Unser Profihockey ist ein Erfolgsmodell ohne Beispiel. Unsere höchste Spielklasse hat sich ab den 1980er Jahren von einer Operettenliga zur erfolgreichsten Liga Europas entwickelt. Parallel dazu ist der Schweiz der Aufstieg aus der internationalen Bedeutung in die Weltklasse mit zwei WM-Finalqualifikationen (2013, 2018) gelungen. Letzte Saison eilten durchschnittlich 6791 Männer, Frauen und Kinder in die Stadien. Mehr als in jeder anderen Liga ausserhalb der NHL. Also auch mehr als in Finnland (4232), Schweden (5828) oder in der KHL (6397).
Abgesehen davon, dass die Schweiz ein reiches Land der kurzen Wege ist und sich viele die Matchbesuche leisten können, gibt es zwei Faktoren, die diesen Erfolg ausmachen: Der Auf-/Abstieg zwischen den beiden höchsten Ligen und die Beschränkung der Ausländer (vier pro Spiel dürfen eingesetzt werden). Und ausgerechnet an der Auf-/Abstiegsregelung und an der Ausländer-Beschränkung wird in den nächsten Wochen geschraubt.
Am Montag wird bei der Liga-Versammlung der Abstieg für eine Saison ausgesetzt. Aber bereits hoffen viele, dass es künftig gar keine Relegation geben wird. Es ist zwar richtig und vernünftig, in diesen unsicheren Zeiten auf den Abstieg zu verzichten, um unnötige «Angstinvestitionen» zu vermeiden. Aber es wäre fatal, wenn daraus eine Dauerlösung würde. Hohe Zuschauerzahlen gibt es nur, wenn es immer um etwas geht. Entweder nach oben oder nach unten. Ohne Drama keine gute Show, keine so hohen Zuschauerzahlen und weniger Einnahmen. So einfach ist das. Und am 17. Juni machen sich die Klubs daran, die Anzahl der Ausländer zu erhöhen. Zur Abänderung der Ausländerregelung gibt es eigentlich nur einen Satz: Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.
Der Antrieb für die Demontierung unseres Erfolgsmodells sind die zu hohen Löhne in Zeiten der Krise. Gerade in diesen Tagen haben die Sonntagsreden «die Löhne müssen runter» Hochkonjunktur. Zu Recht. Bei der Virus-Krise sitzen alle im gleichen Boot. Nie in der Geschichte gab es eine so gute Möglichkeit, die Saläre zu kürzen. Aber diese einmalige Chance wird nicht genutzt. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Die viel zu grosse Macht der Sportchefs.
Löhne tief halten bzw. Löhne zu kürzen ist Verhandlungssache. Dazu braucht es Selbstsicherheit, Beharrlichkeit, Klugheit, Schlitzohrigkeit und natürliche Autorität. Ich bringe es jetzt mal auf den Punkt: Über diese Qualitäten am Verhandlungstisch, eigentlich die wichtigsten für den Job, verfügen zu wenige unserer Sportchefs. Die Folge: Die Löhne steigen und steigen und steigen.
Die Sportchefs sind in der Regel ehemalige Spieler. Sie haben ihr ganzes Leben in einer Art «Disney-Land» verbracht. Sie haben als Spieler nie gelernt, was es bedeutet, jeden Tag einer geregelten Arbeit nachzugehen. Und die wenigsten wissen, was im richtigen Leben für ein sechsstelliges Salär geleistet werden muss. Und dann sitzen diese Jungmillionäre dann als Sportchefs am Verhandlungstisch mit ihren Kumpels, den Spielern und den Agenten, die auch meistens ehemalige Spieler sind, und verteilen grosszügig das Geld der Klubbesitzer. Kein Witz: Es gibt sogar Klubs, die Spieleragenten zu Sportchefs gemacht haben. Und kein Schuft, wer sagt, dass sich wohl da und dort auf Kosten der Klubbesitzer Seilschaften bilden. Bei uns werden im Hockey-Business zu viele Böcke zu Gärtnern. Aber eben: das Problem sind nicht die Spieleragenten. Sie sind am Verhandlungstisch halt einfach besser als viele Sportchefs.
Das Problem wäre einfach zu lösen. Die Klubbesitzer, die jetzt auf allen Kanälen jammern, das Geld gehe ihnen aus und die Löhne müssten runter, sollten ihre Verantwortung und Aufsichtspflicht als Verwaltungsräte wieder wahrnehmen. Sie sollten die Kompetenz, die Macht ihrer Sportchefs beschneiden, die Löhne der wichtigeren Spieler selbst aushandeln und nicht einfach unterschreiben, was ihnen die Sportchefs zur Signatur vorlegen. Und wenn gepokert wird, dann hindert sie nichts daran, ihren Verwaltungsratskollegen beim anderen Klub anzurufen und zu fragen, ob der Sportchef tatsächlich diese oder jene Offerte gemacht habe.
Es genügt nicht, einfach der sportlichen Abteilung ein Budget vorzugeben, das dann am Ende der Saison doch wieder überschritten wird. Wenn es darum geht, Spielerlöhne auszuhandeln, dann gehört einer der Klubbesitzer bzw. Verwaltungsräte an den Verhandlungstisch. Also Männer (oder Frauen), die im richtigen Leben mit grossem Erfolg Verhandlungen führen und sehr wohl wissen, wie ein Salär ausgehandelt wird. Sonst wären sie nicht so reich, dass sie es sich leisten können, ihr Geld in unserem Hockey zu verlieren. Aber wichtig ist, dass sie dabei so cool und berechnend vorgehen wie bei ihren sonstigen Geschäften und sich nicht von Fan-Emotionen leiten lassen. Die Nordamerikaner sagen, reiche Männer werden durch drei Dinge ruiniert: Langsame Pferde, schnelle Frauen und dem Einstieg in einen Proficlub.
Das kommerzielle Erfolgsmodell NHL können wir aus zwei Gründen nicht kopieren. Die Klubs sind bei uns nicht bereit, alle Macht an einen Liga-Boss (wie Gary Bettman) zu delegieren, und es gibt keine Spielergewerkschaft und dadurch auch keinen Gesamtarbeitsvertrag, um die Löhne zu regulieren. Unsere Spielergewerkschaft ist eine völlig bedeutungslose, ja lächerliche lose Interessengemeinschaft von Jungmillionären. Jetzt, in der Krise, hätte sich eine Spielergewerkschaft profilieren können. Das Dossier, das sie bei er Ligaführung zur Lohnfrage einreichte, hatte einen Ratschlag: Jeder Klub muss die Lohnfrage selbst regeln.
Es geht nur, wenn die Verwaltungsräte die Dinge vermehrt an die Hand nehmen. Die Lohnfrage im Eishockeygeschäft ist inzwischen viel zu wichtig geworden, um sie den Sportchefs zu überlassen.
Alle anderen Mittel zur Lösung des Lohnproblems sind untauglich. Die Erhöhung der Anzahl Ausländer von vier auf acht (und dafür keine Ausländer mehr mit Schweizer Lizenz) wird die Löhne nicht reduzieren, sondern jedem Klub höhere Salärkosten im siebenstelligen Bereich bescheren. Dass sich ausgerechnet Marc Lüthi, der sich mit Zahlen auskennt wie kein anderer, für eine höhere Anzahl Ausländer einsetzt, ist wohl die grösste Kuriosität unserer neueren Hockeygeschichte. Aber jeder kann sich irren. Ende der 1940er Jahr sagte der oberste Boss von IBM, es lohne sich nicht, in Computer zu investieren. Es gebe einen Weltmarkt für bloss ein paar Computer. Marc Lüthi ist also in guter Gesellschaft.
Für den Moment nur so viel zur Ausländerfrage. Bis zum 17. Juni ist ja noch etwas Zeit, um den Unsinn einer veränderten Ausländerregelung darzulegen.