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Eishockey Schweiz: Kantersiege als Muster ohne Wert

Die HC Lugano Spieler zeigen sich enttaeuscht nach dem Eishockey Meisterschaftsspiel der National League A zwischen dem SC Bern und dem HC Lugano, am Freitag, 2. Dezember 2016, in der PostFinance-Aren ...
Der HC Lugano: Mal im Tal der Tränen, ...Bild: KEYSTONE
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Und täglich grüssen die Kantersiege – eine Warnung der Hockey-Geschichte

Ist das 8:1 gegen Gottéron der Befreiungsschlag für Luganos Trainer Doug Shedden? Nein. Dieses 8:1 bleibt vorerst bloss Blendwerk, das seine Entlassung lediglich verzögert.
05.12.2016, 10:44
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Resultate wie Tag und Nacht. Manchmal in der Zeitspanne von 48 Stunden. Was einst Klubs in den Grundmauern erschütterte, ist heute nur noch eine Randnotiz wert. 0:7 gegen Zug. Ach, kein Problem. Kloten gewinnt am nächsten Abend in Bern 8:1. Die Berner reagieren darauf mit vier Siegen in fünf Spielen.

Luganos Luca Fazzini, Mitte, feiert mit den Mitspielern Dario Buergler, links, und Tony Martensson, rechts, das 3-0 Goal im Spiel beim Eishockey Meisterschaftsspiel der National League A zwischen dem  ...
... dann plötzlich im Jubel-Rausch.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

1:6 gegen Servette nach der jämmerlichsten Leistung unter Heinz Ehlers. Kein Problem. Langnau gewinnt am Folgetag in Ambri 3:2. Ein Grandioses 6:1 in Langnau? Darauf kann Chris McSorley nicht bauen. Er verliert tags darauf gegen Davos zu Hause 1:7. Lugano gewinnt gegen Gottéron 8:1. Na und? Durchaus möglich, dass Gottéron-Trainer Larry Huras länger im Amt bleibt als Luganos Doug Shedden.

Alles halb so schlimm

Von all den extremen Resultaten der letzten Wochen ist das 8:1 von Lugano gegen Gottéron das interessanteste. Eine heftige Reaktion auf ein 3:8 in Kloten und ein 0:5 in Bern und ein Grund zur Sorgen für Gottérons Trainer Larry Huras. Oder? Er müsste am Tag danach eigentlich miserabel gelaunt und in Sorge sein. Aber er ist es nicht. Mit staatsmännischer Gelassenheit analysiert der Hockey-Weltenbummler mit der Weisheit seiner 61 Jahre den spektakulären Untergang seines Teams und kommt zum Schluss: Alles halb so schlimm.

Larry Huras, le nouvel entraineur du HC Fribourg-Gotteron, prend la parole lors d'un entrainement avec sa nouvelle equipe, ce lundi, 26 septembre 2016, a la patinoire BCF Arena. Larry Huras succe ...
Larry Huras bleibt nach der Kanterniederlage gegen Lugano ruhig.Bild: KEYSTONE

Ein unglückliches, frühes Tor. Ein paar Powerplays zu viel und fünf Powerplaytreffer. Kein Glück, der Puck glitt auf der rutschigen Unterlage für Lugano. «Shit happens». Ein Abend zum Vergessen. Aber kein Abend um sich Sorgen zu machen. «Wir müssen bloss wieder Wege finden, um Spiele zu gewinnen und dann läuft es wieder.»

Larry Huras sagt, sein Team sei dazu in der Lage, auf Augenhöhe mit den Besten zu spielen – in der Liga und in der Champions Hockey League. «Aber wir müssen wieder die Konstanz finden um dies 60 Minuten lang zu tun.» Ein Grund für diese fehlende Konstanz sei die fehlende mentale Stärke. Gottéron sei mental zu wenig robust.

Verteidiger sollen in erster Linie verteidigen

Oder ist es am Ende ganz simpel: Kommt Gottéron wegen seiner Lottergoalies nicht mehr vom Fleck? Larry Huras fordert den Chronisten auf, die Goaliestatistik selber zu lesen. Und in der Tat: Die Fangquote von Benjamin Conz steht bei 89,89 und jene von Denis Saikkonen bei 87,79 Prozent. So werden die Playoffs nicht möglich sein. «Wir müssen besser werden» sagt Larry Huras. «Das gilt für alle. Auch für die Torhüter.»

Fribourgs Torhueter Benjamin Conz im Spiel beim Eishockey Meisterschaftsspiel der National League A zwischen dem HC Lugano und dem HC Fribourg Gotteron am Samstag, 3. Dezember 2016, in der Resega Hall ...
Benjamin Conz muss sich noch steigern.Bild: KEYSTONE/TI-PRESS

Und es gilt vor allem auch für Yannick Rathgeb (21), Gottérons interessantesten Einzelspieler. Der begehrteste Verteidiger auf dem Transfermarkt hat mit -14 eine verheerende Plus/Minus-Bilanz. Er ist in dieser Wertung die Nummer 118 aller NLA-Verteidiger. Wenn einer der wichtigsten Abwehrspieler defensiv so liederlich arbeitet, ist es schwierig, Konstanz zu erreichen.

Larry Huras ist gnädig. Er sagt: «Yannick kann eine grosse Karriere machen. Er ist ehrgeizig und belastbar. Aber er muss seinen Offensiv-Drang zügeln und akzeptieren, dass er nicht bei jedem Einsatz zu einer Torchance kommt, und dass die wichtigste Aufgabe des Verteidigers das Verteidigen ist.»

«Traumfabrik» Gottéron?

In der Meistersaison mit den ZSC Lions (2000/01) hatte Larry Huras einen jungen Verteidiger namens Mark Streit im Team. Der ehemalige SCB-Junior hat ungefähr die gleiche Postur (er ist sogar vier Zentimeter kleiner als Rathgeb) und ist längst helvetischer NHL- Rekordhalter (am meisten NHL-Spiele, am meisten verdient).

Sieht Larry Huras Gemeinsamkeiten mit Mark Streit? «Sie sind ähnlich talentiert. Mark Streit verdankt seine Karriere jedoch mehr seiner mentalen Härte und seinem Willen als seinem Talent. Ich erinnere mich gut, wie er und Mathias Seger vor und nach jedem Training Extraschichten eingelegt haben. Und wie hart Mark Streit jeden Sommer gearbeitet hat.»

Philadelphia Flyers' Mark Streit, left, of Switzerland, shoves Los Angeles Kings' Dwight King during the first period of an NHL hockey game Friday, Oct. 14, 2016, in Los Angeles. (AP Photo/J ...
Mark Streit hat sich seit längerem in der NHL etabliert.Bild: Jae C. Hong/AP/KEYSTONE

Dieser Weg stehe auch Yannick Rathgeb offen. «Sein Weg in die NHL wird, wie bei Mark Streit, über gute Leistungen in der Nationalmannschaft führen. Sein nächstes Ziel muss es sein, erst einmal einer der wichtigsten Verteidiger im Nationalteam zu werden. Und dann braucht er Glück und jemanden in der NHL, der an ihn glaubt.»

Ein bisschen Small-Talk nach einer 1:8-Schmach. Unterschätzt Larry Huras am Ende den Ernst der Lage in der «Traumfabrik» Gottéron? Er ist in einer delikaten Situation. Beim Titelgewinn in Bern (2010) war er als Trainer der Chef des Schillerfalters Christian Dubé. Nun ist der Christian Dubé als Gottéron-Sportchef der Boss von Larry Huras. Kann das gut gehen? Larry Huras sagt, das sei kein Problem. «Wir verstehen und sehr gut und sind bei der Beurteilung der Spieler und bei den Diskussionen, was wir brauchen um wieder ein Spitzenteam zu werden, meistens gleicher Meinung.» Das Ziel sei es, eine Meistermannschaft aufzubauen.

Sorglos, oder doch nicht?

Was Larry Huras nicht sagt: Er und sein Sportchef sitzen im gleichen Boot. Sie bilden sozusagen eine Schicksalsgemeinschaft. Christian Dubé hat diese Saison schon einmal den Trainer gewechselt (Larry Huras für Gerd Zenhäusern). Wenn er nun erneut den Trainer absetzt, dann könnte der Verwaltungsrat auf den Gedanken kommen, der Sportchef zu hinterfragen.

HC-Lugano-Cheftrainer Doug Shedden im Eishockey Meisterschaftsspiel der National League A zwischen dem SC Bern und dem HC Lugano, am Freitag, 2. Dezember 2016, in der PostFinance-Arena in Bern. (KEYST ...
Doug Shedden sollte nicht an Kent Ruhnke zurückdenken.Bild: KEYSTONE

Wenn sich Larry Huras nach einem 1:8 keine Sorgen macht – ob zu Recht oder nicht, sei dahingestellt - dann müsste Luganos Doug Shedden nach einem 8:1 erst recht sorglos sein. Er sollte es nicht sein. Vorerst bleibt dieses 8:1 ein Muster ohne Wert und selbst ein «Stängeli» ist keine Jobgarantie für den Trainer. Am 25. Oktober 1990 fegte ein kriselnder EV Zug den EHC Olten gleich mit 11:0 vom Eis. Doch Trainer Kent Ruhnke war bei den Spielern ähnlich unbeliebt wie jetzt Doug Shedden in Lugano. Ein paar Tage später wurde Kent Ruhnke gefeuert.

Das ist keine boshafte Nostalgie. Bloss eine kleine Warnung der Hockey-Geschichte.

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Die Stadien der 12 National-League-Klubs
Die PostFinance-Arena des SC Bern.
quelle: keystone / peter schneider
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