Sport
Eishockey

Skandaltransfer? Nein, die Stunde der Heuchler 

Simon Bodenmann wird 2015 für den SCB auf Torejagd gehen.
Simon Bodenmann wird 2015 für den SCB auf Torejagd gehen.Bild: Valeriano Di Domenico/freshfocus
Wechsel von Bodenmann zum SCB

Skandaltransfer? Nein, die Stunde der Heuchler 

Nationalstürmer Simon Bodenmann spielt diese Saison bei den Kloten Flyers, hat aber für nächste Saison bereits in Bern unterschrieben. Wahnsinn. Oder doch nicht? 
28.08.2014, 19:1729.08.2014, 09:47
Folge mir
Mehr «Sport»

Vertragsunterschriften vor der Zeit hat es schon oft gegeben. Ryan Gardner unterzeichnete einst im Herbst beim SC Bern einen Mehrjahresvertrag, spielte aber noch die ganze Saison bei den ZSC Lions. Tobias Stephan signierte seinen Vertrag in Zug und musste noch länger als eine ganze Saison in Genf spielen.

Tobias Stephan hält neu für den EVZ Pucks.
Tobias Stephan hält neu für den EVZ Pucks.Bild: Daniela Frutiger/freshfocus

Allerdings wurde dieser Transfer so offiziell erst bestätigt, als er seine Mission in Genf erfüllt hatte. Der «Fall Bodenmann» ist einmalig, weil ein Transfer, der die Saison 2015/16 betrifft bereits vor der Saison 2014/15 hochoffiziell verkündet und bestätigt wird. 

Warum der Wechsel in Ordnung geht

Die spontane Reaktion auf solches Transfergebaren: Skandal! Muss bestraft werden! Solche Transfers gehören verboten! Geht nicht!

Aber so ist es eben nicht. Erstens ist alles legal. In einem freien Land dürfen freie Bürger jederzeit Verträge abschliessen die den Buchstaben des Gesetzes entsprechen. Simon Bodenmanns Vertrag läuft Ende Saison (im Frühjahr 2015) aus. Er darf jetzt schon einen Arbeitsvertrag ab Frühjahr 2015 unterschreiben.

Simon Bodenmann jubelt noch eine Saison im Kloten-Trikot
Simon Bodenmann jubelt noch eine Saison im Kloten-TrikotBild: KEYSTONE

Bestrafen oder gar verbieten lassen sich solche Transfers nicht. Es ist ganz einfach nicht möglich, herauszufinden, ob jemand vor einem bestimmten Datum Verhandlungen führt oder Verträge unterschreibt. In den 1980er Jahren durfte offiziell nur im Mai (in der Transferperiode) verhandelt und transferiert werden. Wer sich an diese Vorschrift hielt, war chancenlos. Alle grossen Transfers sind schon damals lange vor der Zeit verhandelt und unterschrieben worden. 

Eher ist es so, dass dem SC Bern und Simon Bodenmann ein Lob gebührt. Der Spieler und der Klub verzichten auf ein Versteckspiel und ein lächerliches Dementi-Theater (wie es Zug um den Transfer von Tobias Stephan inszenierte). Der Spieler und der Klub stehen hin und geben zu, was ohnehin in der Szene bald jeder gewusst hätte.

Das ist nicht unanständig. Ganz im Gegenteil. Das ist anständig, mutig und letztlich auch fair. Ja, es wäre schön, wenn auch die Politik im richtigen Leben so transparent wäre. Mit dem Schritt zur Transfer-Offenheit setzt sich Simon Bodenmann auch einem gehörigen Druck aus. Er wird daran nicht zerbrechen. 

Nur die Aufgabe eines Sportchefs erfüllt

Sven Leuenberger (l.) will auch in der Champions League Erfolge seines Teams sehen.
Sven Leuenberger (l.) will auch in der Champions League Erfolge seines Teams sehen.Bild: KEYSTONE

Wer mit dem Finger auf Simon Bodenmann und SCB-Sportchef Sven Leuenberger zeigt, ist ein elendiglicher Heuchler. Jeder Sportchef in dieser Liga hätte diesen Transfer auch gemacht – wenn er denn dazu in der Lage gewesen wäre. Ich erlaube mir im Zusammenhang mit dem «Fall Bodenmann» die Frage: Wie ahnungslos, ja naiv ist eigentlich Klotens Sportchef André Rötheli?

Klotens Trainer Felix Hollenstein könnte jetzt den starken Mann spielen und den «weissen Ritter» markieren. Indem er Simon Bodenmann per sofort freistellt, nicht mehr einsetzt und gegen eine entsprechende Transfersumme (Wechsel aus einem laufenden Vertrag) schon jetzt zum SCB ziehen lässt.

Mehr Eishockey

Hoffentlich nur ein Sturm im Wasserglas

Das wird er nur dann tun, wenn er zum Schluss kommt, dass Simon Bodenmann seine Mannschaft nicht besser macht. Und wenn er es denn tun würde, dann wäre er der schlimmste aller Hockey-Heuchler. Dass sein Bub Denis von Genf zu Kloten zurückkehrt, wusste Papa Hollenstein ja wohl auch nicht erst nach der Saison im April dieses Jahres. Dieser Deal ist auch lange, lange vor der Zeit gemacht worden. 

Ab 2015 muss Felix Hollenstein auf Simon Bodenmann verzichten.
Ab 2015 muss Felix Hollenstein auf Simon Bodenmann verzichten.Bild: Daniela Frutiger/freshfocus

Es soll jetzt auch keiner kommen, so etwas sei in der NHL unmöglich und dort würden, potz Donner, alle Transfer und sonstigen Gesetzte eingehalten. Auch in der NHL gibt es illegale Absprachen vor Trades und Transfer-Verhandlungen vor der Zeit. Ein Fall aus der letzten Saison kenne ich aus erster Hand. Aber weil die Strafen, wenn denn einer erwischt wird, drakonisch sind (sechsstellige Bussen und lange Sperren für alle Beteiligten) wird dort sorgsamst auf Geheimhaltung geachtet.

Hie und da ein Transfer zur Unzeit schadet dem Image unserer Liga nicht. Vielmehr sorgt der «Fall Bodenmann» für Emotionen, Gesprächsstoff und Medienpräsenz. Wer damit nicht umgehen kann, hat im Profisport des 21. Jahrhunderts nichts verloren.  

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
9 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
9
Ambri verliert Österreicher Zündel und Spacek +++ Visper Duo mit B-Lizenz zum HC Davos
Die National-League-Saison 2023/24 ist in vollem Gang, doch es gibt schon viele Wechsel fürs nächste Jahr. Hier gibt es die Transfer-Übersicht für 2024/25 – und die Wechsel, die ab sofort gelten.

Kilian Zündel verlässt den HC Ambri-Piotta Richtung Heimat. Der 23-jährige Österreicher schliesst sich Graz an und unterschreibt in der Steiermark einen Dreijahresvertrag.Der Verteidiger kam in zwei Saisons zu 52 Einsätzen für die Leventiner. (nih/sda)

Zur Story