Wenn man ihn so dastehen sieht, dann würde man nicht glauben, dass Mason Raymond bereits über 600 NHL-Schlachten auf dem Tacho hat. Der Körperbau ist schmächtig, das Gesicht mit den strahlenden blauen Augen wirkt jungenhaft. Aber der Kanadier ist nicht 23, sondern schon 32 Jahre alt. Gestandener Eishockey-Profi, verheiratet und Vater zweier Kinder. Und seit diesem Sommer Profi beim SC Bern.
Dass er jetzt in der höchsten Schweizer Liga spielt und nicht mehr in der besten Liga der Welt, hat hauptsächlich damit zu tun, dass es das Schicksal mit der Familie Raymond zuletzt nicht gut gemeint hat. Mason Raymonds Ehefrau Megan erkrankte an Lyme-Borreliose und hat seit 17 Monaten mit schweren Symptomen (Fieber, Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen, Nerven- und Herzprobleme) zu kämpfen.
Das Familienleben wurde auf den Kopf gestellt, die Eishockey-Karriere rückte plötzlich in den Hintergrund. Seinen Vertrag mit den Calgary Flames löste er am Ende der Saison 15/16 auf. Hauptsächlich, weil er mit dem damaligen Trainer Bob Hartley (ex ZSC Lions) nicht mehr klargekommen war.
Ebenso frühzeitig ging sein Engagement bei den Anaheim Ducks vor Jahresfrist – nach nur vier Spielen – zu Ende. Raymonds Gedanken waren nur noch bei seiner Frau und der Familie. «Sie hat jahrelang ihr eigenes Leben aufgegeben, um mir meine NHL-Karriere zu ermöglichen. Deshalb war es die richtige Entscheidung, andere Prioritäten zu setzen», begründete er seinen radikalen Schritt.
Bis auf eine Stippvisite beim Spengler Cup mit dem Team Canada legte Mason Raymond seine Karriere auf Eis und hielt sich bei einem Universitätsteam in seiner Heimat Calgary fit. An den Rücktritt dachte er allerdings nie. Aber daran, sich beruflich neu zu orientieren. Und zwar in Richtung Europa.
Während des letzten Spengler Cups fand er Gefallen an der Schweiz. Dazu hatte er mit Mark Arcobello und Andrew Ebbett zwei Freunde, die schon beim SC Bern engagiert waren. Der Weg war frei für ein neues Kapitel. Auch wenn das Bewusstsein präsent war, dass der Aufbruch in die neue Eishockeywelt nicht frei von Widerständen sein würde. «Natürlich ist es nicht einfach, diesen Schritt zu machen.
Aber auf der anderen Seite haben es schon unzählige Spieler vor mir geschafft. Der Gedanke daran, dass ich und meine Familie ein neues Land und eine neue Kultur kennen lernen dürfen, ist doch schön. Und dass die Qualität des Schweizer Eishockeys gut ist, war mir immer bewusst», umschreibt Mason Raymond seine Gedankengänge. Kommt dazu, dass die mögliche Teilnahme mit dem kanadischen Nationalteam an den Olympischen Spielen für ihn einen weiteren, hohen Motivationsfaktor darstellte.
Trotzdem: Wer eine Saison lang fast keine Ernstkämpfe bestreitet, der muss damit rechnen, dass es Schwierigkeiten geben könnte beim Wiedereinstieg in die Berufswelt. Dieser Tatsache war man sich auch beim SC Bern bewusst. Und somit auch des Risikos, welches man mit der Verpflichtung von Mason Raymond einging.
«Aber für uns war dieses Risiko immer überschaubar», betont SCB-Sportchef Alex Chatelain. «Und zwar deshalb, weil wir die Saison so oder so mit fünf Ausländern beginnen wollten, und wir wussten, dass wir mit dem Finnen Mika Pyörälä eine sichere Alternative verpflichtet haben.»
Deshalb war man in Bern auch weder überrascht noch beunruhigt, als absehbar wurde, dass der Akklimatisierungsprozess von Mason Raymond etwas länger dauern würde als erhofft. Zumal seine Familie erst im September, einen Monat nach Raymonds Ankunft, nach Bern kam.
Das Warten und die Geduld hat sich für beide Partien gelohnt. Mason Raymond, der zu Beginn der Saison in den Meisterschaftsspielen oft überzählig war, gab zuletzt ein paar beeindruckende Kostproben seines Könnens ab.
Unter anderem erzielte er in zwei Spielen in Folge – beim 7:2 in Fribourg und beim 6:3 gegen Lausanne – jeweils einen Hattrick. In 16 NLA-Spielen hat Raymond bereits neunmal ins Schwarze getroffen. Eine starke Quote. Und der Beweis, dass der Pendler zwischen den Welten langsam wieder zu alter Stärke zurückfindet. (aargauerzeitung.ch)