Am Ende steht eine bittere Niederlage. 1:3 gegen den SC Bern. Bereits die dritte Pleite in Serie. Ein Biel, in dem die von Kevin Schläpfer entwickelte Spielkultur noch immer tiefe Wurzeln hat.
Es ist, als sei Kevin Schläpfer immer noch da. Die gleiche Leidenschaft, der gleiche Mut, die gleiche Wucht – und die gleichen Gründe, warum am Ende wieder eine Niederlage steht. Wie in Lausanne (3:6). Wie in Ambri (2:3 n.V). Jonas Hiller hält, was nach menschlichem Ermessen gehalten werden kann. Aber das reichte erneut nicht. Weil aus den vielen Chancen einfach zu wenig herausgeholt wird. Kurzum: Alles ist eigentlich so wie zuletzt auch zu Kevin Schläpfers Zeiten.
Und so bleibt Sportchef Martin Steinegger in der Trainerfrage im Niemandsland der Ratlosigkeit stecken: Soll er Mike McNamara weiterhin im Amt belassen? Ein grosses Risiko geht er bei dieser konservativen Lösung nicht ein. Die Mannschaft spielt ungefähr so weiter wie bisher. Zwar rückt die Abstiegsrunde immer näher. Aber ein Zerfall der sportlichen Kultur samt Abstieg droht nicht, und er muss so kein Geld ausgeben.
Oder sollte er doch einen neuen Trainer holen? Soll er Lars Leuenberger eine Chance geben? Gegen diese Lösung, die kostet, spricht vorerst fehlender «Leidensdruck». Will heissen: eine tiefere Krise. Frage deshalb an Biels Sportchef: Wenn jetzt auch noch die Partie am Dienstag in Langnau gegen die inzwischen punktgleichen Tiger krachend verloren geht, holt er dann einen neuen Trainer, beispielsweise Lars Leuenberger, für den Rest der Saison? Steinegger sagt weder «ja» noch «nein» und lässt alles offen: «Wir stellen kein Ultimatum.»
Mike McNamara, der 67-jährige Haudegen, der in seinem Wesen und Wirken durchaus an eine ergraute Version von Kevin Schläpfer mahnt, geniesst seine Situation. «Für mich geht es ja nicht mehr um einen neuen Vertrag und eine Karriere, ja nicht einmal mehr um Geld. Wenn ich jetzt noch Geld brauche, dann ist es sowieso zu spät für eine gute Altersvorsorge.» Der Spieltag gegen den SCB war der Geburtstag seiner Frau. Und trotzdem war er, wie immer seit er vom Nachwuchschef zum Cheftrainer befördert worden ist, schon morgens um 7 Uhr im Stadion.
Der Kanadier ist einerseits gelassen und andererseits hoch motiviert. «Es ist ja wohl mein letztes Abenteuer», sagt McNamara. Er habe von Kevin Schläpfer eine intakte Mannschaft übernommen und es mache riesig Spass, mit diesen Jungs zu arbeiten. Nach einer langen Reise durch unser Hockey, die Anfang der 80er-Jahre in Villars begonnen hat, ist er nach Fribourg und Lugano in Biel nun zum dritten Mal «Nottrainer» geworden. Mike McNamara kennt solche Situationen.
Wie lange diese wohl letzte Reise des alten Kapitän dauert, kümmert ihn nicht. «Ich mache es, so lange es der Sportchef wünscht. Ich bleibe ja so oder so in Biel und werde nicht mehr zu einem anderen Klub wechseln.» Nächste Saison wird er wieder als Nachwuchschef arbeiten. «Aber vielleicht kommt schon am 11. Dezember der Bescheid, dass nun ein anderer kommt. Das wäre einerseits ein wenig schade aber andererseits für mich auch eine Erleichterung und ein Weihnachtsgeschenk …» So oder so werde er die Weihnachtsfeiertage in Verbier mit seinem besten Freund verbringen. Mit Ambris Trainer Hans Kossmann.
Als Nachfolger ist und bleibt in Biel SCB-Meistertrainer Lars Leuenberger im Gespräch. Er wohnt in Moosseedorf, ja schon fast ein Vorort von Biel. Nach dem Spiel wird Verteidiger Kevin Fey (25) von einem Chronisten über die Befindlichkeiten befragt. Der ehemalige SCB-Junior ist ein ehrlicher junger Mann und steht freundlich Red und Antwort. Rühmt seinen neuen Trainer Mike McNamara. Versucht zu erklären, was sich geändert hat und warum es nicht so einfach ist, auf ein anderes System umzustellen. «Der Trainer setzt auf klare Rollenverteilung.» Er möchte sagen, nun sei alles besser strukturiert und sagt es doch nicht. Weil das dann heisse, unter dem vorherigen Trainer sei alles weniger strukturiert gewesen. «Ich will nichts gegen Kevin Schläpfer sagen. Wir hatten nie ein Problem mit ihm.» Wie es sich gehört, ist Kevin Fey positiv und sieht die Mannschaft auf dem richtigen Weg.
Es ist halt nicht so einfach, wenn ein Trainer gehen musste, den alle mochten, der gar nicht so erfolglos war und der eine Mannschaft, ja ein ganzes Hockeyunternehmen über Jahre geprägt hat.
Am Schluss kann natürlich die Frage nicht ausbleiben, was die Mannschaft eigentlich über die ganze Trainerfrage denke. Ein Chronist fragt, ob Lars Leuenberger in der Kabine ein Thema sei. Kevin Fey sagt, das sei nicht Sache der Spieler, das werde auf einer anderen Ebene entschieden.
Der Chronist insistiert, dass doch mal bei einem Bierchen der Lars sicher ein Thema sei. Oder? «Wir haben es gerne lustig», antwortet Kevin Fey und auf die Frage, ob man es lustig habe, wenn man über Lars Leuenberger als möglichen neuen Chef rede, sagt er: «Nein, nein, nein. Wir machen uns doch nicht über jemanden lustig.»
Es war eine bitterböse Frage und eigentlich ist eine so hinterhältige Befragung eines Spielers nach einer Partie nicht fair. Aber kein Schelm, wer nun denkt, dass in Biel nach so vielen Gerüchten über ein mögliches Engagement von Lars Leuenberger in der Kabine schon mal Sprüche gemacht werden. Das Thema wird uns noch eine Weile vortrefflich unterhalten. Und es ist halt wie es ist: Je länger der Entscheid hinausgezögert wird, desto schwieriger wird es für Lars Leuenberger, falls er überhaupt eine Chance bekommt.
Der SC Bern hat solche Sorgen nicht mehr. Trainerprobleme und -Entlassung – das war gestern, letzte Saison. Der Meister geht unbeirrt seinen Weg. Beim Derby war der Bieler Hockeytempel erstmals seit dem 24. Januar 2016 wieder ausverkauft. Damals siegten die Bieler gegen den SCB 4:3 nach Verlängerung und SCB-General Marc Lüthi hielt seine legendäre Kabinenpredigt – mit dem im Fernsehen übertragenen allerkräftigsten, zornigen Zuschlagen der Kabinentüre.
Seither war Marc Lüthi nur noch einmal in der Kabine des SC Bern: zur Gratulation nach dem Titel. Gestern schritt er nach der Partie zwar auch durch den Kabinengang. Aber nur auf dem Weg nach draussen, um endlich eine Zigarette rauchen zu können.