Auf den ersten Blick ist Yannick Weber (32) ein Kaisertransfer: Der ehemalige SCB-Junior spielte seit 2006 ununterbrochen in Nordamerika und seit 2014 ausnahmslos in der NHL. Er hat in der wichtigsten Liga der Welt in 541 Partien für Montréal, Vancouver, Nashville und Pittsburgh 100 Punkte erzielt und sich auch bei vier WM- (2009, 2014, 2016, 2019) und zwei Olympia-Turnieren (2010, 2014) bewährt. 2017 war er zusammen mit Roman Josi in Nashville Stanley Cup-Finalist.
Nun hat sich Yannick Weber dazu entschieden, den Karriere-Herbst in der Schweiz zu verbringen. Aber nur zwei Klubs mit vollen Geldspeichern waren an seinen Diensten ernsthaft interessiert: Lugano und die ZSC Lions. Lugano hat sich für Mirco Müller (26) entschieden und ihn mit einem Vertrag bis 2026 ausgestattet. So ist Yannick Webers Transfer mit einem Dreijahresvertrag nach Zürich logisch – und für Sportchef Sven Leuenberger war diese Verpflichtung recht einfach.
In Ambri oder Langnau oder bei Ajoie und den Lakers wäre Yannick Weber natürlich ein charismatischer Verteidigungsminister. Aber er hat in seiner Karriere insgesamt nur etwas mehr als 7 Millionen verdient und lediglich in einem Jahr (2015/16) waren es ein wenig mehr als eine Million. Letzte Saison löhnte ihn Pittsburgh gerade noch mit 700'000 Dollar brutto – gut 200'000 Dollar weniger als Roman Josi in einem Monat in Nashville kassiert.
Nun ist für Yannick Weber die Zeit gekommen, sein Talent noch etwas zu kapitalisieren. Das wäre weder in Ambri noch in Langnau oder bei den Lakers und Ajoie möglich. So gesehen ist der Wechsel nach Zürich richtig und er verdient nun im Hallenstadion brutto fast so viel wie zuletzt in Pittsburgh – aber anders als in den USA muss er nicht 50 Prozent seines Salärs dem Steuervogt abliefern.
Die Frage ist natürlich: Warum wechselt Yannick Weber nicht nach Bern? Der SCB ist schliesslich sein Stammverein. Und für den SCB wäre sein Transfer in Hinblick auf den anstehenden Abo-Verkauf sicher eine gute Nachricht gewesen.
Aber SCB-Obersportchef Raeto Raffainer sagt: «Wir hatten nie Interesse an Yannick Weber». Und warum nicht? «Wir sind auf den ersten sieben Positionen mit Ramon Untersander, Beat und Colin Gerber, Calle Andersson, Mika Henauer, Thomas Thiry und Eric Blum ausreichend besetzt. Wenn schon brauchen wir mehr Kadertiefe.» Womit auch klar ist: Mit einer Rückkehr von Eric Blum wird gerechnet – er hatte die Saison nach einem fürchterlichen Check von Fabrice Herzog nach 19 Partien vorzeitig beendet. «Ja, wir gehen davon aus, dass Eric Blum beim Saisonstart fit sein wird.»
Somit bleibt der SCB der einzige Klub der Liga, der 2021 doppelt so viel Büropersonal (einen Ober- und Untersportchef) wie Spieler (bisher nur Daniel Manzato) verpflichtet hat.
In der einzigen Teil-Saison in der Schweiz (2012/13) produzierte Yannick Weber immerhin 21 Punkte in 32 Partien für Servette. 5 Punkte weniger als Mark Streit, aber 5 mehr als Roman Josi – die beiden hatten die Wartezeit auf den NHL-Start in Bern verbracht.
Trotzdem die Frage: Ist Yannick Weber tatsächlich ein Kaiser-Transfer? Seine Professionalität und seine Pflegeleichtigkeit stehen ausser Frage. Aber Pittsburgh hat ihn letzte Saison nur in zwei (!) Partien eingesetzt und er kam in den letzten zwei Jahren nur noch 47 Partien zum Zuge (1 Tor/2 Assists). Seine Wasserverdrängung (181 cm/91 kg) ist nicht grösser als die von Christian Marti oder Michael Fora. Und vor allem: Ist er noch gut genug, um auf den grösseren europäischen Eisfeldern ein dominierender «Quarterback» (Spielmacher, Powerplay-General) zu sein? Oder ist er eher eine kräftige, fleissige und eigentlich zu teure Antwort auf Beat Gerber oder Phil Baltisberger?
Das wird nächste Saison eine der interessanten Fragen sein.
Man hält ja daran fest, nicht mit Geld um sich zu werfen. Verlockend war es sicherlich!