Das Wetter stimmt schon mal. Und die Bars dürfen ja auch wieder offen haben (die mit Terrasse oder Vorplatz sind da bevorteilt, klar). Und unweigerlich werden Zillionen Westeuropäer und Nordamerikaner sich Aperol Spritz bestellen.
Und alle lieben's.
Öh, nicht alle. Not me. Und ich bin nicht der Einzige. Aber erst mal von vorne.
Aus dem Veneto. Was auch der Grund ist, weshalb unerträgliche Besserwisser wie ich euch nun gerne belehren, dass der Drink früher mal Spritz Veneziano hiess. Aber die Österreicher haben auch noch was damit zu tun. «Spritz» ist tatsächlich eine Kurzform von «Gespritzter», und dieses deutsche Lehnwort hat seinen Ursprung in der habsburgischen Herrschaft über den Veneto in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damals gewöhnten sich dort stationierte österreichische Soldaten, Händler und Diplomaten bald mal an den Wein aus dem Veneto, waren aber mit der grossen Vielfalt etwas überfordert. Auch war der Alkoholgehalt höher, als sie es sich gewohnt waren, weshalb die Neuankömmlinge begannen, ihre Drinks mit etwas Wasser zu verdünnen. «Uno spritz per l'austriaco laggiù!»
Kommen wir zur Marke Aperol. Das Destillat aus Rhabarber, Chinarinde, Gelbem Enzian, Bitterorange und aromatischen Kräutern wurde von den Brüdern Silvio und Luigi Barbieri aus Padova (aha – Veneto wieder!) 1919 entwickelt. Geschmacklich Campari nicht unähnlich hat Aperol lediglich 11 Volumenprozent und somit weniger als die Hälfte des Mailänder Produkts. Während die Kombination von Aperol und Prosecco die durch und durch venezianische Provenance unterstreicht, ist es in Italien nicht unüblich, Aperol mit Campari, Cynar oder anderen Bitterlikören zu ersetzen.
Das Problem ist eines des ... Beigeschmacks. Wörtlich und bildlich. Fangen wir bei Letzterem an. Dazu gehört die Frage: Wie wurde ein regionaler Apéro-Drink zum globalen Renner?
Die Antwort lautet: Mit viel Geld. 2003 wurde Aperol von der Gruppo Campari gekauft, einem der grössten Global Players im Alkoholsektor. Sofort erkannte deren Marketingabteilung das Potential des Drinks und positionierte ihn fortan als «the perfect drink for social occasions». Einige Mega-Promo-Kampagnen später und der Drink ist von keinem Firmenapéro, keiner Weihnachtsparty, Après-Ski-Hüttengaudi und keinem Junggesellinnenabschied wegzudenken.
Da hat man eine schöne lokale Spezialität genommen und sie zur Cash Cow gemacht. Da! Trinkt das! Und zwar aus dem dazugehörigen Glas mit Branding. Und mit dem Prosecco aus demselben Mutterhaus. Aperol Spritz – das ist ein Networking-Workshop in Flüssigform. Das Coca-Cola der Cocktail-Welt. Und der Erfolg gibt ihm Recht: Heute macht Aperol den grössten Verkaufsanteil im Sortiment der Gruppo Campari aus.
Ja. Ja, daran ist eigentlich nichts einzuwenden. Bloss, wenn der Erfolg derart aus einer Machtposition erzielt wurde, bleibt ein bitterer Beigeschmack. Denkt daran: Ihr mögt alle Aperol Spritz, weil eine millionenschwere Marketingkampagne das so wollte.
Und nun zum Geschmack selbst.
Vor ziemlich genau einem Jahr schrieb die Food-Journalistin Rebekah Peppler in der «New York Times» einen viel beachteten Artikel mit Titel «The Aperol Spritz Is Not a Good Drink». Darin verglich sie den «Instagram friendly Drink» mit einer Capri-Sonne nach dem Fussballtraining an einem heissen Tag. Und zwar «not in a good way».
«Jaaaaaaa. Endlich sagt's wer!», fuhr es aus mir empor. Da kann der Drink noch so perfekt zu Golden Hour und Instagram und der in der Schweiz ach so geliebten Apéro-Kultur passen, das Problem bleibt: Es ist kein wirklich guter Drink. Weil: zu zuckrig. Sorry. Und zwar weil in der Regel eher billiger, eher süsser Prosecco dafür verwendet wird.
Ich war mal mit einer guten Freundin in jener grossartigen kleinen Bar in der Zürcher Altstadt, die einer gepflegten Cocktail-Kultur frönt (Locals werden's kennen, sonst E-Mail an mich). Völlig perplex stellte meine Begleitung fest, dass ihr Aperol Spritz geschlagene 25 Hämmer kostete (also einiges mehr als mein Dry Martini). Der Grund: Die Bar hat nun mal ausschliesslich hochwertigen Sprudelwein im Sortiment, und solcher hat seinen Preis.
Und deshalb, verehrte Damen und Herren, ist der Aperol Spritz bereits als Konzept fehlerhaft: Will man, dass er gut schmeckt, muss man einen gehörig guten Prosecco nehmen. Und das bedeutet, dass er im Verkauf zu teuer wird (zumindest hierzulande, wo man Gastro-Angestellten anständige Löhne bezahlt). Bei solchen Preisen geniesst man lieber den Sprudelwein pur. Will man einen erschwinglichen Drink, bekommt man den billigen Sprudel – und jenen süssen, sirupigen Beigeschmack.
Der Drink geht nicht auf. QED.