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Mehrjahresverträge machen durchaus Sinn. So kann beispielsweise das Jahressalär tiefer gehalten werden. In der NHL, unser aller Vorbild, sind ähnlich langfristige Verträge üblich. Nur hilft uns dieser Vergleich nicht. In der NHL gehören Tauschgeschäfte samt Verträgen zum Alltag. Bei uns gilt hingegen ein Transfer eines Spielers mit weiterlaufendem Vertrag nach wie vor als schwierige Operation.
Warum also die biblische Vertragsdauer bis 2027 mit dem heute 27-jährigen Tristan Scherwey? Sie ist das Resultat der «Genoni-Paranoia», der tiefen Verunsicherung in der SCB-Führungsetage. Wir können, polemisch zugespitzt, sogar von Panik sprechen ohne uns journalistisch zu versündigen.
Leonardo Genoni wird den SCB am Ende der Saison verlassen und künftig für den EV Zug arbeiten. Dieser Wechsel hat eine «Genoni-Paranoia» ausgelöst. Dieser Transfer ist ein Stich ins Herz des SCB-Selbstvertrauens. Auch ins Hockey- und SCB-Herz des charismatischen Managers und SCB-Mitbesitzers Marc Lüthi.
Die «Genoni-Paranoia» war auch der Grund für Marc Lüthis Antrag, die Anzahl Ausländer pro Team von vier auf sechs zu erhöhen. Die «Schnapsidee» ist von den Klubvertretern im Rahmen einer Liga-Versammlung zum Glück abgeschmettert worden. Marc Lüthi wollte mit der Erhöhung des Ausländer-Kontingentes die Möglichkeit schaffen, Leonardo Genoni allenfalls mit einem Ausländer ersetzen zu können. Nun hat sein Sportchef halt Niklas Schlegel geholt. Die Nummer zwei der ZSC Lions.
Zum ersten Mal in der SCB-Geschichte (die 1931 begann) hat mit Leonardo Genoni ein Star- und Kulttorhüter eine SCB-Verlängerungs-Offerte ignoriert, um zur Konkurrenz zu wechseln. Ausgerechnet zum EV Zug. Dort entsteht dank der Anschubfinanzierung durch einen Milliardär eine Hockeyfirma, die in wesentlichen Teilen – Digitalisierung, Scouting, Nachwuchsförderung – den SCB bereits überholt hat. Und im Westen wächst mit Lausanne, auch alimentiert von einem Milliardär, ein weiterer mächtiger Konkurrent heran.
Jahrelang hat der SCB den Hockey-Markt Welschland für sich beansprucht wie einst die Montréal Canadiens die Provinz Quebec vor Einführung des Drafts. Inzwischen wildern in der Westschweiz das steinreiche Lausanne, das aufstrebende Biel und der schlaue Chris McSorley.
Also verlängert der bedrängte und verunsicherte SCB mit seinem Kultstürmer vorzeitig um sieben Jahre. Denn ein Abgang auch noch von Tristan Scherwey würde das Unternehmen in den Grundfesten erschüttern. Es ist eine PR-Meisterleistung und darüber hinaus eine Beruhigungspille für das Publikum und das Management.
Es wäre allerdings verhängnisvoll, wenn diese Beruhigungspille den wachen Verstand von Marc Lüthi einlullen sollte.
Die siebenjährige Prolongation mit dem WM-Silberhelden ist nämlich gegen die gut entwickelte SCB-Leistungskultur. Tristan Scherweys Leistungen werden zwar wegen dieses Rentenvertrages nicht nachlassen. Aber der SCB blockiert die Erneuerungsmöglichkeiten der Mannschaft auf einer wichtigen sportlichen und salärhierarchischen Position auf Jahre hinaus. Und eine Anpassung des Salärs an die Leistungen, wenn Tristan Scherwey in die Jahre kommt.
Es war ja auch keine Kunst, den Vertrag mit Tristan Scherwey in beliebiger Dauer zu prolongieren. Er hatte ohnehin nie vor, den SCB zu verlassen.
Aber wenn Verhandlungen anspruchsvoller sind, kommt Sportchef Alex Chatelain nicht so recht voran. Verteidiger Calle Andersson (24) hat nur um ein Jahr bis 2020 verlängert. Dabei hätte gerade dieser Verteidiger langfristig gebunden werden müssen. Hier hätte sogar ein Siebenjahresvertrag Sinn gemacht. Zumal Verteidiger hockeytechnisch weniger schnell altern als Stürmer. Der Schwede mit Schweizer Lizenz gehört zu den wenigen und auf dem Transfermarkt heiss begehrten konstruktiven Verteidigern. Und der SCB wird mittelfristig mehrere Abwehrspieler altershalber ersetzen müssen.
Der SCB steht vor dem dritten Qualifikationssieg in Serie und hat beste Aussichten, nach 2016 und 2017 schon wieder Meister zu werden. Aber ob dieser ruhmreichen Gegenwart darf Marc Lüthi die Zukunft nicht verpassen.
Der SCB braucht nicht langjährige Verträge mit Stars, die ohnehin nie gehen würden. Der SCB braucht vor allem Investitionen in die Digitalisierung, ins Scouting und in die Förderung junger Spieler – und einen charismatischen Sportchef.