Ein grosser Auftritt eines grossen Trainers. Langnaus Heinz Ehlers wird nach dem 4:1 gegen die mächtigen ZSC Lions gefragt, ob er zufrieden sei. «Nein», sagt er. «Wir haben zu viele Fehler gemacht. Es war das zweitschlechteste dieser Saison». Er sei schon stolz auf sein Team. Aber mit der Leistung, nein, da könne er nicht zufrieden sein.
Donnerwetter. Das ist wahrlich gelebte Bescheidenheit, echte Demut, vornehme Zurückhaltung. Er wird nun gefragt, warum er denn nicht zufrieden sei. Und er sagt, das zu erklären würde zu weit gehen. «Es sind hockeytechnische Details. Wir haben nicht konstant unser Spiel durchgezogen. Das können nur Mannschaften wie Zürich oder Bern.» Worauf nun jemand entgegnet, sein Langnau stehe aber vor Zürich und Bern. Da muss selbst Heinz Ehlers lachen. «Ja, ja, wenn jemand gesagt hätte, dass wir nach 14 Spielen 27 Punkte haben, dann hätte ich das unterschrieben. Gleich für drei Jahre».
Wobei wir das Stichwort haben: Unterschreiben. Wird Heinz Ehlers in Langnau eine Vertragsverlängerung unterschreiben? Sein Arbeitsverhältnis endet im nächsten Frühjahr.
Solche Fragen mag er ganz und gar nicht. «Darüber», sagt er grantig, «rede ich nicht». Bis Ende Monat möchte Sportchef Marco Bayer prolongieren. Einfach wird es nicht. Billig auch nicht. Heinz Ehlers' Interessenvertreter ist der legendäre NHL-Agent Andy Rufener.
Item, der Auftritt des dänischen Erfolgstrainers unmittelbar nach dem grossen Sieg über den Schweizer Meister zeigt uns eindrücklich eines seiner Erfolgsgeheimnisse. Er ist ein guter Psychologe.
Spielt Langnau schlecht (was diese Saison noch fast nie vorgekommen ist) und die Chronisten erwarten Kritik und Polemik, dann sagt er in der Regel, er habe sehr viel Gutes gesehen und er sei eigentlich zufrieden. Spielt Langnau gut bis überragend (was diese Saison fast immer der Fall ist), dann ist er nicht zufrieden. So wie gestern.
Kein Trainer kann aus wo wenig Substanz so viel machen. Heinz Ehlers ist ein «König Midas des Hockeys». Alles, was er anfasst, wird spielerisches Gold.
Er hat Biel in die NLA gebracht, Lausanne als Liga-Neuling gleich in die Playoffs und mit Langenthal war er NLB-Meister.
Das waren nominell alles «kleine» Hockeyunternehmen. Eine der grossen, unbeantworteten Fragen unseres Eishockeys ist ja: Was könnte Heinz Ehlers mit einem Titanen leisten? Mit einem nominellen Spitzenteam?
Nun, auf diese Frage erhalten wir eine Antwort: Er hat sich nun sozusagen ein Spitzenteam erschaffen. Sein Langnau ist so gut wie nie seit Einführung der Playoffs und steht hinter Biel, aber vor Bern auf dem zweiten Platz. Langnau spielt taktisch wie ein grosser SC Bern – aber viel besser.
Taktisch besser als Kari Jalonens grosser SCB? Es gibt eine ganz nüchterne, unpolemische Masseinheit für die taktische Stabilität. Die Fangquote der Torhüter. Falls es sich nicht um Lottergoalies handelt.
Hinter einer gut organisierten Abwehr sind Goalies besser. Die Fangquoten aus den letzten zwei Partien:
Ganz und gar sachlich dürfen wir sagen: Kari Jalonen muss seine Abwehr dringend wieder justieren. Leonardo Genoni ist ja kein Lottergoalie. Oder?
Und inzwischen müssen wir uns auch vom lieb gewordenen Vorurteil trennen: Heinz Ehlers lasse «Betonhockey» spielen.
Die Langnauer haben 43 Tore erzielt, am zweitmeisten und drei mehr als der SCB. Obwohl sie keinen einzigen Schweizer Stürmer haben, der je in einem Länderspiel einen Treffer erzielt hat, und der SCB mit Simon Moser, Tristan Scherwey und Gaëtan Haas gleich drei aktuelle offensive WM-Silberhelden im Sturm hat. Ist am Ende Kari Jalonen ein «Betonmischer»?
Die Eishockeywelt ist im Bernbiet aus den Fugen geraten. Am Freitag kommt Schlusslicht Rapperswil-Jona nach Bern und am Samstag kann der SCB in Biel die Dinge wieder ins Lot bringen. Das ist gut und heikel zugleich für Kari Jalonen.
Langnau bekommt am Freitag in Ambri und am Samstag gegen Davos die Möglichkeit, seine Spitzenposition zu behaupten. Das ist gut und heikel zugleich für Heinz Ehlers.
Die Erklärung, warum Langnau funktioniert, ist gar nicht so schwierig. Das System ist in Langnau wahrhaftig grösser als der Einzelspieler. «Hockey-Sozialismus» in höchster Vollendung.
Erstaunlich, wie Heinz Ehlers seine fünf ausländischen Stürmer (Harri Pesonen, Eero Elo, Aaron Gagnon, Mikael Johansson, Chris DiDomenico) managt. Einer muss immer zuschauen und keiner ist unzufrieden. Nur zwei sind gesetzt und haben bisher alle Partien bestritten: Topskorer und Zauberkünstler Harri Pesonen und der leidenschaftliche Vorkämpfer Chris DiDomenico.
Eigentlich sind so gute Stürmer immer Egoisten. Aber nicht unter Heinz Ehlers. Gegen die ZSC Lions haben sie gestern ein schier unfassbares Beispiel von Mannschaftsgeist vorgelebt.
Die ZSC Lions nehmen beim Stande von 1:3 den Torhüter vom Eis. Harri Pesonen und Chris DiDomenico entwischen und haben vor sich das leere Tor und keinen Gegenspieler. Aber keiner mag so egoistisch sein und jetzt vollenden. Also spielt DiDomenico die Scheibe noch einmal ab – und Pesonen, inzwischen vom zurückgeeilten Kevin Klein gestört, vergibt. Erst im nächsten Spielzug wird DiDomenico doch noch zum 4:1 treffen. Vor dem leeren Tor noch den vermeintlich besser postierten Kameraden suchen – mehr Hockey-Sozialismus geht nicht.
Hätte der Kanadier in dieser Situation die Scheibe nicht zu seinem finnischen Kollegen gespielt, wäre er wohl von Heinz Ehlers wegen eigensinniger Spielweise zusammengefaltet worden.