Patrick Fischer hat eine strenge Woche hinter sich. Auszeichnung am Humor-Festival in Arosa. Ehrung zum Trainer des Jahres an den Sports-Awards in Zürich. Dann der Einsatz am Lucerne-Cup. Fischer hier, Fischer da, Fischer überall. Der Trainer der Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft reitet derzeit auf einer Welle der Sympathie. Der 43-Jährige ist seit dem Gewinn der WM-Silbermedaille in Kopenhagen hierzulande schon fast zu einem kleinen Pop-Star avanciert.
Noch vor neun Monaten sah die Welt des Patrick Fischer aber ganz anders aus. Zurück von einer völlig missglückten Olympia-Mission in Südkorea, sah er sich massiver Kritik ausgesetzt. Seine Arbeit als Nationaltrainer wurde infrage gestellt. Statt der erträumten Olympia-Medaille gabs am Ende nur Hohn und Spott. Die Kritiker hatten Hochkonjunktur.
Kevin Schläpfer hat ebenfalls eine strenge Woche hinter sich. Er verbrachte ein paar Tage in New York und schaute sich dort eine ganze Reihe von NHL- Spielen an. Dreimal sah er die Winnipeg Jets, wo mit Nikolaj Ehrlers einer seiner ehemaligen Bieler Spieler in der Mannschaft steht. Er ermöglichte dem Sohn des aktuellen Langnau-Coachs Heinz Ehlers als 17-jähriger Jüngling die ersten Gehversuche im Erwachsenen-Eishockey. Alte Kontakte auffrischen, sich inspirieren lassen. Der seit seiner Entlassung in Kloten im Frühling arbeitslose Baselbieter versucht, die freie Zeit sinnvoll zu nützen.
Noch vor drei Jahren sah die Welt des Kevin Schläpfer aber ganz anders aus. Er hatte den EHC Biel in die Playoffs gecoacht, ritt mit dem damaligen Underdog auf einer Welle des Erfolgs und der Sympathie. Und dann kam im Herbst 2015 das Angebot, den Posten des Schweizer Nationaltrainers zu übernehmen. Schläpfer fühlte sich geehrt, hatte plötzlich die Möglichkeit, seinen absoluten Traumjob zu bekommen. Doch der EHC Biel legte sein Veto ein. Schläpfer musste bleiben.
In jenem Oktober 2015 kreuzen sich die Biografien von Patrick Fischer und von Kevin Schläpfer. Am 15. Oktober 2015 kam es zum tränenreichen Verzicht des Biel-Trainers. Nur eine Woche später wurde Fischer als Headcoach des HC Lugano entlassen – und etwas mehr als einen Monat später als Nationaltrainer installiert. Die Laufbahnen der beiden Protagonisten erzählen viel darüber, wie unberechenbar die Welt des Spitzensports ist. Wie man vom Buhmann zum Helden oder vom begehrten Mitarbeiter aufs Abstellgleis manövriert werden kann.
Kevin Schläpfer ist eben von seinem New-York-Trip zurückgekommen. Er hat die Ehrung von Patrick Fischer zum Trainer des Jahres nicht live mitbekommen. Doch er mag seinem Kollegen die Auszeichnung von Herzen gönnen. Generell hegt er keinen Groll bezüglich der Ereignisse im Herbst 2015, welche die Trainerkarrieren der beiden nachhaltig beeinflusst haben. Schläpfer sagt: «Daran denke ich nicht mehr. In dieser Sache bin ich mit mir im Reinen. Ich folgte damals der Stimme meines Gewissens. Ich konnte in Biel nicht davonlaufen. Wichtig ist für mich, dass ich mit allen damals Beteiligten ein gutes Verhältnis habe.»
Im Nachhinein ärgert er sich viel mehr darüber, dass er im Sommer 2016, als er gravierende Probleme mit seinem Knie hatte und monatelang nur an Stöcken unterwegs war, keine Auszeit genommen hatte. Zumal die Saison zuvor nach dem Nationaltrainer-Drama schon schlecht verlaufen war. «Ich konnte damals nicht so sein, wie ich sein muss. Das habe ich aber zu spät erkannt.» Was folgte, war die Entlassung in Biel im November 2016. Es war der Beginn einer Negativspirale, welche sich mit dem Engagement in Kloten im Oktober 2017 fortsetzte. Die «Mission impossible» beim späteren NL-Absteiger endete im April des laufenden Jahres mit der nächsten Freistellung. Seither ist Kevin Schläpfer arbeitslos.
Patrick Fischer ging zusammen mit seinem Staff und seinen Vorgesetzten nach dem Olympia-Debakel auf intensive Ursachenforschung. Es wurde quasi jeder Stein umgedreht, die gemachten Fehler wurden erkannt und analysiert. «Wichtig war aber vor allem, dass wir die Ruhe bewahrt haben», sagt Fischer. Gerade im Misserfolg sei es entscheidend, ein gutes Umfeld zu haben. «Und dann kommt es immer noch darauf an, wie man persönlich reagiert. Ist der Baum schuld, wenn man in ihn hineinläuft? Oder sucht man den Fehler bei sich?» Mit diesen Worten umschreibt der Schweizer Nationaltrainer den Denkprozess.
Kevin Schläpfer macht diesen Prozess ebenfalls durch, hat seinen Mut und die Zuversicht nicht verloren. Das Warten auf eine neue Chance braucht viel Geduld. Zumal seine Aktien in der Szene nach dem missglückten Ende in Biel und dem verpatzten Intermezzo in Kloten arg gesunken sind. Ändern will er sich deswegen nicht. Er sagt: «Ich bin ein Mensch, der mit dem Herz entscheidet und nicht mit dem Verstand. Wenn du dem Herzen folgst, zieht das manchmal Misserfolg nach sich. Aber meine Seele, mein Herz bleiben rein. Wenn du mit dem Kopf entscheidest, dann hast du eher Erfolg, aber das Herz und die Seele leiden. Für meine Lebensqualität ist es besser, dem Herzen zu folgen.»