Er war der letzte helmlose Schiedsrichter unseres Hockeys, pfiff bei Olympischen Spielen (1988 in Calgary) und beendete seine Laufbahn 1990 nach der WM in Bern. Er managte den SCB 1992 zum Titelgewinn und schwarzen Zahlen, entwickelte mit einer eigenen Firma die elektronischen Einlasskontroll-Systeme ehe er das Unternehmen an einen Investor verkaufte und sich einen Bubentraum erfüllte: eine Weinhandlung (Weinhaus Kirchberg), die er noch heute zusammen mit seiner Frau Rita führt.
Das er etwas vom Geschäft versteht, mag eine verbürgte Anekdote zeigen: Als der SC Bern 1998 in die Nachlassstundung ging, musste auch Willi Vögtlin als Lieferant des Ticket-Systems eine hohe fünfstellige Summe abschreiben. Er holte dieses Geld wieder herein: Fortan verrechnete er halt höhere Preise für das Ticket-Papier, das nur bei ihm erhältlich war.
Sichtbar wird Willi Vögtlin fürs Publikum eigentlich nur, wenn er jeweils während des Playoff-Finals vor jeder Partie vorsichtig übers Eis tapst, um den Pokal in der Mitte aufzustellen. Nur ja nicht mit dem «Chübel» auf dem Glatteis ausrutschen! Der Baselbieter ist während der Playoffs für die meisterliche Trophäe verantwortlich.
Nun ist er in Zeiten der Spielverschiebungen in die Rolle des wichtigsten Funktionärs gerutscht. Willi Vögtlin erstellt ja nicht nur die Spielpläne. Er ist auch für alle Verschiebungen in den beiden höchsten Ligen und bei den Elite-Junioren (U 20) verantwortlich. Gestern mussten auf Geheiss der Kantonsärzte gleich fünf NL-Partien verschoben werden: Gottéron gegen Biel, Lausanne und Servette sowie Lugano gegen Biel und den SC Bern.
🇫🇷 Quatre joueurs de Fribourg-Gottéron ont été testés positifs au Covid-19 ce mardi. En conséquence, dès à présent, le groupe au complet est mis en quarantaine
— Fribourg-Gottéron (@FrGotteron) October 14, 2020
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🇩🇪 Vier Spieler von Fribourg-Gottéron wurden am Dienstag positiv auf Covid-19 getestet.
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Nun kommt Willi Vögtlin zugute, dass er schon vor gut zehn Jahren ins Reglement hat schreiben lassen, dass sich der Gastclub fügen muss, wenn der Heimclub ein Verschiebedatum gefunden hat. Wenn also Willi Vögtlin beispielsweise mit Marc Lüthi einen neuen Termin für die Partie gegen Lugano gefunden hat, dann muss Lugano anreisen. Punkt.
Wie läuft eine Spielverschiebung nun in der Praxis ab? Eine Spielverschiebung ist offiziell, wenn sie von Liga-Direktor Denis Vaucher oder dem fürs Rechtswesen zuständigen Philipp Bohnenblust angeordnet wird. Die Meldungen der Kantonsärzte laufen bei diesen beiden Verbands-Angestellten ein, die auch die Funktion als «Covid-Verantwortliche» einnehmen und die offiziellen Ansprechpersonen für alle Angelegenheiten zu diesem Thema sind.
Am gestrigen Mittwoch musste Willi Vögtlin seine Tätigkeit in der Weinhandlung im bernischen Kirchberg einstellen. «Es stimmt, ich habe nichts verkauft. Zum Glück hat sich meine Frau ums Geschäft gekümmert.» Es galt ja, gleich fünf Spielverschiebungen zu bearbeiten. Zum ersten Mal habe er um 07.45 Uhr das Hosentelefon abgenommen, um 22.45 Uhr das letzte. Ein neues Datum für die fünf abgesagten Partien hat er trotz einem 15-Stunden-Tag und mehr als 25 Telefonaten noch nicht gefunden.
Wie hilflos das Hockey nun den Behörden ausgeliefert ist, zeigt das Reglement. Die Klubs der beiden höchsten Ligen hatten sich in kluger Voraussicht im Hinblick auf die Covid-Probleme darauf geeinigt, dass eine Partie gespielt werden muss, wenn zwölf Feldspieler plus ein Torhüter eingesetzt werden können. Diese Regelung wird obsolet, wenn die Kantonsärzte Quarantäne fürs ganze Team anordnen wie im Fall von Gottéron und Lugano.
Die Entschädigung für das Erstellen der Spielpläne bei den Elitejunioren, der Swiss League, der National League, die Organisation des Cups und das Management aller Spielverschiebungen entspricht lohntechnisch einer 70 Prozent-Stelle. Frage an Willi Vögtlin: Verdienen Sie weniger als das im Verbands-Geschäftsbericht ausgewiesene Honorar von Präsident Michael Rindlisbacher in der Höhe von 85'200 Franken?
Er windet sich und will nicht antworten. Ich solle mich mit solchen Fragen bitte an Verbands-Kommunikationschefin Manuela Hess wenden. Er bekomme intern sonst wieder eins aufs Dach. Auf den Hinweis, er solle doch kein Frosch sein, man kenne sich doch seit mehr als 30 Jahren, die Bezüge seines Präsidenten seien ja öffentlich, da könne er doch auch über seine Entschädigung reden und eine neugierige Leserschaft interessiere sich halt immer für Geldfragen, murmelt er schliesslich mehr als er sagt: «In Gottes Namen halt: Ja.» Und lässt sich schliesslich sogar noch etwas unwirsch die Bemerkung entlocken, es sei sogar erheblich weniger.
Ohne sich dem Verdacht der Polemik auszusetzen, dürfen wir also sagen: Willi Vögtlin ist wahrscheinlich der Verbandsprofi mit dem günstigsten Preis/Leistungsverhältnis. Hockey ist eben seine Leidenschaft und er wäre eigentlich auch ein guter Verbandspräsident geworden.