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Im Sommer 1985 führten die Klubs den Playoff-Modus ein. Ich erinnere mich noch, als ob es gestern gewesen wäre, wie ich vom Chefredaktor meines damaligen Arbeitgebers aufgefordert wurde, gegen diesen «amerikanischen Unsinn» anzuschreiben. 36 Runden (damals waren es erst 36 und noch nicht 50) bloss um die Ausgangslage für die Playoffs zu spielen. Da gehe es ja praktisch um nichts! Kein Mensch werde sich für diese Spiele interessieren.
Ich liess mich nicht überzeugen und habe nicht dagegen angeschrieben. Es hätte ja auch nichts genützt. Die Neuzeit brach sich mit Macht ihre Bahn. Diese Neuzeit im Eishockey symbolisierte der Playoff-Modus.
Inzwischen wissen wir: Die Playoffs sind die grösste Erfolgsgeschichte unseres Hockeys. Heute kommen im Durchschnitt gut doppelt so viele Zuschauer zu den Qualifikationspartien wie zu den Zeiten vor den Playoffs, als noch jedes Spiel zählte. In Langnau waren beispielsweise in der Meistersaison 1975/76 bei 14 Heimspielen nur die drei letzten Partien plus noch ein Derby gegen Biel und Bern ausverkauft. Die Langnauer holten den Titel im allerletzten Spiel zu Hause gegen Biel.
In der soeben abgelaufenen Saison waren die Langnauer weiter vom Meistertitel entfernt als eine 1.-August-Rakete vom Mars. Sie erreichten nicht einmal die Playoffs. Und trotzdem waren 14 von 25 Heimspielen ausverkauft und es kamen so viele Zuschauer wie noch nie in der Geschichte (seit 1946).
Die Zuschauerzahlen sind der statistische Beweis, dass die 50 Qualifikationsspiele doch interessieren. Dieses Interesse hat natürlich auch mit einem gesellschaftlichen Wandel zu tun. Die Menschen geben heute mehr Geld fürs Vergnügen aus und sind mobiler als in den 1970er-Jahren. Und die Medienpräsenz des Eishockeys (jedes Spiel live im TV!) ist viel grösser geworden und der Sport spielt heute in allen Gesellschaftsschichten eine viel wichtigere Rolle als in den Eishockey- Zeiten vor den Playoffs.
Und doch bleibt die Frage: Welche Bedeutung haben denn 50 Qualifikationsspiele, wenn es möglich ist, vom 8. Platz aus Meister zu werden?
Nun, die Hockeyunternehmen verdienen ihr Geld mit den Partien zwischen Anfang September und Ende Februar. Die Qualifikation ist die wirtschaftliche Grundlage des Hockey-Geschäfts. Es wäre gerade geschäftsschädigend, die Bedeutung dieser Spiele klein zu reden.
Aber die Frage nach der sportlichen Bedeutung bleibt. Nun, wenn die Qualifikation für Spieler, Trainer und Sportchefs keine Bedeutung hätte, dann kämen auch die Zuschauer nicht mehr. Das Publikum lässt sich nicht für dumm verkaufen.
Tatsächlich ist die sportliche Bedeutung der Qualifikation grösser denn je. In diesen 50 Spielen geht es für die Spitzenteams darum, eine Mannschaft für die Playoffs zu bauen, für mehr als die Hälfte der Liga darum, überhaupt die Playoffs zu erreichen und für die Miserablen, sich für den Kampf um den Klassenerhalt (die Liga-Qualifikation) zu wappnen. Deshalb ist der Auf-/Abstieg auch in seiner «kastrierten Form» der Liga-Qualifikation so wichtig.
Dieser Prozess des «Mannschaftsbaus» bietet dem Publikum beste Unterhaltung. Es ist die Suche nach gültigen Antworten in einem unberechenbaren Spiel, das auf einer rutschigen Unterlage ausgetragen wird. Und auch wenn jeder weiss, dass theoretisch (und seit dieser Saison auch praktisch) der 8. Platz reicht, um Meister zu werden, so ist sich doch jeder bewusst, wie wichtig eine gute Qualifikation für das wirtschaftliche Wohlergehen des Klubs ist.
Niemand kann sich eine Krise leisten. Denn zu viele Niederlagen ruinieren die Chemie in einer Mannschaft und die Autorität des Trainers. Beide diesjährigen Finalisten (Lugano und der SCB) haben ihre Trainer im Laufe der Qualifikation gefeuert. Und die Liga ist inzwischen so ausgeglichen geworden, dass mehr als die Hälfte der Teams um die Playoffteilnahme zittern muss.
Ja, der SC Bern hatte am Ende der Qualifikation gleich viele Punkte wie Lausanne und schaffte die Playoffs nur aufgrund der besseren Bilanz in den Direktbegegnungen. Hätte der SCB in der zweitletzten dieser Direktbegegnungen nicht in der letzten Sekunde den Ausgleich geschafft, dann wäre Lausanne in die Playoffs gezogen. Und so wie diese Saison gelaufen ist, dürfen wir nicht einmal behaupten, Lausanne wäre nicht Meister geworden.
Die Qualifikation ist inzwischen auch die sportliche Grundlage unserer Hockeykultur geworden. Die Spieler «lernen» das Hockey in diesen 50 Partien. Die NLA ist so gesehen auch eine Ausbildungsliga. Aber kein Sportler kann zwischen September und Februar 50 Mal an die Grenzen der Leistungsfähigkeit und manchmal darüber hinaus «getrieben» werden. Formkrisen sind währen einer Qualifikation sozusagen ein «Menschenrecht» der Trainer und Spieler.
Wie es sich für eine gute Show gehört, folgt der grosse Auftritt am Schluss. Die Spannung wird vom September bis Ende Februar aufgebaut für den grossen «Showdown» der Playoffs. Die smarten Sportchefs bauen ihre Mannschaften für die Playoffs. Nur ganz wenigen gelingt das.
Zu diesen Auserwählten gehört Sven Leuenberger. Der Architekt der SCB-Meisterteams von 2010, 2013 und 2016. Und trotzdem hat er seinen Job verloren. Eishockey ist eben auch neben dem Eis ein unberechenbares Spiel. Wie diese Saison eindrücklich gezeigt hat: Eigentlich ein Glücksspiel für das es keine Kasino-Lizenz braucht.