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Thomas Rüfenacht (31) war schon immer ein Spezialist für ganz besondere Fälle. Am Dienstag hat er für den SC Bern die zweite Finalpartie mit dem einzigen Treffer (1:0) entschieden und die Finalserie ausgeglichen. Ein Mann für wichtige, für ganz besondere Tore.
Aber auch ein Mann für ganz schwierige Fälle. Am 13. April 2009 geht es in Biel im 7. Spiel in der Liga-Qualifikation um alles: Biel droht der sofortige Wiederabstieg. Sportchef Kevin Schläpfer hat Trainer Heinz Ehlers in der Not gefeuert und steht selber an der Bande. Lausanne hat Hans Kossmann als zusätzlichen Trainer engagiert.
Eine ganz besondere taktische Massnahme soll die Entscheidung für Lausanne bringen. Thomas Rüfenacht ist eigentlich verletzt. Also «opfert» ihn Hans Kossmann für einen einzigen Einsatz: Thomas Rüfenacht soll gleich beim ersten Bully Biels Topskorer Thomas Nüssli in eine Schlägerei verwickeln und dafür zu sorgen, dass beide eine Matchstrafe kassieren. Das gelingt. Nach einer wüsten Prügelei gleich beim ersten Anspiel müssen beide unter die Dusche. Aber die Rechnung geht nicht auf. Biel gewinnt auch ohne seinen Topskorer 5:1, bleibt oben und Lausanne wird erst 2013 in die NLA aufsteigen.
Thomas Rüfenacht kann also beides: Tore bei ultimativer Belastung erzielen oder einen taktischen Auftrag seines Trainers ausführen. Ein Spiel entscheiden oder seinen Gegenspielern «unter die Haut» gehen. Er ist einer der schlimmsten verbalen Provokateure der Liga. Aber er kann auch den Mund halten. Berns Mann für alle Fälle ist so etwas wie die Schweizer Antwort auf Claude Lemieux, einst der ultimative Playoff-Spieler der NHL.
So oder so: Thomas Rüfenacht ist ein wilder Junge mit gesundem Selbstvertrauen. Diese Geschichte ist verbürgt: Er ist 16 und spielt im Schulteam. In der gegnerischen Mannschaft steht einer, der als kommender Superstar gilt, sich auch entsprechend aufführt und provokativ ein teures goldenes Halskettchen trägt. Im Laufe des Spiels kommt es prompt zu einem Gerangel und Rüfenacht versucht dem Gegenspieler den Halsschmuck zu entreissen. Die zwei kräftigsten und bösesten gegnerischen Spieler verhindern es. Der 14-jährige Schulbub hat schon Bodyguards. Er heisst Sidney Crosby.
Inzwischen verdient Sidney Crosby rund 12 Millionen Franken pro Saison. Thomas Rüfenacht wird während seiner ganzen Karriere nicht so viel Geld verdienen. Aber er hat seinen Weg auch gemacht. 2014 spielte er für die Schweiz bei der WM und am Dienstag hat er im zweiten Finalspiel den einzigen Treffer (1:0 für den SCB) erzielt. Nicht oft jubelt ein Spieler so leidenschaftlich. «Ich habe eben für mein ganzes Team gejubelt … »
Seine Karriere ist typisch für nordamerikanische Kids, die es nicht einmal in eine der drei grossen nordamerikanischen Ligen schaffen (WHL, OHL, QMHL) und dann sozusagen auf dem zweiten Bildungsweg in der Schweiz doch noch eine Profikarriere machen.
Eigentlich ist Thomas Rüfenacht Luzerner. Er ist in Luzern geboren. Aber dann bekommt sein Vater den Auftrag, für eine Schweizer Firma eine Filiale in den USA aufzubauen. Und so zieht die Familie mit dem sechs Monate alten Thomas nach Nordamerika. Geplant sind fünf Jahre. Daraus ist ein Leben in den USA geworden. Vater Rüfenacht betreibt inzwischen eine gute Autostunde ausserhalb von Pittsburgh eine eigene Firma. Sein Bub Thomas spricht zwar nach wie vor fast akzentfrei Schweizerdeutsch. Aber er ist in seinem Wesen und Wirken ein Nordamerikaner geblieben. Und deshalb hat er es geschafft.
Aller Anfang ist schwer. Er hat keinerlei Aussichten auf eine Karriere im nordamerikanischen Profihockey. Auch Verletzungen haben ihn zurückgeworfen. Aber er kennt die Familie von Andy Murray (der als Aufstiegstrainer von 1987 sozusagen zur Geschichte des EV Zug gehört): «Ich war schon mehrmals in der Schweiz gewesen. Aber ich wusste gar nicht, dass es in der Schweiz möglich ist, Profihockey zu spielen. Ich konnte mir das irgendwie gar nicht vorstellen. Erst Andy Murray hat mich auf diese Chance aufmerksam gemacht.»
Der Spieleagent Gérald Métroz bringt ihn in die Schweiz und später wird er zu Daniel Giger wechseln. Er beginnt seine Tour de Suisse im Sommer 2003 bei den Elite-Junioren der SCL Tigers. Dort lernt er auch seine heutige Frau kennen. Über Schnuppereinsätze in der NLA kommt er nicht hinaus und wird in Langnau als nicht für die NLA tauglich taxiert. Aber Leidenschaft, Härte du Mut setzten sich immer durch.
Im Sommer 2009 ist er beim EV Zug und Doug Shedden in der NLA angelangt und seither verbindet ihn mit dem Kanadier eine Freundschaft, die beide oft auf dem Golfplatz führt. Doch in Zug kommt er trotzdem nicht über die Rolle eines rauen Rollenspielers hinaus. Im zweiten und dritten Jahr ist er in Zug NLA-Strafenkönig. Aber er schafft nicht einmal 20 Skorerpunkte. Erst der Wechsel nach Lugano bringt die Wende (2012). Weil mehrere Stammspieler ausfallen wird er von Larry Huras in der ersten Linie und im Powerplay eingesetzt. Er verdoppelt seine Torproduktion auf 14 Treffer. Im Frühjahr 2014 folgt die Berufung ins WM-Team.
In Bern ist er inzwischen im Herbst 2014 am Ort seiner Bestimmung angelangt. Er hat sich spielerisch enorm entwickelt und seine Bissigkeit dabei nicht verloren. Die Mitspieler mögen Thomas Rüfenacht, weil er unkompliziert ist, gute Stimmung verbreite, Selbstironie hat und eben jene Leichtigkeit des Seins, dieses «Lebe den Tag, packe deine Chance» vorlebt, die uns Schweizer ja nicht immer leichtfällt. Seine Bedeutung für die Chemie im Team kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Wir gehen davon aus, dass er in dieser Finalserie gegen Lugano «nur» zum Toreschiessen gebraucht wird. Er war in dieser Finalserie noch nicht «böse»: Bisher hat er ein Tor und zwei Zweiminutenstrafen in der Finalstatistik. Aber man weiss ja nie.