, Utilitarismus und Hightech-Innovationen unter einen Hut zu bringen (was ihm zweifelsohne gelingt). Doch ist er, so vom Gefühl her, ein Land Rover?
Die Marke Land Rover hatte sich Jahrzehnte lang mit ihren Range Rover und Discovery-Modellen um einen festen Platz im Luxus-Segment bemüht – und ihn auch bekommen. Folglich aber wird der neue Defender nicht mehr als frugales Arbeitsgerät wahrgenommen, sondern als das am wenigsten edle Modell einer Luxus-SUV-Palette. Ford, hingegen, baut F-150 Pickup Trucks, Focus-Kleinwagen, die sich zum GTi aufmotzen lassen, Mustangs, die viel PS für vergleichsweise wenig Dollar bieten – allesamt Sachen, die auch für ein Büezer erreichbar sind. Der neue Bronco hat selbstredend alle Credentials und auch das moderne Hightech eines fähigen Offroaders, aber er bleibt seinem Ur-Image treu. Das ungezähmte Rodeo-Pferd, so, vom Gefühl her.
Und dieses Ur-Image bietet sich besser für eine Modernisierung an, als spärlich ausgestattete Minis, Defenders und VW Käfer von anno dazumal. Mag er nach einem ungezähmten Rodeo-Pferd benannt sein, der Ford Bronco von 1966 verband erstmals seriöse Offroadtauglichkeit mit Styling und Benutzerfreundlichkeit eines PWs – also genau das, was alle SUVs uns heute verkaufen wollen. Und weil er ein Ford war, war er auch billig. Und zudem nach Belieben auf Kundenwünsche und -bedürfnisse anpassbar: Du willst ein schickes Ding mit Chrom und hübschem Interieur? Geht klar! Oder wirst du hauptsächlich auf der Ranch und über Felder herumfahren müssen? Auch das geht klar – wir schrauben dir die Türen ab und montieren einen Rollkäfig!
Derart geliebt ist die erste Generation Broncos, dass sich der Wert für gut erhaltene Oldtimer in den letzten zehn Jahren verzehnfacht hat. Keine Frage, also, auf welche Version Ford mittels Designelementen beim Neuen anspielen will. Demnach ist der neue Bronco auch kein Riese – für SUVs ist er gar eher klein. Angeboten wird er mit effizienten 2,3-Liter-Vierzylinder- oder 2,7-Liter-V6-Motoren (die freilich mehr PS und Drehmoment haben als die V8-Ungetümer von anno dazumal). Er ist modular aufgebaut, kann beliebig aftermarket-mässig ausgebaut werden. Ab Fabrik aber auch schon, wo es diverse Trim-Levels gibt, die in der teuersten Ausführung durchaus schick daherkommen ... aber das ist alles Nebensache, fast.
Denn heutzutage ist auch die Technik grösstenteils Nebensache, weil selbstverständlich. 7-Gang-Getriebe mit Crawl-Funktion, allerlei elektronische Gelände-Fahrhilfen und ähnlicher Schnickschack ... ja, das sollte tamminomol im Jahr 2020 für ein Geländefahrzeug selbstverständlich sein. Und ein sparsamer, dennoch kraftvoller Motor ebenfalls. Und eine Hybridversion und wohl irgendwann die E-Version auch.
Was nicht selbstverständlich ist, ist ein Auto zu bauen, auf das sich alle freuen wie Kinder auf den Weihnachtsmann. So geschehen beim neuen Bronco.
Und dann kam Corona. Und mit Corona alle Unsicherheiten und Einschränkungen und Ängste mit denen wir uns seither alle herumschlagen müssen. Wirtschaftskrise, ein rechtsaussen-Troll als Präsident, Reisebeschränkungen ... da wirkt die Präsentation des neuen Bronco wie ein Wiedersehen mit einem lieben alten Freund; wie eine herzhafte Umarmung vom Grossvater. Erinnerungen werden geweckt an eine Zeit, die uns einfacher erschien; als im weissen Haus noch Erwachsene arbeiteten und wir alle etwas positiver in die Zukunft blickten. Am Ende ist das Sehnsucht nach der eigenen Kindheit. Das kennen wir alle.
So. Und nun habe ich einen ganzen Artikel über ein Auto geschrieben, das ich mir niemals kaufen würde. Zumindest nicht so lange ich in der Stadt wohne (und ich bleibe sicher in der Stadt, denn auf dem Land werde ich nervös). Aber ich verstehe die emotionale Komponente, die mit einem Autokauf einhergeht. Und deshalb ist der Ford Bronco, gerade in diesem Krisenjahr 2020, ein wichtiges Auto.