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Playoff: Biel ist der Finalist der Herzen.

Biels Damien Brunner, links, im Duell mit Berns Eric Blum im sechsten Eishockey Playoff-Halbfinalspiel der National League zwischen dem EHC Biel und dem SC Bern, am Samstag, 6. April 2019, in der Tiss ...
Biels Damien Brunner stürmt gegen Berns Eric Blum.Bild: PPR
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So stürmen sie und können nicht anders – wenigstens ist Biel ein «Finalist der Herzen»

So schön und freundlich ist in einem Halbfinale noch selten Hockey zelebriert worden. Biel wie es offensiv singt und tanzt und lacht, scheitert am defensiv besten SCB der Saison 0:1. Die Entscheidung fällt am Dienstag.
07.04.2019, 05:11
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Kann Biel Playoff? Diese Frage können wir nach wie vor nicht abschliessend beantworten. Bis der Gegenbeweis erbracht ist, gilt vorerst: die Bieler können Playoff noch nicht.

Sie waren nicht dazu in der Lage, ihre klare spielerische Überlegenheit (38:19 Torschüsse) in einen Sieg und die erste Finalqualifikation ihrer Geschichte umzuwandeln. Obwohl dazu nur zwei Tore notwendig gewesen wären. Und was sind schon zwei Tore im Eishockey? Eigentlich nichts.

Eigentlich. Biel hat diese Saison auf eigenem Eis bloss dreimal nur einen Treffer erzielt – dreimal gegen Gottéron. Und ein einziges Tor hätte gegen den SCB für die Verlängerung gereicht. Nun ist den Bielern ausgerechnet im bisher wichtigsten Spiel der Saison zum ersten Mal seit dem 24. November 2017 (0:3 gegen Kloten) und zum ersten Mal überhaupt unter Trainer Antti Törmänen auf eigenem Eis kein Tor gelungen.

Entscheidung in der 9. Minute

Der SCB triumphierte mit der besten defensiven Saisonleistung. Diesmal nicht starr und stur, sondern immer auf den Zehenspitzen stehend «elastisch» und aktiv. Die Berner wurden wohl dominiert wie noch nie in dieser Serie. Aber nicht in der «roten Zone», dort wo Tore erzielt werden. Sie ähnelten einem Boxer, der locker in den Seilen hängt, immer und immer wieder Treffer einsteckt, die seine gute Deckung nicht durchdringen und keinerlei Wirkung erzielen. Gelegenheiten zu einem Gegenangriff gibt es immer – und die erste grosse Konter-Chance nützte der SCB in der 9. Minute um 0:1. Und das sollte bereits die Entscheidung sein.

Die Hoffnungen der Bieler starben im Verlaufe dieser schnellen Partie leise und fast ohne jede Dramatik. Sie stürmten und stürmten und stürmten. Sie umkreisten das SCB-Tor wie das Volk Israel die Stadt Jericho. Aber die Stöcke der Bieler sind nicht die Posaunen von Jericho. Die Mauern fielen nicht.

«Heute geht es nicht mehr zu und her wie vor 20 Jahren.»
Antti Törmänen, Trainer Biel.

Niemand im Stadion machte sich grosse Sorgen. Der Ausgleich, die Wende, der Sieg und der Finaleinzug schienen eigentlich nur eine Frage der Zeit zu sein. Aber der Ausgleich fiel eben nicht, die Zeit verrann unerbittlich in der Stadt der Uhren und auf einmal war die Zeit um und die historische Chance auf den ersten Final der Geschichte schon um 21:57 Uhr vorbei.

Biels Anssi Salmela, unten,im Duell mit Berns Thomas Ruefenacht im sechsten Eishockey Playoff-Halbfinalspiel der National League zwischen dem EHC Biel und dem SC Bern, am Samstag, 6. April 2019, in de ...
Biels Anssi Salmela, unten, im Duell mit Berns Thomas Ruefenacht.Bild: KEYSTONE

Die Bieler haben schön, leise und auch ein wenig naiv verloren. Aber für sie gilt: So stürmen wir, wir können nicht anders. Trainer Antti Törmänen wird gefragt, ob seine Jungs zu nett gewesen seien. Zu wenig böse. Keine krachenden Checks, keine Provokationen, nur schöne, edle Laufarbeit.

Er verzieht ob dieser Frage das Gesicht als hätte er Zahnweh und sagt, es gehe heute nicht mehr zu und her wie vor 20 Jahren.

Biel wie die Edmonton Oilers

Er hat durchaus recht. Das Eishockey verändert sich. Das Regelwerk schützt die Flinken. Die braven Spieler kommen überall hin – aber vorerst nur die Bösen in den meisterlichen Himmel.

Biels Ansturm und Scheitern mahnt ein wenig an eine ganz grosse Serie an einem Wendepunkt der Geschichte: 1983 scheitern die Edmonton Oilers, die mit Wayne Gretzky das Tempo- und Spektakelhockey der Zukunft zelebrieren im Stanley Cup-Finale an den New York Islanders, den letzten Sauriern der alten Zeit. Ein Jahr später fegen die Oilers die Islanders im Finale vom Eis und stürzen eine Dynastie.

Der SCB war schon dreizehn Mal im Finale und hat neun Mal den Titel geholt. Biel war noch nie im Finale.

Biel wie die Edmonton Oilers? Ein wenig schon. Aber ohne Wayne Gretzky. Der SCB wie die New York Islanders? Ein wenig schon. Ein Wendepunkt der Geschichte? Vielleicht. Wenn der SCB dieses Halbfinale übersteht, wartet mit Zug ein neues «Edmonton», sozusagen ein besseres Biel, eine Mannschaft mit noch mehr Energie, die auch das Eishockey von morgen zelebriert. Und Playoff als Meister von 1998 und Finalist von 2017 schon ein wenig kann.

Biels Marco Pedretti, links, im Duell mit Berns Goalie Leonardo Genoni im sechsten Eishockey Playoff-Halbfinalspiel der National League zwischen dem EHC Biel und dem SC Bern, am Samstag, 6. April 2019 ...
Biels Marco Pedretti, links, im Duell mit Berns Goalie Leonardo Genoni.Bild: KEYSTONE

Kehren wir zurück zu Biels Sturmlauf in den Untergang. Das eindeutige Torschussverhältnis täuscht: den Abschlussversuchen der Bieler fehlte eine Prise Entschlossenheit, Präzision und Kaltblütigkeit. Es waren spielerische Versuche, nicht grimmige. Mit der spielerischen Stradivari, nicht mit dem Hammer.

Biel kann nicht Playoff

Deshalb gilt nach wie vor: Biel kann nicht Playoff, der SCB hingegen schon. Der SCB war schliesslich schon dreizehn Mal im Finale und hat neun Mal den Titel geholt. Biel war noch nie im Finale. Der SCB hat Playoff in der DNA, Biel nicht.

Und wo bleibt das Lob für SCB-Goalie Leonardo Genoni? Hat er sich denn nicht dazu entschieden, ein Meistergoalie zu sein? Nein, noch nicht.

Wer im Halbfinale auswärts «zu Null» spielt, ist zwar ein grosser Goalie. Aber Leonardo Genoni muss sich nicht auf den Kopf stellen und den Sieg stehlen. Biels Abschlussversuche sind so berechenbar, seine Vordermänner unterstützen ihn so gut, dass diesmal höchste Konzentration und kluges Stellungspiel genügen. Ein so smarter Torhüter wie Leonardo Genoni, der das Spiel so gut lesen kann, muss keine «Flugparaden» machen und braucht keine Reflexe schneller als das Licht, um in diesem Spiel ohne Gegentreffer zu bleiben.

«Wir waren ständig überlegen, wir konnten mit einem Torerfolg rechnen. Aber es fehlte das letzte, gewisse Etwas.»
Martin Steinegger, Sportchef Biel

Was nun? Müsste Biel nun am Dienstag den Hammer auspacken? Nein. Biel kann nicht anders. Der besonnene, kluge Verteidigungsminister Beat Forster, der so viel schon erlebt hat, wird gefragt, was nun für das 7. Spiel in Bern vorzukehren sei, was anders gemacht werden müsse, was das besondere an so einer Partie sei – die üblichen Fragen halt, die seit Einführung des Playoff-Modus (1986) Jahr für Jahr gestellt werden. Beat Forster bringt es auf den Punkt: nichts könne geändert werden. Weil es gar nicht möglich ist, fürs letzte Spiel alles zu verändern.

Sportchef Martin Steinegger, einst in Bern als Verteidigungsminister auch wegen seiner Härte «Stoney» genannt, räumt zwar ein, dass er wahrscheinlich in diesem 6. Halbfinalspiel «irgendetwas» gemacht hätte. Zugelangt wohl. Aber er gibt zu bedenken, dass sich das Eishockey verändert habe. Und auch er sieht keinen Grund, nun alles zu hinterfragen und für die letzte Partie Stil und Taktik umzustellen. Und es habe auch in dieser sechsten Partie keinen Grund dazu gegeben. «Wir waren ständig überlegen, wir konnten mit einem Torerfolg rechnen. Aber es fehlte das letzte, gewisse Etwas.»

Die Bieler peitschten zur Offensive, aber es fehlte der letzte Zwick an der Geissel.

Nun ist der SCB, der Playoff kann, gegen ein Biel, das Playoff immer noch nicht kann, natürlich Favorit fürs 7. und alles entscheidende Spiel.

Aber nicht eine der bisherigen sechs Partien in diesem Halbfinale endete so wie erwartet. Warum sollte ausgerechnet das 7. Spiel so enden nun wie fast alle erwarten? Und so oder so gibt es jetzt schon einen Trost für die Bieler: sie haben sich mit ihrem fairen, schnellen, kreativen Tempospiel auf jeden Fall die Bezeichnung «Finalist der Herzen» verdient.

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12 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Baron Swagham IV
07.04.2019 08:22registriert Februar 2019
Abwarten, auch wenn es abgedroschen klingt: in dieser Serie kann so ziemlich alles passieren.
In dieser Paarung langweilt es nichtmal wenn wenig Tore fallen
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stamcor
07.04.2019 07:38registriert März 2019
Die Erfahrung könnte jetzt hilfreich sein.
Jedoch ist der scb in diesen playoffs eine wundertüte.
ich als bieler, hoffe, dass am dienstag die tore fallen.
der glücklichere soll in den final
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stamcor
07.04.2019 09:16registriert März 2019
Noch was...
Die Frage, kann Biel Playoff? ist die falsche Frage...
Biel kann Playoff, denn eine belle im halbfinal gegen den qualisieger ist antwort genug.
Die Frage ist, kann der SCB noch besser Playoff?
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