Alles sieht danach aus, dass per Ende 2019 wieder mehr Schallplatten als CDs verkauft werden. Zum ersten Mal seit – wait for it ... – 1986! Krass.
So, und nun bevor wir Ewiggestrigen allzu sehr jubeln: Weiterhin machen Streaming-Abos stolze 62% des Gesamtumsatzes des Musikmarkts aus. Dennoch ist es bemerkenswert, dass der Vinylmarkt, der lange ein allerkleinstes Nischendasein frönte, seit geraumer Zeit boomt.
Jüngst meldete die Recording Industry Association of America (RIAA), dass Vinyl inzwischen mehr als ein Drittel des Umsatzes mit physischer Musik ausmacht. Dem Bericht zufolge wurden im ersten Halbjahr 2019 224,1 Millionen Dollar für Vinyl ausgegeben, im Vergleich zu CDs mit 247,9 Millionen Dollar. Bis zum vergangenen Sommer lagen CDs also noch vorne. Doch der CD-Markt stagniert seit Jahren, während der Umsatz mit Vinyl im zweiten Halbjahr 2018 um 12,8% und im ersten Halbjahr 2019 um 12,9% stieg. Somit deutet alles darauf hin, dass Ende des Jahres Vinyl den kleinen Silberling überholen wird.
Gut so, denn Vinyl ist besser!
Bloss, ... weshalb eigentlich?
Weshalb soll eine umständliche, 30cm grosse Scheibe, die man stets mühsam vor Kratzer schützen muss, ‹besser› sein? Mit Vinyl hat man keine Millionen-Song-Datenbank jederzeit auf Knopfdruck zur Verfügung, egal ob man sich im Auto, im Büro oder auf der Party befindet. Mit Streaming hat man das.
Und das mit der Soundqualität, die bei Vinyl angeblich geiler sein soll? Fehlanzeige. Die digitale Sounddynamik einer CD ist in ziemlich allen Aspekten messbar derjenigen einer Schallplatte überlegen – eine Tatsache, die durch Blind- und Doppel-Blindtests immer wieder bewiesen wird.
Was aber ebenfalls Fakt ist: Hat man eine halbwegs anständige Stereoanlage, hört sich Vinyl irgendwie, naja, fetter an. Klar, auch dies kann man audiotechnisch erklären (abgekürzt: «fetter»/«wärmer» bedeutet meist «ungenauerer Bassbereich»), nötig wäre es aber nicht. Und zwar weil Musik und Musikhören nun mal eine hochemotionale, kontextuelle Angelegenheit ist. Subjektives Empfinden zählt hier genauso wie physikalisch Messbares wie Dynamikbereich oder Übersprechdämpfung.
Seht, bei einer Schallplatte freut man sich doch schon, wenn man sie nur zur Hand nimmt – eine schöne Covergestaltung tut dann noch das seine. Die LP aus dem Regal nehmen, diese vorsichtig auf den Plattenspieler legen, die Nadel aufsetzen, das Knistern der Rille – das alles sind sinnliche Impulse, die dazu führen, dass die danach spielende Musik in der Tat geiler klingt. Man ist involviert.
Gewiss, manchmal möchte man einfach ein wenig Hintergrundlärm, um einen von langweiligen aber nötigen Tätigkeiten wie Fitness, Pendeln oder Hausputz abzulenken. Dafür ist der Spotideezer-Streamingdienst perfekt. Hat man aber die Pflichten erledigt und möchte etwas Quality Time geniessen, dann geht eben nichts über eine Vinyl-LP von Anfang bis Schluss hören. Hinhören. Vielleicht dazu die Plattenhülle begutachten. Sich einen Drink gönnen. Nach 25 Minuten die Platte wenden. Musiker und Produzenten haben sich etwas überlegt zur Songreihenfolge. Und auch der dritte Track auf der B-Seite hat seinen Grund und einen Wert; nicht nur die Hitsingle. Musik ist eines unseren höchsten Güter; und Vinyl ist die schönste Art, diese ab Konserve zu geniessen.
Deshalb, liebe Millennials, kauft bitte weiterhin Vinyl! Schaut eventuell, dass ihr bei Gelegenheit die Crosley Billigst-Plattenspieler mit etwas leicht Besserem ersetzen könnt, aber hört mehr Vinyl-Platten! Respect the music.