Am Freitag wird Lugano-Besitzerin und -Präsidentin Vicky Mantegazza die Neuheit im Rahmen des Derbys gegen Ambri feierlich verkünden: Stephan Lichtsteiner zieht in den Verwaltungsrat ihres HC Lugano ein.
Da der Verwaltungsrat das oberste Führungsgremium einer Aktiengesellschaft ist, dürfen wir Stephan Lichtsteiner ohne Übertreibung und Pathos als «Fussball-General» bezeichnen.
Auf dem grünen Rasen ist er ja wahrlich ein Titan: Mit 108 eidgenössischen Einsätzen ist er einer von nur vier Schweizern mit 100 oder mehr Länderspielen. Die anderen sind Heinz Hermann (117), Alain Geiger (112) und Stéphane Chapuisat (103).
Das Hockey-Business wird den ehemaligen Captain der Nationalmannschaft allerdings kaum stark beeindrucken. 2011 zahlte Juventus Turin für seine Verpflichtung eine Ablösesumme von zehn Millionen Euro. Das ist mehr Geld, als Ambri während einer ganzen Saison für Löhne ausgibt. Die Investition lohnte sich: Juventus hat mit Stephan Lichtsteiner sieben Titel geholt.
Juve ist in diesem Fall das «Bindeglied» zwischen Fussball und Hockey. Mantegazza ist Anhängerin des legendären italienischen Klubs und hat Lichtsteiner so kennengelernt. Er hat ihr einmal ein Original-Leibchen besorgt.
Der Wechsel vom Fussball ins Eishockey oder umgekehrt ist zwar ungewöhnlich, aber nicht einmalig. Ralph Krueger (62) ist als langjähriger Eishockey-Trainer beim FC Southampton in der wichtigsten Fussball-Liga der Welt geschäftsführender Präsident geworden.
Lichtsteiner bekommt in Lugano allerdings bei weitem nicht eine mit der Rolle von Krueger im englischen Fussball vergleichbare Position. Er wird «nur» Verwaltungsrat ohne Vollmachten im Tagesgeschäft. Seine Bedeutung ist ähnlich wie die des herrlichen Blumenschmuckes vor den wunderbaren Bauernhäusern im Emmental: eine Zierde, ein Zeichen, dass man hablich und vermögend ist, sein Haus in Ordnung hält und weitreichende Beziehungen pflegt.
Zum «Grande Lugano» gehören grosse Namen. Und wer weiss: Vielleicht telefoniert ja Stephan Lichtsteiner mal mit Ralph Krueger. Die beiden können zuerst ganz unverbindlich ihre Erfahrungen im Fussball-Business austauschen.
Und warum sich bei dieser Gelegenheit nicht nach den Zukunftsplänen erkundigen? Krueger ist ja als Trainer soeben in der NHL bei den Buffalo Sabres gefeuert worden. Der eingebürgerte Deutsch-Kanadier möchte weiterhin als Coach tätig sein. Seinen Lebensmittelpunkt hat er nach wie vor in der Schweiz.
Das «Grande Lugano« sollte nicht nur im Verwaltungsrat grosse Namen haben. Es wäre wieder einmal Zeit für einen grossen Namen an der Bande. Die Wartezeit auf den nächsten Titel ist inzwischen einfach zu lang geworden: Letztmals hat Lugano 2006 die Meisterschaft gewonnen.
Dieser grosse Name ist weder der aktuelle Trainer Serge Pelletier noch der aktuell beschäftigungslose Chris McSorley, der emsig das Gerücht streut, er werde nach Lugano zügeln.
Eigentlich sollte sich Vicky Mantegazza an der Bande einen Namen mit der Strahlkraft von Ralph Krueger leisten. Das wäre eine «Achse des Ruhmes»: Ganz oben im Verwaltungsrat Stephan Lichtsteiner und unten an der Bande Ralph Krueger.
Es gibt eine wunderbare italienische Redewendung, die zu Luganos Trainersituation passt: «Meglio vivere un giorno da leone che cent'anni da pecora» – «besser einen Tag leben wie ein Löwe als hundert Jahre wie ein Schaf».
Auf Luganos übertragen: Besser einmal ein richtiger Trainer – ein Löwe – als über die Jahre unzählige Schafe an der Bande. Die letzten wahren Löwen an Luganos Bande waren Larry Huras und Harold Kreis im Frühjahr 2006. Vor 15 Jahren!