Im Schweizer Profi-Eishockey kann noch gespielt und trainiert werden. Gestern wandten sich die Präsidenten der National-League-Klubs aber mit einem offenen Brief an den Bundesrat und forderten finanzielle Unterstützung. Die Vereine im Amateur-Eishockey müssen sich derweil auf eigene Faust mit den Problemen, die die Coronavirus-Krise mit sich bringt, herumschlagen.
In gewissen Kantonen sind Kontaktsportarten wie Eishockey mit Ausnahme des Profibetriebs bereits verboten. Als Reaktion darauf hat der Schweizer Eishockeyverband (SIHF) letzten Freitag beschlossen, den Spielbetrieb im Amateur-Eishockey (das betrifft die Aktiv-Ligen von MySports League bis 4. Liga, Frauen und Junioren) bis auf Weiteres zu unterbrechen. Das, nachdem man wenige Stunden zuvor noch verkündet hatte, mindestens bis zum Bundesratsentscheid von morgen Mittwoch weiterspielen zu wollen.
Bei den Amateurklubs hat man Verständnis für den Entscheid: «Sportlich können wir mit dem Unterbruch leben», sagt Stefan Unternährer, Vizepräsident des HC Luzern. Die Unterschiede zwischen den Kantonen seien zu gross geworden.
Ähnlich tönt es beim EHC Frauenfeld, der aber die Kommunikation des Verbands kritisiert: «Wir fanden es unglücklich, dass der Verband noch am Morgen des gleichen Tages informiert hat, dass bis zum Mittwoch weitergespielt wird. Der Kurswechsel hat uns überrascht», sagt Sportchef Michael Roth.
Der Unterbruch wirft bei den Vereinen nun viele Fragen auf. Man weiss nicht, ob nach dem morgigen Bundesratsentscheid überhaupt noch trainiert werden darf. Beim EHC Frauenfeld sei das Training bis zum Mittwoch freiwillig, sagt Michael Roth.
Auch der HC Luzern will das Training, sofern möglich, überall weiterführen. Dabei gelte die Priorität dem Nachwuchs, sagt Stefan Unternährer. Bei den Aktiv-Mannschaften sei es viel schwieriger, da gewisse Arbeitgeber bereits empfehlen, das Vereinsleben einzustellen. Der Vizepräsident hofft, dass wenigstens die Kinder nicht bald «nur noch lernen, Schach zu spielen».
Falls die Saison abgebrochen wird und nicht trainiert werden kann, befürchten die Klubs, dass die Nachwuchsspieler sich anderen Sportarten zuwenden. «Kein Trainingsbetrieb sehen wir als Katastrophe an», warnt Unternährer. «Es besteht das Risiko, dass sich die Anzahl der Junioren um 30 bis 40 Prozent reduziert. Unsere Aufbauarbeit der letzten zehn Jahre ist so stark gefährdet.» Roth hält das ebenfalls für wahrscheinlich: «Wenn dieser Unterbruch länger dauert, ist nicht auszuschliessen, dass die Kinder andere Interessen entwickeln.»
Aufgeben wollen die beiden Klubs aber noch nicht. Egal, was der Bundesrat morgen entscheidet, werde der EHC Frauenfeld versuchen, irgendeine Form des Trainings aufrecht zu erhalten, die mit den Vorschriften kompatibel ist. «Für die Kinder selbst wünschen wir uns, dass diese weiterhin ihr Hobby ausüben dürfen. Das ist für die sportliche und menschliche Entwicklung enorm wichtig», so Roth.
Neben dem sportlichen Bereich sind natürlich auch die Finanzen der Amateurklubs betroffen. «Bei den Jahresbeiträgen herrscht bei den Mitgliedern verständlicherweise eine grosse Verunsicherung. Ohne die Einnahmen können wir allerdings nicht überleben, da die finanzielle Planbarkeit nicht mehr gegeben wäre», sagt Unternährer.
Zudem würden Kosten für Infrastruktur und Trainer weiterhin bestehen bleiben, während Sponsorenbeiträge ohne Meisterschaftsbetrieb fraglich seien. Ob es vom Verband irgendwelche finanzielle Unterstützung geben wird, sei schwierig abzuschätzen.
Etwas besser sieht die Lage beim EHC Frauenfeld aus. Der Verein wurde letzte Saison komplett saniert und startete deshalb mit Reserven in die neue Saison. Rückforderungen bei den Jahresbeiträgen seien ebenfalls noch keine eingetroffen. Man werde versuchen, ein entsprechendes Angebot für den weiteren Spiel- und Trainingsbetrieb zu schaffen, sobald mehr Klarheit vorhanden sei, sagt Michael Roth.
Gravierender sei dagegen, dass übliche Einnahmequellen wegfallen: «Anfang November wäre unser traditioneller Rundenlauf, welcher einen substanziellen Beitrag in die Klub-Kasse darstellt. Daneben haben wir bereits schmerzlich gemerkt, dass die Zuschauer-und Konsum-Zahlen aufgrund der Situation und der bereits vollzogenen Massnahmen hinterherhinken», erklärt Roth.
Immerhin zeigen sich die Städte kulant. Die Stadt Frauenfeld teilt auf Anfrage mit: «Schon während des Lockdowns im Frühjahr hat die Stadt auf Mieten von Sportanlagen verzichtet, um die Vereine nicht zusätzlich zu belasten. Wenn die Klubs nicht trainieren oder spielen können, mieten diese auch kein Eis. Wir werden selbstverständlich Mietausfälle in Kauf nehmen müssen.» Das gleiche galt im Frühling auch in der Stadt Zürich, wo die Vereine im Bereich Jugendsport so oder so von Gebühren für die Nutzung der Anlagen befreit sind.
Die Amateur-Klubs kämpfen momentan noch mit der Unsicherheit. Niemand weiss konkret, wie es nach den morgigen Entscheiden des Bundesrats weitergeht, was das Planen beinahe verunmöglicht. «Bei unseren Saison-Planungen liessen wir zwar Vorsicht walten, gingen aber nie von einem Unter- oder Abbruch aus», sagt Frauenfeld-Sportchef Roth.
Luzern-Vizepräsident Unternährer sagt, man müsse sich grosse Sorgen um das Schweizer Amateur- und Junioren-Eishockey machen, insbesondere falls der Trainingsbetrieb verunmöglicht werden sollte.
Aktuell deutet einiges darauf hin, dass Veranstaltungen auf eine maximale Anzahl von 15 Personen begrenzt werden. Sofern kein explizites Verbot für Kontaktsportarten erlassen wird, sollten Trainings in Kleingruppen also weiterhin möglich sein.