Fast eine halbe Stunde lang zelebrierte der HCD in Bern nahezu perfektes Hockey. Noch nicht oft hat eine Schweizer Mannschaft so schnell gespielt wie der HCD in der Startphase. Blitzhockey auf Weltniveau. Der überfallartige Führungstreffer nach nur 50 Sekunden mag noch auf das Konto eines konventionellen Spiels gehen. Das 2:0 und das 3:0 waren hingegen in Vorbereitung und Ausführung grandios. Diese blitzschnelle Auslösung gelingt zurzeit nur dem HCD.
Ist es möglich, noch besser zu spielen? Auf diese Frage sagte Arno Del Curto: «Ja, es ist immer möglich noch besser zu spielen. Noch schneller, noch präziser, noch intensiver.» Aber immerhin räumte er ein, die ersten 30 Minuten seien gut gewesen und er sei zufrieden. Das will schon etwas heissen, wenn dieser ewig Suchende nach dem perfekten Hockey auch nur das Wort «zufrieden» ausspricht. Um dann doch zu korrigieren: «Aber es geht noch besser.»
Der HCD spielte nicht einfach ein wildes und energiefressendes Offensivhockey («Firewagon Hockey»). Nein, es ist aus einer defensiven Grundaufstellung heraus ein nahezu perfektes Konterhockey mit blitzschneller Auslösung und einer Passqualität und -präzision, die schon eher an höhere Geometrie mahnt, hervorgegangen. Eigentlich ein gut strukturiertes, ökonomisches Tempohockey, das rein körperlich 60 Minuten lang gespielt werden könnte.
Dürfen wir nun also den Tabellenführer als alleinigen Meisterschaftsfavoriten ausrufen? Nein, das können wir nicht. Denn die Frage ist berechtigt: Spielt der HCD zu gut? Ist dieses hoch entwickelte Hockey überhaupt playofftauglich? Ist es rumpelfest?
Die letzten Minuten haben in Bern nämlich gezeigt: Die Davoser haben Mühe, konventionelles Hockey zu spielen. Wenn sie das Tempo drosseln, auf gewöhnliches Niveau herabsteigen und versuchen, das Resultat zu verwalten, dann geraten sie gegen eine physisch robuste und gut organisierte Mannschaft wie den SC Bern (oder die ZSC Lions) in Schwierigkeiten.
Selbst gegen Teams aus der zweiten Tabellenhälfte ist eine Niederlage möglich, wenn keine frühen Tore gelingen, die Geduld und damit die Konzentration verloren gehen. Das perfekte HCD-Hockey braucht den Raum zum Kontern und funktioniert am besten gegen einen auf Augenhöhe mitspielenden, starken Gegner und taugt weniger zum Aufknacken eines taktisch igelnden und das Tempo verschleppenden Aussenseiters.
Wucht und Leidenschaft der Berner in der Schlussphase dieses samstäglichen Spitzenkampfes waren beeindruckend und zeigen: Das Selbstvertrauen ist wieder da. Die Arroganz ist nicht mehr das Resultat von Selbstzufriedenheit. Sondern zeigt die Überzeugung, wieder dazu in der Lage zu sein, eine Meisterschaft zu gewinnen. Der missglückte Start mit einem Gegentreffer nach nur 50 Sekunden ist nicht das Resultat von «Larifari-Hockey». Sondern eher das Produkt einer zu intensiven Vorbereitung: Zu viel reden über die Wichtigkeit der Startphase führt oft zu einer Blockade.
In den letzten drei Minuten und fünf Sekunden wurde in Bern aus dem 0:3 ein 2:3. Der zweite Treffer fiel exakt zehn Sekunden vor Schluss und in den finalen 10 Sekunden wäre beinahe noch das 3:3 gefallen. Im ersten Spiel in Bern hatte der HCD am 16. November einen sicheren Sieg aus den Händen gegeben: In der 53. Minute gelang Gregory Hofmann das 2:1. Aber der SCB glich aus und gewann das Penaltyschiessen. Das ist ein Fingerzeig darauf, dass der SCB gegen dieses Davos in einer Playoffserie nicht ohne Chance wäre. Letztmals begegneten sich diese beiden Teams 2007 im Finale. Der HCD holte den Titel durch ein 1:0 im 7. Spiel auf eigenem Eis.
Müsste der HCD also auch lernen, langsamer, konventioneller zu spielen? «Eigentlich ja», sagt Arno Del Curto. «Aber ich will es nicht. Trainiere oder erlaube ich das, dann fallen die Spieler zu schnell in langsameres Hockey zurück. Das will ich verhindern.» Also auf höchstem Niveau trainieren und spielen – mit dem Risiko eines grandiosen Scheiterns in den Playoffs.
Die Partien zwischen dem SC Bern und dem HCD in Bern gehören vom äusseren Rahmen und vom sportlichen Gehalt her zum Besten, was es im europäischen Klubhockey zu sehen gibt. Auch Arno Del Curto sagt: «Es macht Spass in Bern zu spielen. Es wird hart, aber jederzeit fair gespielt.» Daran ändert auch der spektakuläre Faustkampf zwischen Bud Holloway und Dick Axelsson nichts (34. Min.). Es war ein sauber geführter Boxkampf mit einer bei uns selten gesehenen Serie von Schlägen zwischen zwei Kämpfern, die das Gleichgewicht nicht verloren. Es passt zur sehr guten Schiedsrichterleistung, dass es bei je vier Minuten blieb und kein Restausschluss verhängt worden ist.
Das perfekte HCD-Spiel, wie wir es in der Startphase in Bern gesehen haben, ist in seiner Präzision und Schnelligkeit unerreicht und wird in dieser Saison unerreicht bleiben. Die ganz grosse Frage ist, ob es Arno Del Curto gelingt, alles so zu justieren, dass der HCD dieses hoch entwickelte Spiel über 60 Minuten durchziehen kann. Wenn nicht, dann werden wir vielleicht im Frühjahr feststellen, dass der HCD zu gutes Hockey gespielt hat, um Meister werden zu können.