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Hasan Salihamidzic – der Mann, wegen dem Hansi Flick das Handtuch wirft

Zwist zwischen Hans Dieter Flick Hansi ,Trainer Bayern Muenchen und Hasan SALIHAMIDZIC Sportvorstand Bayern Muenchen. Archivfoto: v.li:Hans Dieter Flick Hansi ,Trainer Bayern Muenchen, Hasan SALIHAMID ...
Haben das Heu nicht auf der gleichen Bühne: Bayern-Trainer Hansi Flick und Sportchef Hasan Salihamidzic.Bild: www.imago-images.de
Analyse

Hasan Salihamidzic – der Mann, wegen dem Bayern-Trainer Flick das Handtuch wirft

19.04.2021, 15:4219.04.2021, 17:35
lukas Grybowski / watson.de
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Und plötzlich ging es doch ganz schnell: Trainer Hansi Flick hat den Bayern München am Wochenende um die Auflösung seines Vertrags gebeten. «Ich habe der Mannschaft gesagt, dass ich den Verein unter der Woche informiert habe, dass ich am Ende der Saison aus meinem Vertrag raus möchte», sagte Flick am Samstag. Ob der 56-jährige Deutsche nun schon bald beim DFB anheuert? Noch ist das unklar, doch denkbar scheint es.

Der Bayern-Coach zieht jedenfalls mit seiner Entscheidung die Reissleine im Streit mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic. Flick, der Erfolgstrainer, der seine Wünsche nicht erfüllt bekommt und nicht mitreden darf – und auf der anderen Seite der Funktionär Salihamidzic, der von den grossen Bossen Karl-Heinz Rummenigge und Oliver Kahn sowie vom Präsidenten geschützt wird.

Wer ist der Mann, wegen dem Flick das Handtuch schmeisst? Wie viel Macht und Einfluss hat Hasan Salihamidzic beim FC Bayern wirklich? Haben die Bayern auch dank ihm die erfolgreichste Saison der Vereinsgeschichte gespielt – oder trotz ihm?

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Hasan Salihamidzic ist seit 2017 Sportchef beim FC Bayern.Bild: keystone

Wenn man an Salihamidzic, den ehemaligen Aussenbahnspieler, denkt, kommt man nicht um eine Szene aus dem Jahr 2006 herum. Die Bayern haben sich mit einem Unentschieden beim 1. FC Kaiserslautern gerade erneut zum deutschen Meister gekrönt. Der damalige Bayern-Manager Uli Hoeness steht für ein Interview bei Sky-Vorgänger Premiere bereit, da kommen Salihamidzic und Mehmet Scholl mit gut gefüllten Weissbiergläsern ins TV-Studio und wollen ihrem Manager unbedingt eine Weissbierdusche verpassen. Nur auf mehrfache Bitten des Bayern-Patrons unterlässt ein Dauer-Grinsender Salihamidzic die Aktion.

Gut elf Jahre später steht der gebürtige Bosnier wieder neben Uli Hoeness. Der ist damals Präsident des FC Bayern und stellt im Sommer 2017 im Medienraum der Münchner Hasan Salihamidzic als neuen Sportdirektor des Vereins vor. Wieder hat der heute 44-Jährige ein breites Grinsen im Gesicht. Er bekommt einen unglaublichen Vertrauensvorschuss von Uli Hoeness und Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge: Schliesslich ist es sein erster Job in diesem Bereich.

Ein holpriger Start

Die ersten Monate seiner Amtszeit laufen für Salihamidzic holprig. Er wirkt bis heute in Interviews teilweise unvorbereitet und liefert ungelenke Antworten, die damals wie heute intern nicht immer wirklich gut ankommen.

Gerade in der Anfangszeit verfestigt sich bei Kritikern ein Bild, das Salihamidzic bis heute nachhängt: das des unerfahrenen Sportdirektors, der zwischen den grossen Bayern-Bossen Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeness steht und im damaligen Streit der Bosse um die Neubesetzung des Cheftrainer-Postens nach dem Karriereende von Jupp Heynckes vermitteln soll. Rummenigge und Salihamidzic haben andere Namen auf dem Zettel als Präsident Hoeness, der am Ende seine Wunschlösung Niko Kovac durchsetzt. Salihamidzic bekommt das Image des stillen Ja-Sagers, der seinem Mentor nicht widerspricht.

Hasan Salihamidzic center, is framed by Bayern CEO Karl-Heinz Rummenigge, left, and Bayern Munich president Uli Hoeness, right, in Munich, Germany, Monday, July 31, 2017. Salihamidzic was announced ne ...
Salihamidzic bei seiner Vorstellung mit Vorstandsboss Rummenigge (l.) und dem damaligen Präsidenten Hoeness.Bild: AP/dpa

Doch mit der Zeit entwickelt der 44-Jährige sein eigenes Profil und klare Vorstellungen, in welche Richtung sich der Verein entwickeln soll. Stets begleitet von den wachsamen Augen seines grossen Förderers Uli Hoeness, der den Sportvorstand intern verteidigt und mittlerweile auch Präsident Herbert Hainer hinter sich weiss. So war «Brazzo» in den vergangenen drei Jahren an Transfers und Entscheidungen beteiligt, ohne die der FC Bayern nicht die aktuell erfolgreichste Phase seiner Klubgeschichte erlebt hätte.

Das Problem bei der Bewertung von Salihamidzics Arbeit ist aber, dass nicht klar ersichtlich ist, für welche Entscheidungen er die Verantwortung trägt. Zudem ist die Bewertung seiner Arbeit stark geprägt von den vergangenen drei Transferperioden, die von den Auswirkungen der Corona-Pandemie beeinflusst waren. Hinzu kommt, dass Flick mit seiner Aussage, dass der Kader in der vergangenen Saison besser war, zusätzlich dafür sorgte, Salihamidzics Arbeit nicht wirklich wertzuschätzen.

Kaderplanung ist Sache des Vorstands

In der nun eskalierten Machtdebatte zwischen Salihamidzic und Flick ging es vor allem um den Einfluss des Trainers auf die Kaderplanung und Vertragsverlängerungen. Flick wünschte sich seit seinem Amtsantritt mehr Mitsprache bei diesen Themen. Und er war nicht der erste Bayern-Trainer mit diesem Anliegen. Erst in der vergangenen Woche kritisierte Ex-Bayern-Coach Niko Kovac, nicht in die Pläne des Sportchefs eingebunden worden zu sein. «Wir wissen alle, wie es in München abläuft. Aber man möchte als Trainer bei der Kaderplanung mitgenommen und eingebunden werden», sagte er der «SportBild».

Doch bei den Bayern gilt schon immer das Modell, dass die Bosse bestimmen, welche Spieler verpflichtet werden. Das mussten die Trainer Niko Kovac, Jupp Heynckes und Carlo Ancelotti feststellen – und nun auch Hansi Flick. «Bayern hat klar gesagt, dass Kaderplanung Chefsache des Sportvorstands ist. Und das macht Brazzo gemeinsam mit Chefscout Marco Neppe», erklärte auch Bayern-Kenner Vjeko Keskic im Gespräch mit watson.de.

Und in dieser Hinsicht hat der Sportvorstand in den vergangenen drei Jahren ziemlich gute Arbeit geleistet und dafür gesorgt, dass es ein klares Konzept bei der Verpflichtung von Spielern gibt: Jung und entwicklungsfähig sollen sie sein.

Unter Salihamidzic mussten Spieler wie Mats Hummels, Mittelfeldmann Arturo Vidal oder Douglas Costa den Verein verlassen. Auf den ersten Blick fragwürdige Entscheidungen, die sich am Ende jedoch als sehr sinnvoll erwiesen. Bei ihnen deutete sich bereits an, dass sie nicht mehr die nötige Konstanz besitzen, um über Jahre auf ganz hohem Niveau zu agieren. Ähnlich verhält es sich jetzt – zum Missfallen Hansi Flicks – bei Jerome Boateng, dessen auslaufender Vertrag nicht verlängert wird.

Bayern's head coach Hans-Dieter Flick watches from the side in front of Jerome Boateng, behind, during the German Bundesliga soccer match between Arminia Bielefeld and Bayern Munich in Bielefeld, ...
Beim Thema Boateng eskalierte der Streit zwischen Flick und Salihamidzic.Bild: keystone

Und wer weiss, wie sich Spieler wie Alphonso Davies, Benjamin Pavard, Lucas Hernandez, Joshua Kimmich, Leon Goretzka oder Serge Gnabry entwickelt hätten, wenn sie weniger Spielzeit erhalten hätten, da sie die Routiniers vor der Nase gehabt hätten. Gerade wenn man sich die Triple-Mannschaft aus dem vergangenen Jahr anschaut, wird deutlich, welchen positiven Einfluss Salihamidzic mit seinen Transfers hatte.

An den Verpflichtungen von Goretzka und Pavard war er beteiligt. Goretzka kam sogar ablösefrei und kann als Top-Transfer verbucht werden. Für Pavard zahlten die Bayern 35 Millionen Euro. Doch auch diese Summe hat sich bisher mehr als bezahlt gemacht. In der vergangenen Saison hatte der Sportdirektor zudem einen grossen Anteil an den Leihen von Ivan Perisic und Philippe Coutinho, die wichtige Rotationsspieler beim Triple-Sieg wurden.

Eine ausgezeichnete Perspektive

Zudem werden Salihamidzic vier Transfers zugeschrieben, die die Zukunft der Bayern nachhaltig beeinflussen könnten. Dass Alphonso Davies für zehn Millionen Euro kam und er innerhalb kürzester Zeit zum Shootingstar wurde, ist der grosse Verdienst von Salihamidzic und Chefscout Macro Neppe. Ebenso wie die Verpflichtung von Jamal Musiala, der in dieser Saison bereits auf 21 Einsätze und vier Tore kommt. Auch wegen der ablösefreien Verpflichtung von Tanguy Nianzou ist man europaweit neidisch auf den FC Bayern. Ex-Trainer Thomas Tuchel und Ralf Rangnick lobten ihn als grösstes Talent auf seiner Position.

Hinzu kommt Lucas Hernandez, auf dem durch die Ablöse von 80 Millionen Euro ein hoher Druck lastet. Doch aufgrund zahlreicher Blessuren konnte er sein Potenzial bisher nur andeuten. Auch bei der Verpflichtung von Leipzigs Dayot Upamecano, der im Sommer für 45 Millionen Euro aus Leipzig nach München kommt, war Salihamidzic die treibende Kraft.

Mit Davies (20), Nianzou (18), Hernandez (25), Upamecano (22), Musiala (18), Kimmich (26), Goretzka (26), Sané (25) und Gnabry (25) hat Salihamidzic in den vergangenen Jahren ein Team zusammengestellt, das so auf Jahre für Furore sorgen kann. Dass die Rollen jedoch weiterhin klar verteilt sind und die Arbeit des Bosniers so stark in der Kritik steht, liegt an den Verpflichtungen in der vergangenen Transferperiode.

Doch gemessen an den Anforderungen, mit denen Douglas Costa, Marc Roca, Bouna Sarr und Eric-Maxim Choupo-Moting geholt wurden, ergeben fast alle Transfers auch bis heute einen Sinn. Durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind sie wohl noch die besten Lösungen gewesen.

Choupo-Moting kam ablösefrei, seine Rolle als Back-Up von Robert Lewandowski war klar und mit aktuell etwas mehr Spielpraxis zeigt er, dass er ein solider Ersatz des Polen sein kann. Auch Marc Roca deutet bei seinen wenigen Kurzeinsätzen immer wieder sein Talent am Ball an, bekommt von Flick jedoch nur wenig Einsatzzeit geschenkt. Denn sein Verhalten gegen den Ball ist nicht immer optimal. Aber es ist eben kein Makel, der mit etwas Praxis nicht ausgebessert werden könnte.

epa09141689 Eric Maxim Choupo-Moting (top) of FC Bayern Muenchen is challenged by Maxence Lacroix of VfL Wolfsburg during the German Bundesliga soccer match between VfL Wolfsburg and FC Bayern Munich  ...
Choupo-Moting macht seine Sache als Lewandowski-Ersatz gar nicht schlecht.Bild: keystone

Bouna Sarr und Douglas Costa können durchaus als Flops bezeichnet werden, bekamen von Flick aber auch kaum echte Einsatzchancen. Ein Transfer von Sarr wäre auch verzichtbar gewesen, wenn man dafür auf Eigengewächs Chris Richards gesetzt hätte, den man stattdessen nach Hoffenheim auslieh.

Es wäre aber zu einfach, die Transferplanung nur daran festzumachen, ob Salihamidzic schlechte Spieler verpflichtet hat oder Flick ihnen einfach keine Einsatzchancen gibt, um sich zu beweisen. Die Integration von Neuzugängen braucht Zeit und auch die Spieler müssen sich an eine neue Umgebung und ein neues Umfeld gewöhnen. Letztendlich hat es wohl einfach nicht richtig gepasst.

Ein Abgang wäre verschmerzbar

Salihamidzics Einfluss im Verein ist in den vergangenen drei Jahren stetig gestiegen. Flick wird genau gewusst haben, dass ein Grossteil der Bayern-Bosse im Machtkampf wohl auf «Brazzos» Seite stehen.

Bei zeitweise neun verletzten Spielern ist es zudem schwierig, noch so gut in der Breite aufgestellt zu sein. Gerade in Zeiten der Pandemie, in der der deutsche Rekordmeister mit enormen Einnahmeverlusten zu kämpfen hat, kann man sich keine zweite Elf an Top-Spielern leisten. Dass er sich zudem nicht in seine Arbeit hereinreden lässt, ist verständlich, wirkt aber auch kühl und kompromisslos.

epa09141884 (FILE)Bayern Munich's head coach Hansi Flick reacts during the German Bundesliga soccer match between FC Bayern Munich and SV Werder Bremen in Munich, Germany, 21 November 2020 (reiss ...
Flick hat genug.Bild: keystone

Klar, Flick war im Moment der wahrscheinlich beste Trainer, den der FC Bayern sich wünschen kann. Doch seinen Abgang wird der Klub besser verschmerzen, als wenn nun Sportvorstand Salihamidzic sein Amt niedergelegt hätte. Zwar ist die Methode, den Trainer nicht mitentscheiden zu lassen, ziemlich veraltet. Doch die Bayern können sich einen neuen Coach eher leisten, als einen neuen Sportvorstand installieren zu müssen.

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Bayern und? Diese Klubs wurden schon deutscher Meister
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Bayern und? Diese Klubs wurden schon deutscher Meister
Bayern München ist deutscher Rekordmeister: 2023 ging die Meisterschale bereits zum 33. Mal an den Liga-Krösus, zum elften Mal in Serie holten die Bayern den Titel.
quelle: keystone / anna szilagyi
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20 Kommentare
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Mätse
19.04.2021 16:23registriert September 2015
Interessante und ausführliche Analyse
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demian
19.04.2021 17:53registriert November 2016
Hummels und Vidal wollten von sich aus weg. Gnabry ist vor seinem Amtsantritt verpflichtet worden.

Brazzos Anteil an den 6 Titeln ist gering. Das Gerüst der Mannschaft war bereits vor ihm verpflichtet worden. Ausserdem sieht man den extremen Einfluss von Flick wir das Team vor ihm gespielt hat.
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Thomas_54
19.04.2021 18:43registriert November 2015
Kimmich kam 2015 zu den Bayern und hat 2016 im EM Finale für Deutschland bereits durchgespielt. Brazzo kam erst ein Jahr später zu den Bayern. Hier kann man Brazzo höchstens zu Gute halten, dass er ihn in seither nicht verkauft hat... :D
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