Als der EV Zug im Sommer die Verpflichtung des SCB-Goalies Leonardo Genoni ab der Saison 2019/20 bekannt gab, tauchte schnell die Frage auf, wie sich dieser Transfer auf die Leistungen von Tobias Stephan auswirken wird. Es gab Spekulationen, dass der Torhüter in seiner letzten Spielzeit in Zug seine Motivation verlieren könnte. Schliesslich hätte er seinen auslaufenden Vertrag gerne verlängert.
Nach knapp 30 Meisterschaftsspielen lässt sich nun getrost festhalten: Motivationsprobleme hat Stephan nicht. Der Zürcher gehört nach wie vor zu den Besten seines Fachs, was auch die statischen Werte unterstreichen. Seine Fangquote liegt bei 93,53 Prozent, nur ein Goalie in der National League ist erfolgreicher: Genau, Genoni (94,00 Prozent).
Es stellt sich daher nicht die Frage nach dem Ehrgeiz des Zuger Stammkeepers, sondern eher: Sehen wir derzeit den besten Tobias Stephan aller Zeiten? Der Routinier wiegelt ab. «Ich bin zufrieden mit meiner Saison, ich fühle mich noch genauso fit wie vor zehn Jahren. Aber die statistischen Werte sind abhängig von den Leistungen der Mannschaft. Wenn das Team gute Unterstützung liefert, lässt das den Goalie in einem besseren Licht erscheinen.»
Stephan analysiert ruhig und nüchtern. Ein Lautsprecher war er nie, stattdessen wirkt er stets etwas introvertiert. Diese Ruhe strahlt er auch auf dem Eis aus, mit seiner Körpersprache will er seinen Vorderleuten vermitteln: Ihr könnt euch auf mich verlassen, ich habe alles im Griff. Aber innerlich kann es in ihm während des Spiels brodeln. Er sagt: «Im Alltag habe ich nicht solche Emotionen wie im Eishockey.»
Mitgenommen hat es ihn schon, dass er Zug Ende Saison verlassen muss, auch wenn er nicht darüber reden will. «Für mich ändert sich nichts. Ich bin professionell und ehrgeizig genug, um für die Mannschaft und die Fans eine gute Saison zu spielen», meint er nur.
Dabei wollte er in seiner Karriere eigentlich keine grossen Sprünge mehr machen, doch die Zuger Pläne mit Genoni kamen ihm in die Quere. So steht im Sommer doch nochmals ein grösserer Umzug bevor, Stephan schliesst sich für drei Saisons dem Lausanne HC an. Womöglich wird dort seine Karriere ausklingen. Am 21. Januar wird Stephan 35 Jahre alt, das ist auch für einen Torhüter ein gehobenes Alter. Aber Stephan glaubt, dass er sich nach wie vor verbessern kann. «Die Goalieposition ist komplex, es geht um Hundertstel und Millimeter», sagt er. «Da kann ich in der technischen Detailarbeit immer noch viel herausholen.»
Ein Vorteil ist, dass Trainer Dan Tangnes ihm Ruhepausen verordnet und bei zwei Spielen innert zwei Tagen dem ebenfalls formstarken Backup-Goalie Sandro Aeschlimann, der nächste Saison nach Davos wechseln wird, Einsätze gewährt. Für Stephan war das zunächst neu, er war sich seit vielen Jahren gewohnt, in jeder Partie auf dem Eis zu stehen. Er weiss aber auch, dass eine Saison körperlich und mental viel von einem Goalie abverlangt, das kann müde machen. Letztlich leidet auch das Team darunter.
Eine gelegentliche Pause kann also hilfreich sein, zumal Stephan noch grosse Pläne hat. Natürlich ist da die Sache mit dem fehlenden Pokal. Es gibt Nörgler, die behaupten, dass eine Mannschaft mit Stephan keine Titel gewinnen könne. Aber ist das ein gerechter Vorwurf? Zweimal stand Stephan bisher in einem Playoff-Final, zweimal verlor er ihn – 2010 mit Servette und 2017 mit Zug.
Beide Teams gehörten zum damaligen Zeitpunkt nicht zur absoluten Spitze der Liga. Stephan sagt deshalb: «Man muss es realistisch sehen. Ich mache mir nicht zu viele Gedanken darüber.»
Aber klar bleibt der Titelgewinn sein Hauptziel. Mit Zug steht er im Cupfinal gegen die Rapperswil-Jona Lakers. Ein Sieg könnte dem Team noch einmal richtig Schwung geben für die Endphase der Saison. Tobias Stephan sagt: «Der Meistertitel mit Zug wäre die beste Verabschiedung.» Und er würde seine Kritiker zum Schweigen bringen.