Roman Josi spielt die mit Abstand beste Saison seiner Karriere. Der Schweizer Captain der Nashville Predators hat in 52 Spielen bereits 51 Punkte erzielt. Zieht er diese Pace durch, landet er Ende Saison bei 80 Skorerpunkten. Es wäre erst das zweite Mal in der Geschichte der Nashville Predators, dass ein Spieler diese Marke knackt.
Trotz dieser aussergewöhnlichen Leistung wird er wohl im Rennen um die «Norris Trophy» (verliehen an den besten Allround-Verteidiger) nur Zweiter werden.
Das liegt daran, dass defensive Qualitäten deutlich schwieriger zu messen und festzuhalten sind als offensive Qualitäten. Deshalb ging diese Trophäe in den letzten Jahren oft an den Verteidiger mit den meisten Skorerpunkten. Das wäre dieses Jahr der Amerikaner John Carlson von den Washington Capitals. Er hat nach 54 Spielen bereits 65 Zähler auf dem Konto.
Doch es gibt durchaus auch Argumente, die für Josi als Norris-Trophy-Gewinner sprechen. Predators-Journalist Adam Vingan hat sie in seinem jüngsten Artikel für «The Athletic» zusammengetragen.
Kein anderer Verteidiger in der NHL sei in der Offensive so viel am Puck wie Roman Josi, führt Vingan aus. Der Berner hat in jedem Spiel in der Offensivzone die Scheibe 29 Sekunden am Stock. Und keiner kommt zu mehr Torchancen (1,2 pro Spiel). Da hat Carlson (11 Sekunden Puckbesitz und 0,77 Torchancen pro Spiel) das Nachsehen.
Auch hier: Kein anderer NHL-Verteidiger ist für das Aufbauspiel seiner Mannschaft so wichtig wie Roman Josi. Der 29-Jährige führt die Liga mit 6,2 «Zone Exits» (also Verlassen der eigenen Zone im Scheibenbesitz) und 3,8 «Zone Entries» (Betreten der gegnerischen Zone im Scheibenbesitz) pro Spiel an. Da kommt niemand an den Schweizer ran – auch Carlson mit 1,3 «Zone Exits» und 0,6 «Zone Entries» pro Spiel nicht.
Jetzt wird es etwas theoretischer. Josis Einfluss ist auch nach Goals-For-Percentage und Expected Goals grösser als der von Carlson. Wenn Josi bei Nashville auf dem Eis steht, erzielt sein Team über 65 Prozent der gefallenen Tore. Bei Carlson sind es gute 58 Prozent. Schaut man auf die Expected Goals, wird ebenfalls ein Unterschied sichtbar. Demnach sollte Nashville mit Josi auf dem Eis 2,64 Tore pro Spiel schiessen und 2,28 Gegentreffer kassieren. Bei Carlson sind es 2,57 Tore für und 2,65 Tore gegen Washington.
Bereits in der Einleitung angetönt: Der Verteidiger der Capitals hat bislang zwar gleich viele Tore auf dem Konto wie Josi (14), aber deutlich mehr Assists (51 gegenüber 37). Ebenfalls beeindruckend ist, dass 47 dieser 65 Punkte sogenannte «Primary Points» sind, also Tore oder erste Assists. Josi steht bei 34 «Primary Points», bei 51 Skorerpunkten.
Wie aus dem Artikel von Adam Vingan herauszulesen ist, hat Carlson auch einen Vorteil, wenn es darum geht, die eigene Zone zu verteidigen. Er verhindert in 53,5 Prozent der Fälle, dass der Gegner die eigene Zone im Scheibenbesitz betreten kann. Bei Josi sind es nur 44,2 Prozent. Zudem fängt Carlson mehr Pässe ab (4,9 pro Spiel) als Josi (4,2 pro Spiel).
Roman Josi ist wichtiger für die Nashville Predators, als es John Carlson für die Washington Capitals ist. Ohne Josi hätten sich die «Preds» wohl längst aus dem Playoff-Rennen verabschieden müssen. Der Captain trägt das Team auf seinem Rücken.
Das muss Carlson in Washington nicht. Denn er hat eine viel talentiertere Stürmergruppe um sich herum. Er muss die Angriffe nicht selbst einleiten, er muss in der offensiven Zone den Puck nicht ständig selbst spielen. Bei Carlson reicht es – vereinfacht ausgedrückt – wenn er den Puck einfach mal zu Alex Owetschkin spielt und schaut, was dabei herauskommt.
Allerdings geht es bei der «Norris Trophy» nicht darum, wie wichtig ein Spieler für seine Mannschaft ist. Das wäre die «Hart Memorial Trophy» (auch bekannt als MVP-Award), doch dafür kommt Josi nicht ernsthaft in Frage. Sofern also nichts Unvorhersehbares mehr passiert, wird die Auszeichnung zum besten Verteidiger der NHL Ende Saison an John Carlson gehen. Und Roman Josi wird sich mit dem zweiten Platz begnügen müssen. (abu)
Die defensive Aspekte sollte mMn viel mehr gewertet werden: wie zum Beispiel geblockte Schüsse, Puckeroberungen, Checks usw.
Carlson, Burns, Karlsson, Subban und wie sie alle heissen sind für mich eher Defensive Stürmer als was anderes. Während zum Beispiel Josi, Jones, Hedman oder auch Ekblad defensiv wie auch Offensiv einen grossen Einfluss haben und somit dem Team mehr helfen. Aber heutzutage wird immer der Spektakel-Spieler schlechthin ausgezeichnet...