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Triathletin Daniela Ryf spricht über ihren Alltag als Spitzensportlerin

Die Triathletin Daniela Ryf waehrend einem Training in einer Schwimmhalle, im Anschluss an einen Medientreff, am Dienstag, 26. November 2019 in Zuchwil. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Um in der Nähe von Familie und Freunden zu sein, brach Daniela Ryf ihr Trainingslager auf Gran Canaria ab.Bild: KEYSTONE

«Ich denke vor allem an Menschen, deren Leben völlig auf den Kopf gestellt wird»

Wie die Coronakrise den Alltag der Solothurner Triathletin Daniela Ryf (32) verändert hat, wie sich ihre Beziehung zum Sport verändert hat, wie sie anderen hilft und wie sie nun auf den Ironman Hawaii vorbereitet.
06.04.2020, 09:14
simon häring / schweiz am wochenende
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Daniela Ryf, abgedroschen, aber in diese Zeiten die wichtigste Frage: Wie geht es Ihnen eigentlich?
Daniela Ryf: Es ist für uns alle eine spezielle Situation, die auch mich sehr beschäftigt. Das Thema ist sehr komplex. Da ist einerseits die Gesundheit, die über allem steht. Aber ich mache mir auch Sorgen um die Wirtschaft. Jeder ist von dieser Krise betroffen: Menschen, die im Gastgewerbe arbeiten, oder das Personal in den Spitälern, aber auch viele in meinem persönlichen Umfeld, die selbständig sind: Masseure zum Beispiel, oder Fitnesstrainer. Für Kleinunternehmer ist es eine sehr schwierige Situation. Ich mache mir aber auch Gedanken, ob es zu mehr häuslicher Gewalt kommt. Ich denke vor allem an Menschen, deren Leben völlig auf den Kopf gestellt wird. Die Situation nimmt mich mit. Und ich habe das Bedürfnis, zu helfen.

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Wie wollen Sie helfen?
Einerseits möchte ich ein Vorbild sein für die Menschen, sie dazu motivieren, positiv zu bleiben. Es ist eine schlimme Situation, das kann man nicht schön reden. Ich glaube, Bewegung ist jetzt sehr wichtig. Und der Sport hat mich gelehrt, aus schwierigen Situationen das Beste zu machen. Meine Botschaft ist: Wir sollten versuchen, uns auf das zu konzentrieren, was wir beeinflussen können.

Positive Gedanken helfen, aber Sie tun auch aktiv etwas. Was genau?
Ich habe mich dazu entschieden, für die Aktion «zämefüralli» der Crowdfunding-Plattform «I Care For You» zu spenden. Ich kenne die Initianten und es ist eine schnelle, unkomplizierte Hilfe, die sofort zu den betroffenen Menschen kommt. Zudem werde ich auch einen Betrag an das Frauenhaus Solothurn-Aargau spenden. Auch mache ich mir Gedanken für Triathlon-Events. Das sind zum Teil sehr kleine und familiäre Anlässe, die ebenfalls um ihre Existenzen kämpfen. Vielleicht werde ich da mit unserer Triathlon-Community etwas auf die Beine stellen können. Das bespreche ich zurzeit mit meinem Team.

Die Triathletin Daniela Ryf beantwortet Fragen waehrend einem Medientreff, am Dienstag, 26. November 2019 in Zuchwil. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Spricht über ihren Alltag als Spitzensportlerin: Daniela Ryf.Bild: KEYSTONE

Sie reisten vorzeitig aus ihrem Trainingslager in Gran Canaria ab? Wie haben Sie die Lage erlebt?
Ähnlich wie in der Schweiz wurden immer mehr Einrichtungen geschlossen. Als dann auch noch die Schwimmbäder zugingen und der totale Lockdown kam, hat es für mich nicht mehr viel Sinn ergeben, dort zu bleiben. Ich wollte in dieser Situation lieber nach Hause kommen und in der Nähe von Freunden und meiner Familie sein.

Zur Person: Ironman-Königin Daniela Ryf
Daniela Ryf ist die erfolgreichste Langdistanz-Triathletin der Gegenwart. Zwischen 2015 und 2018 gewann sie viermal in Serie die Ironman-WM auf Hawaii. Zudem ist die 32-Jährige fünfmalige Weltmeisterin im Ironman 70.3. Die Solothurnerin aus Feldbrunnen hat «Food Science and Management» studiert. Im Triathlon blieb Ryf zuletzt in elf Rennen in Serie ungeschlagen, bevor sie im Oktober 2019 beim Ironman auf Hawaii ihre grösste Niederlage erlitt: Platz 13 für die Sportlerin der Jahre 2015 und 2018.

Mit wem stehen Sie im Kontakt?
Ich treffe momentan gar niemanden mehr. Es gibt Tage, da schliesse ich nicht einmal mehr die Türe auf (lacht). Mein Stiefvater ist nicht mehr so jung und geht auf die Achtzig zu. Jeder weitere Kontakt im Haushalt ist ein Risiko, das nicht nötig ist. Für ihn und meine Mutter kaufe ich jetzt jeweils ein. Ich bringe dann immer die Snacks mit, die meine Mutter nicht einkauft und lege sie in den Briefkasten (lacht). Dass man sich nicht sehen kann, heisst zum Glück nicht, dass man keinen Kontakt halten kann. Ich telefoniere jetzt deutlich mehr als normal. Am Wochenende haben wir uns im Freundeskreis zu elft auf Skype verabredet. Die Not macht auch kreativ. Die Situation verbindet uns. Ich habe noch nie so viel mit meinen Nachbarn geredet wie jetzt. Ich habe das Gefühl, dass die Menschen enorm freundlich sind, mehr zueinander schauen und dass man sich mit Respekt begegnet. Das finde ich schön und berührend.​

Wie sehr hat sich Ihr Alltag durch die Beschränkungen verändert?
Mein Tagesablauf ist nicht gross anders. Ich trainiere ganz normal, drei Mal am Tag. Ich nutze die Zeit für einen Aufbau, aber im Wissen darum, dass es noch lange gehen könnte, bis es wieder Wettkämpfe gibt. Im Moment ist es wichtig, dass wir es schaffen, das Virus einzudämmen. Ich trage meinen Teil dazu bei. Gleichzeitig will ich weiter trainieren, weil es mir Spass macht. Und auch, weil ich eine Verantwortung habe, gegenüber meinen Sponsoren und meinen Angestellten. Ich bin ein kleines Unternehmen und es ist mein Job, weiterzumachen und den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Natürlich ist es mein Ziel, Rennen zu gewinnen, mein Einkommen hängt davon ab. Finanziell ist die Situation auch für mich nicht optimal.

Daniela Ryf, of Switzerland, reacts after winning the Ironman World Championship Triathlon, Saturday, Oct. 14, 2017, in Kailua-Kona, Hawaii. (AP Photo/Marco Garcia)
Die Solothurnerin strebt im Herbst ihren fünften Sieg beim Ironman Hawaii an.Bild: AP/FRE132414 AP

Absolvieren Sie Ihre Lauf- und Radtrainings weiter im Freien?
Ab und zu gehe ich früh am Morgen in den Wald, die frische Luft ist gut und wichtig für die mentale Gesundheit. Aber ich möchte kein unnötiges Risiko eingehen. Ich will keinen Unfall bauen, im Spital landen und jemand anderem das Bett wegnehmen. Also trainiere ich im Moment fast nur Zuhause. Das mach mir nichts aus, denn ich bin gerne Zuhause. Ein intensiver Trainingsblock ist einer Quarantäne sowieso sehr ähnlich. Ich trainiere, esse und schlafe und gehe nur einkaufen, wenn es nötig ist. Insofern ist die Situation nicht neu.

Sie haben Zuhause eine Rolle und ein Laufband, aber wie trainieren Sie für die dritte Triathlon-Disziplin, das Schwimmen?
Das Bundesamt für Sport hat uns Sportlern angeboten, entweder in Tenero oder in Magglingen zu trainieren. Das Schwimmen macht inzwischen etwa 40 Prozent meines Trainings aus. Es ist immer noch möglich, dass der Ironman Hawaii im Oktober stattfindet. Ich kann mir also nicht leisten, drei Monate gar nicht zu schwimmen. Ich habe nun eine Gegenstromanlage gekauft und bei mir auf der Terrasse aufgestellt. Das ist eine langfristige Investition, die ich mir schon lange überlegt habe. Ich bin dadurch nicht mehr abhängig von den öffentlichen Schwimmbädern und kann so an meiner Form arbeiten, vielleicht schon für das Jahr 2021.

In einem solchen Swim Spa trainiert Daniela Ryf

Viele Handelsketten sind unterbrochen, die Grenzen geschlossen. Wie schwierig war es, an so eine Gegenstromanlage zu kommen?
Ich habe sehr schnell reagiert. Nach dem missglückten Versuch in der Badewanne und einem eiskalten Splash in einem Plastikpool im Garten, wusste ich, dass ich eine bessere und langfristige Lösung suchen muss. Dass ich die Anlage so schnell organisieren konnte, war ein riesiger Glücksfall. Normalerweise beträgt die Lieferfrist drei Monate. Ich habe einen Betrieb bei mir in der Region angerufen und meine Situation erklärt. Zwar hatte man dort keine Anlage an Lager, aber ich konnte das Ausstellungsmodell kaufen. Das ist zwar nicht das neuste Modell, wurde aber bereits nach einer Woche geliefert. Es ist nicht gleich wie im Pool, aber sehr anstrengend.

In den nächsten Monaten dürften kaum Wettkämpfe stattfinden. Wie gehen Sie mit dieser Ungewissheit um?
Es bringt nichts, sich zu viele Gedanken zu machen. Irgendwann wird es wieder Rennen geben. Wir Triathleten sind es gewohnt, langfristig zu planen. Es ist immer ein monatelanger Prozess, für einen Ironman in Form zu kommen. An diesen Grundlagen kann man weiter arbeiten. Es ist keine verschwendete Zeit. Und es gibt auch positive Seiten. Das Coole am Triathlon ist, dass alle in einer guten Form sein werden, wenn es wieder losgeht. Wir müssen uns nicht wieder einspielen. Und für mich persönlich ist es spannend, dass ich mich mit weniger Druck weiterentwickeln kann. Ich habe Zeit und Luft zum Atmen.​

Wie hat sich ihre Beziehung zum Sport durch die aktuelle Situation verändert? Hat er für Sie an Bedeutung gewonnen oder verloren?
Ich habe kürzlich das Buch Awareness gelesen. Dort geht es um die Frage, was wirklich wichtig ist im Leben. Was nährt deine Seele? Bei mir ist das nicht der Erfolg, sondern die Leidenschaft für den Sport. Darum bleibt mir das jetzt auch erhalten. Weil ich trainieren kann ohne zu müssen. Das ist fast schon befreiend. Natürlich, ich muss, weil es mein Job ist, aber es relativiert den Sport, ich sehe ihn jetzt noch differenzierter. Im Moment geht es darum, Leben zu retten und das Gesundheitssystem zu unterstützen. Aber es wäre falsch, jetzt zu sagen, der Sport sei unwichtig. Der Sport ist auch für die Wirtschaft unglaublich wichtig und schafft viele Arbeitsplätze. Sport bereichert unser Leben. Wenn nicht beim aktiv Sporttreiben, dann als Zuschauer. Der Sport ist für unsere Gesellschaft wichtig, für viele Kinder, die grosse Träume haben. Sie sollen diese weiterverfolgen können. Wir schütten beim Sport Endorphine aus. Sport macht glücklich.​

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2 Kommentare
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Lustiger Baum
06.04.2020 08:54registriert April 2019
Schönes Interview in dem ihr Erfolg schön erklärt wird. Harte Arbeit, Unsumme an Motivation und eine eiserne Disziplin. Das macht ihre Leistung noch beeindruckender!
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