Ein Spiel von Borussia Dortmund ist derzeit eine wahre Freude – mal abgesehen von den Gegnern, die wohl etwas weniger Spass haben an den Duellen gegen den BVB.
Doch nicht nur dem (neutralen) Zuschauer macht es derzeit Freude, den Schwarz-Gelben zuzuschauen. Auch die Spieler selbst haben offensichtlich Gefallen daran gefunden, das Runde so lange zu passen, bis es den Weg ins Eckige gefunden hat. Dortmund spielt mit einer unglaublichen Unbeschwertheit – sinnbildlich dafür war das 3:2 gegen Leverkusen in der 85. Spielminute. Dortmund liess sich nicht zur Brechstange verleiten, sondern fand spielerische Mittel, um den Siegtreffer nach einer langen und herrlichen Passstafette doch noch zu erzielen.
Dortmund hat weniger individuelle Qualität in der Mannschaft als die Bayern. Dafür ist der BVB in der Breite deutlich besser aufgestellt als die Münchner – das könnte sich im Verlaufe einer langen Saison noch ausbezahlen.
Während bei Dortmund ein gesunder Konkurrenzkampf herrscht und Coach Lucien Favre diverse Optionen hat betreffend Formation und Aufstellung, sind die Bayern mit ihrem zu schmalen Kader sehr eingeschränkt. Durch die Verletzungen von Kingsley Coman, Corentin Tolisso und Rafinha wird es sogar richtig eng. Zuletzt fehlte auch Neuzugang Leon Goretzka mit Problemen im Sprunggelenk.
Die Bayern haben kaum eine Position doppelt besetzt. So sind nur sechs nominelle Verteidiger im Kader der Bayern. Auch im zentralen Mittelfeld spielt plötzlich Renato Sanches wieder. Der in München ausrangierte Portugiese bekommt unter Niko Kovac wieder eine Chance – er spielt aber auch, weil die Alternativen fehlen.
Die Bayern, werden gerade durch die Doppelbelastung mit der Champions League eine strenge Saison vor sich haben. Da dürfte auch mal die Frische für die Bundesliga fehlen.
Dortmund ist jung und wild – oftmals resultieren daraus etwas unkontrollierte Kamikaze-Auftritte. Doch die vielen jungen Spieler wie Christian Pulisic (20), Jacob Bruun Larsen (20), Jadon Sancho (18) oder Achraf Hakimi (19) werden von Partie zu Partie erfahrener und dadurch auch besser. Sie werden zwar Fehler begehen, die auch mal Punkte kosten werden, doch sie werden daraus lernen und je länger je konstanter.
Auch die Innenverteidigung um Manuel Akanji (23) und Abdou Diallo (22) ist noch jung und wird von Partie zu Partie sicherer. Dortmund hat noch immenses Potential, die Leistungsgrenze ist noch längst nicht erreicht.
Nach sechs Bundesliga-Spieltagen hat Dortmund bereits zwölf verschiedene Torschützen vorzuweisen. Während Captain Reus (vier Tore), Alcacer (drei) und Larsen (zwei) schon mehrfach trafen, haben Sancho, Hakimi, Pulisic, Weigl, Wolf, Dahoud, Diallo, Witsel und Akanji bereits je ein Tor auf dem Konto.
Das Wissen, dass jeder Teamkollege treffen kann, nimmt den Druck von den einzelnen Spielern. Zudem macht es die Mannschaft für die Gegner unberechenbar, wenn jeder treffen kann – der Höhenflug von Dortmund ist nicht von der Form einzelner Spieler abhängig, sondern ist ein Produkt einer starken Mannschaft.
Während die Bayern nach dem 0:2 zur Pause in Berlin nicht mehr zu einer Reaktion fähig waren, schaffte dies der BVB auf überzeugende Art und Weise. Gleich vier Tore schenken die Dortmunder Bayer Leverkusen ein. In der Bundesliga-Geschichte gelang es dem BVB bisher noch nie, auswärts einen 0:2-Pausenrückstand noch zu drehen – bis zu diesem Wochenende.
Solche Siege – schon gegen Leipzig drehte der BVB die Partie – zeugen natürlich von einer intakten Moral und geben Mut für weitere Aufgaben. Wenn eine Mannschaft spürt, dass sie komplizierte Spiele drehen kann, wird aus einer guten eine Top-Mannschaft.
Borussia Dortmund hat sich im Sommer hervorragend verstärkt. Besonders herauszuheben gilt es diesbezüglich Axel Witsel und Paco Alcacer. Während Witsel dem Mittelfeld Stabilität verleiht, pressing-resistent ist und auf hohe Passquoten kommt, hat Paco Alcacer bewiesen, was für ein grossartiger Goalgetter er ist. Der Spanier hat in 50 Spielminuten bisher drei Tore erzielt. Also alle 17 Minuten ein Tor – und das bei einem neuen Verein, in einer neuen Liga und trotz Ausfällen wegen muskulären Problemen.
Natürlich wird Paco seine Torkadenz nicht annähernd halten können. Trotzdem hat der 25-Jährige bereits deutlich gezeigt, dass er mehr als nur eine Notlösung für den BVB-Sturm ist.
Witsel only misplaced 1 pass all game pic.twitter.com/Ho6TxmndYj
— Billy (@TheWeiglRole) 29. September 2018
Lucien Favre wurde nach einigen mässigen Spielen in Dortmund bereits hart kritisiert – obwohl die Resultate mehrheitlich stimmten. Mittlerweile scheint die Mannschaft die Spielideen des Romands immer besser umsetzen zu können. Dortmund gewinnt die Spiele nicht bloss, sie zelebrieren den Fussball regelrecht und begeistern mit sauberem und schnellem Aufbauspiel und zielstrebigen Angriffen.
Lucien Favre scheint nun definitiv in Dortmund angekommen zu sein.
— Billy (@TheWeiglRole) 29. September 2018