Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!
- watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
- Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
- Blick: 3 von 5 Sternchen
- 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen
Du willst nur das Beste? Voilà:
Eishockey ist ein Teil des Unterhaltungsgeschäftes. Ungewollt hat der SCB unserem Hockey in dieser Saison einen grossen Dienst erwiesen. Wir verdanken den Bernern nämlich allerbeste Unterhaltung.
Wer würde sich denn in der Deutschschweiz, im wichtigsten nationalen Hockeymarkt, für einen Kampf um die letzten Playoffplätze zwischen Lausanne, Servette oder Kloten interessieren? Niemand.
Erst mit dem SCB wird dieser Strichkampf ein nationales Hockey-Ereignis. Gewürzt mit den Elementen der Schadenfreude, der Polemik und viel Medienpräsenz – und mit einem Trainerwechsel, der populärsten aller Krisenmassnahmen. Am 18. November ist Guy Boucher abgesetzt und das Banden-Kommando seinem Assistenten Lars Leuenberger übertragen worden.
Noch selten war ein Nottrainer von allem Anfang an so unpopulär. Da Lars Leuenberger (40) schon einmal als Assistent Chef geworden ist (nach der Entlassung von Antti Törmänen) und dann das Amt freiwillig Guy Boucher überlassen hat, gilt er in weitem Kreisen als zu weich und viel zu wenig charismatisch für die Chefposition beim grössten Hockeyunternehmen des Landes.
Allenthalben wird ihm auch vorgehalten, er sei nur erneut zum Chef befördert worden, weil die Familie Leuenberger beim SC Bern so mächtig ist. Sein Bruder Sven, einst Starverteidiger, dann Sportchef, führt heute die Nachwuchsabteilung.
Aber der kleine Mann (172 cm) ist halt doch ein Napoléon. Der Ehegatte der TV-Moderatorin Nicole Berchtold hat die Mannschaft intakt durch eine der heftigsten Krisen der SCB-Geschichte (mit der Rekordserie von sieben Niederlagen) gebracht. Der SCB ist jetzt drauf und dran, unter schwierigsten Bedingungen doch noch die Playoffs zu erreichen.
Aus einer Mannschaft, die wochenlang spielerisch und taktisch so zerrüttet war, dass die Abstiegsrunde und dort ein Kampf um den Ligaerhalt drohte ist inzwischen ein … Titelkandidat geworden. Es mag schräg sein, innert zehn Tagen beim gleichen Team von Abstieg und Titel zu fabulieren – doch so kommen wir der Wahrheit am nächsten.
Der SCB spielte diese Woche erstmals seit bald einem Jahr echtes SCB-Hockey. Dabei spielt die Rückkehr des kanadischen Centers Andrew Ebbett eine wichtige Rolle. Der Kanadier war bereits Anfang Oktober durch eine Knieverletzung ausgefallen. Nun ist er zurück und macht die Mittelachse besser, stabiler.
Die Chemie der einzelnen Linien stimmt, die Spielfreude ist nach fast zwei Jahren zurück. Endlich sehen wir dieses so typische SCB-Hockey mit den rollenden Angriffen aller vier Linien, das durch die Wucht und Dynamik der kräftigen und bisweilen bösen Flügel (Moser, Rüfenacht, Scherwey, Conacher, Berger-Brothers) befeuert wird.
Der SCB hat zu seinem Stil, zu den Wurzeln seines Spiels zurückgefunden. Der böse Geist des sterilen, emotionslosen System-Hockeys ist endlich aus der Kabine und dem Stadion gefahren, das Trauma Guy Boucher überwunden. Die Mannschaft ist wieder dazu in der Lage, die Gegner zu zermürben. Auch die besten Teams der Liga. Wie zuletzt den EV Zug.
So ist der SCB, wenn die Playoffs erreicht werden, ein gefährlicher Aussenseiter im Kampf um … den Titel. Die ZSC Lions, Zug und Servette sind mögliche Viertelfinalgegner. Zug und Servette werden die Berner dann überrollen, die ZSC Lions auf Augenhöhe herausfordern. Die lange Pause – nur noch ein Spiel bis zum 21. Februar – kommt dem SCB entgegen. Blessuren können auskuriert und die Energietanks gefüllt werden.
Wenn ein ungeliebter Trainer unter schwierigen Voraussetzungen und maximalem Druck eine taumelnde Mannschaft nach und nach taktisch wieder ordnet und auf Kurs bringt, sich nicht irritieren lässt, in dieser Zeit nie nach Ausreden sucht und sich der Verantwortung stellt – dann ist er ein grosser Trainer.
Wäre der SCB-Nottrainer ein Nordamerikaner oder ein Skandinavier, dann könnte er um eine Verlängerung des Vertrages bis übernächste Saison verhandeln. Sein segenreiches Wesen und Wirken stünde im Zentrum jeder Analyse. Aber das ist bei Lars Leuenberger nicht der Fall. Im eigenen Land, im eigenen Klub gilt der Prophet nichts.
Lars Leuenberger sagt, er werde nur als Cheftrainer in Bern bleiben. «Es gäbe eine Möglichkeit wieder als Assistent zu arbeiten. Aber daran bin ich nicht interessiert.» Er arbeite schliesslich seit zehn Jahren an seiner Trainerkarriere. So ist es nur konsequent, jetzt auf ein Cheftraineramt zu aspirieren.
Lars Leuenberger also auch nächsteSaison Cheftrainer beim SCB? Das schliessen zurzeit noch alle aus, die etwas zu sagen haben. Aber wenn der SCB die Playoffs erreichen und dort womöglich bis über das Halbfinale hinauskommen sollte, dann wird es sich Marc Lüthi nicht leisten können, den Vertrag seines aktuellen Trainers nicht zu verlängern.
Der SCB-General sollte sich schon mal auf dieses Szenario einstellen, das ihm eine neue Phase der Ratlosigkeit rund um die Trainerposition bescheren wird. Denn sein SCB ist bis auf die Torhüterposition gut genug besetzt, um tatsächlich ins Finale zu kommen und am Ende zu triumphieren. Und eine Steigerung ist bei Jakub Stepanek ja nicht auszuschliessen.