27. April 2018. Die ZSC Lions jubeln in Lugano. Sie haben soeben ein dramatisches 7. Spiel im Playoff-Final mit 2:0 gewonnen und sind Schweizer Meister.
Jetzt, acht Monate später, ist weder den ZSC Lions noch dem Final-Gegner HC Lugano zum Feiern zumute. Die beiden letztjährigen Finalisten sind nach 30 von 50 Qualifikations-Partien unter dem Strich zu finden. Geht kein Ruck durch die Teams, könnte es eines oder gar beide erwischen – die Playouts sind ein realistisches Szenario.
Am Dienstag in Zürich und am Freitag in Lugano kommt es gleich zwei Mal nacheinander zur richtungsweisenden Reprise des letztjährigen Playoff-Finals. Doch wie kam es dazu, dass die beiden Mannschaften mit überdurchschnittlich guten Kadern nach über der Hälfte der Saison unter dem Strich zu finden sind? Wir haben je drei Gründe gefunden.
12 Spiele, 3 Tore, 7 Assists. Die Quote von Linus Klasen in dieser Saison ist eigentlich gar nicht so schlecht. Wenn er denn mal spielen darf. Denn Lugano-Coach Greg Ireland hat den Schweden so richtig auf dem Kieker. Nachdem Klasen ein schwaches Frühjahr spielte, folgten drei miserable Einsätze in den Playoffs, in denen der 32-jährige Flügelspieler keinen Punkte holte.
Irgendwie hat Lugano-Sportchef Roland Habisreutiger im Sommer wohl gedacht, er könne die Wogen zwischen dem kanadischen Trainer und dem schwedischen Superstar glätten. Doch dem ist nicht so, die Differenzen zu Trainer Ireland sind anscheinend so gross, dass Klasen nur noch im Notfall zu Spielzeit kommt.
Dass er ein begnadeter Eishockey-Spieler ist, bewies Klasen zuletzt am Spengler Cup beim HC Davos. Ein Wechsel wäre nichts als logisch, zumal HCD-Präsident Gaudenz Domenig bestätigte: «Ja, wir hätten Linus Klasen gerne für den Rest der Saison von Lugano übernommen.»
Klasen hat in Lugano jedoch noch einen Vertrag bis 2020 und muss im Tessin bleiben. Wohl auch, weil Habisreutiger hofft, dass es Klasen und Ireland doch noch schaffen, einen gemeinsamen Konsens zu finden. Doch vorerst schmort Luganos talentiertester Spieler auf der Tribüne – und der HC Lugano unter dem Strich.
Achtet man nur auf das Torverhältnis, könnte man meinen, beim HC Lugano läuft alles mehr oder weniger nach Plan. Ein dickes +10 steht bei den Tessinern in der Tordifferenz zu Buche. Und trotzdem haben die Luganesi nur 14 Siege auf dem Konto, denen 16 Niederlagen gegenüber stehen.
Das Problem des HCL: Wird es knapp, jubelt in der Regel der Gegner. Gleich neun Partien verlor Lugano mit bloss einem Tor Unterschied, selbst gewann man nur drei Partien mit einem Treffer Vorsprung.
Spielt sich Lugano in einen Rausch (6:2 vs. Ambri, 6:0 vs. Rapperswil, 6:1 vs. Davos, 6:0 vs. Fribourg) kann es weiterhin jedem Gegner richtig weh tun. Doch derzeit fehlt Lugano die Qualität, auch dann zu gewinnen, wenn es nicht wie von alleine läuft. Dann, wenn es hart auf hart kommt – genau diese Qualität, welche Lugano im letzten Jahr in den Playoffs so auszeichnete.
Noch in den Playoffs in der vergangenen Saison zeigten sich die Luganesi in fremden Stadien äusserst stark und holten in neun Partien fünf Siege. Seit Beginn der neuen Saison schlottern den Luganesi scheinbar aber schon beim Starten des Car-Motors die Knie. Die «Bianconeri» haben in 15 Auswärtspartien gerade mal drei Siege geholt. In der Auswärts-Tabelle ist bloss das nicht konkurrenzfähige Rapperswil noch schwächer.
Immerhin ist die Auswärtstendenz beim HCL steigend – vor der Niederlage gegen Genf am Samstag (3:6) holte Lugano in Davos (4:3) und Langnau (3:0) zwei Auswärtssiege in Serie.
Dass Lugano trotz der schlechten Auswärtsbilanz noch nicht abgeschlagen ist, hat es seiner Heimstärke zu verdanken. Im Schnitt holten die Tessiner in der Cornèr Arena gute 2,13 Punkte pro Partie.
Wer keine Tore schiesst, der hat es schwer, sich oben zu installieren. Weniger als die 72 Tore der ZSC Lions schossen bloss die abgeschlagenen Davos und Rapperswil. Die Zürcher haben 10 Treffer weniger erzielt als die in dieser Statistik vor ihnen liegenden SCL Tigers und Fribourg-Gottéron.
Derzeit fehlt den Lions vor allem ein verlässlicher Punktesammler. Sinnbildlich, dass der beste ZSC-Skorer Maxim Noreau ein Verteidiger ist. In der Liga-Wertung liegt er mit 17 Punkten aus 29 Spielen auf Platz 38.
Beim letzten Nati-Zusammenzug anlässlich des Luzern-Cups im Dezember waren mit Patrick Geering, Christian Marti, Chris Baltisberger, Denis Hollenstein und Reto Schäppi fünf ZSC-Spieler dabei. Kein anderer Klub stellt so viele Nationalspieler wie die ZSC Lions.
Insgesamt hat der ZSC sogar 17 Schweizer Nationalspieler im Kader, 11 davon wurden im letzten Jahr für die Nationalmannschaft aufgeboten.
Und obwohl mit Roman Wick, Pius Suter, Reto Schäppi, Marco Miranda, Denis Hollenstein, Fabrice Herzog, Simon Bodenmann, Chris Baltisberger und Jérôme Bachofner viele Offensivkräfte darunter sind, stockt die Schweizer Torproduktion bei den Zürchern. Nur 41 Treffer wurden bisher von Spielern mit Schweizer Lizenz erzielt. In dieser Statistik ist bloss Rapperswil schwächer.
Dass Schweizer-Tore noch keine Garantie für Erfolg sind, zeigt jedoch der HC Lugano, bei dem die Schweizer schon 75 Tore erzielten – bisheriger Liga-Bestwert.
Die ZSC Lions erwartet auf die nächste Saison der grosse Umbruch. Mit Roger Karrer, Jérôme Bachofner, Marco Miranda und Niklas Schlegel verlassen gleich vier junge Eigengewächse auf die Saison 2019/2020 die Zürcher. Und auch Fabrice Herzog, der seit drei Jahren beim «Zett» spielt, zieht weiter.
Es ist kein gutes Zeichen, wenn gleich scharenweise im eigenen Nachwuchs ausgebildete Spieler den Klubs verlassen – und dies bereits im Herbst fix ist. Und auch wenn die Spieler für ihre letzte Saison in Zürich nochmals alles geben, im Hinterkopf wird dennoch herumschwirren: Nächstes Jahr bin ich sowieso weg.
Letztes Jahr Meister, nächstes Jahr weg – die Mischung aus Erfolgssättigung und der geregelten Zukunft macht es für die Lions nicht einfacher. Ein erster Schritt für eine geregelte nahe Zukunft wäre ein Sieg gegen den HC Lugano. Oder noch besser: zwei Siege.