Was nun? Ist vieles schlecht, weil das Fussball-Nationalteam in diesem Jahr immer noch kein Spiel gewonnen hat? Ist vieles gut, weil der letzte Eindruck zählt und ein 1:1 gegen Spanien mehr als ordentlich ist? Für ein Fazit, das allein auf das Resultat zielt, ist es zu früh. Eine Partie steht noch aus. Am Dienstag, gegen die Ukraine. Gewinnt die Schweiz 1:0, 2:1 oder mit zwei Toren Differenz, verhindert sie den Abstieg aus der höchsten Spielklasse der Nations League.
Dass die Schweizer gegen die Ukraine unter Siegzwang stehen, haben sie sich selbst zuzuschreiben. Ein übermütiger und teils naiver Auftritt in der Ukraine (1:2). Mangelhafte Effizienz gegen Deutschland (1:1). Ein kapitaler Fehler in Spanien (0:1). Fehlende Kaltblütigkeit nach der Zweitoreführung in Deutschland (3:3). Die Unzulänglichkeiten haben Punkte gekostet. Resultatkrise, das trifft es. Denn die Auftritte selbst waren mutig, leidenschaftlich, teilweise auch reif. Nie langweilig, immer selbstbewusst. Das ist eine neue Qualität.
Ausserdem: Gegen wen hat die Schweiz Punkte liegen lassen? Abgesehen von der Ukraine gegen zwei Schwergewichte des Fussballs: Spanien und Deutschland. Bei den Deutschen bilden fünf aktuelle Champions-League-Sieger das Gerüst. Spanien wird hauptsächlich von Spielern aus englischen Topklubs sowie Barcelona und Real Madrid bestückt. Nichts gegen Benfica Lissabon, Wolfsburg oder Bergamo, wo Schweizer kicken. Aber es ist nicht die gleiche Währung.
Selbst wenn die Nationalmannschaft morgen gegen die Ukraine nicht reüssiert: Abgerechnet wird nächsten Frühsommer, an der Europameisterschaft. Im Hinblick auf diese Endrunde ist – egal was morgen passiert – Zuversicht angebracht. Denn diese Equipe ist auf dem Weg, das beste Nationalteam aller Zeiten zu werden. Zugegeben, das glaubten wir schon vor der EM 2016 und zwei Jahre später vor der WM in Russland.
Aber heute ist vieles anders. Hochbegabt waren die Shaqiris, Rodriguez’ und Xhakas zwar schon vor Jahren. Aber jetzt haben sie die Reife und das Standing, um sich voll zu entfalten und die Mitspieler besser zu machen. Jetzt besteht das Gros der Nationalmannschaft aus Spielern, die nicht nur eine, zwei Kernkompetenzen haben. Vorbei die Zeiten, als der Verteidiger nur zerstören, der Stürmer nur Tore schiessen und der Mittelfeldspieler nur Bälle verteilen musste.
Die aktuelle Generation ist so gut ausgebildet, dass jeder fast alles beherrscht. Beispiel Remo Freuler, defensiver Mittelfeldspieler. Er kann nicht nur Passwege zulaufen, pressen, dem Gegner wehtun, Bälle zurückerobern und die Offensive lancieren. Nein, er kann auch Tore schiessen und Tore vorbereiten.
Jetzt herrscht in der Mannschaft eine Atmosphäre, die dem Erfolg nicht mehr im Weg steht. Vorbei die Zeiten der Graben- und Machtkämpfe. Selbst der extrovertierte Individualist Shaqiri gliedert sich ins Gefüge ein. Die flache Hierarchie wird nicht nur proklamiert, sondern gelebt. Warum das für dieses Team wichtig ist? Wie erwähnt, es gibt in dieser Mannschaft nicht DEN Torschützen, DEN Superstar. Es gibt keinen Cristiano Ronaldo, keinen Lionel Messi, keinen Neymar und keinen Sergio Ramos. Jeder kann fast alles ziemlich gut. Das starre Rollendenken von früher wäre höchst kontraproduktiv.
Für die Ambiance ist auch Vladimir Petkovic verantwortlich. Wie die Spieler hat sich der Trainer positiv entwickelt. Er kommuniziert offener, sowohl im Team als auch in der Öffentlichkeit. Vor allem aber hat er die Equipe taktisch weiterentwickelt. Die Schweiz spielt keinen Aussenseiter-Fussball mehr. Sie wartet nicht mehr ab, sondern will das Geschehen bestimmen. Egal, woher der Gegner kommt. Das ist mutig und selbstbewusst. Attribute, die man dem Schweizer sonst nicht zuschreibt, obwohl wir uns das oft wünschten. Allein dafür gebührt Petkovic ein Kompliment.
Ich hoffe, diese Nati kann den Spirit und den Mut aber auch dann in Resultate umwandeln, wenn es wirklich zählt!! Daran scheiterte sie ja in den letzten Jahren am Ende immer wieder...
Hopp Schwiiz!