Olten ist Hockey-Town. Der EHC Olten ist einer der traditionsreichsten Klubs im Land. 1970 sind die Oltner in die NLB aufgestiegen und seither haben sie sich in der zweithöchsten und höchsten Spielklasse gehalten. Eine so lange ununterbrochene Präsenz in den beiden besten Ligen haben nicht einmal der HC Davos, Gottéron, Langnau, Visp, Servette, Lausanne, Ajoie, Langenthal, Zug oder die Lakers geschafft. Sie alle mussten seit 1970 zwischendurch eine Ehrenrunde in der 1. Liga machen.
Aber ausser Gottéron haben alle vorgenannten Klubs seit 1988 mindestens einmal und einige sogar mehrmals die Meisterschaft in der zweithöchsten oder höchsten Liga gewonnen. Olten war 1988 mit Trainer Kent Ruhnke und Victor Müller, dem Vater von Ambris Marco Müller, nach einem Halbfinal-Triumph über Rapperswil und einem Finalsieg gegen Ajoie B-Meister. Seither ist dem Klub die meisterliche Ehre versagt geblieben.
Es will und will und will und will einfach nicht gelingen. Ja, das Scheitern und das Pech der Oltner hat inzwischen längst Kultcharakter. Wir dürfen Olten als den besten Klub rühmen, der nichts mehr zu gewinnen vermag.
Nun droht schon wieder, wie im Vorjahr, das Scheitern ausgerechnet gegen den Lokalrivalen Langenthal, dem die Titel nur so ins Haus schneien (Meister 2012, 2017 und 2019). Dabei hat Oltens Sportchef Marc Grieder doch alles richtig gemacht. Von den Lakers verpflichtete er den Aufstiegsleitwolf Dion Knelsen und der rockt ja diese Playoffs gegen Langenthal mit 6 Punkten aus vier Spielen.
Langenthal hat er Verteidigungsminister Philippe Rytz ausgespannt und so dafür gesorgt, dass die Mannschaft vorne und hinten besser geworden ist. Nach Jahren der taktischen Irrungen und Wirrungen sorgt der schwedische Cheftrainer Fredrik Söderström für taktische Ordnung und gepflegtes Hockey. Den Frieden in der Kabine hat der Sportchef durch die Verbannung des launischen Schillerfalters Marco Truttmann auch gewahrt (er stürmt jetzt für Kloten). Wahrlich, mehr ist dem Menschen nicht möglich.
Und nun droht das Scheitern gegen Langenthal. Gegen den Titelverteidiger, der doch vom Transferwind verweht worden ist. Der in der Qualifikation drei der vier Direktbegegnungen verloren hat. Okay, das erste (4:5 n.V.) und zweite Spiel (3:4 n.V) sind in diesem Viertelfinale verloren gegangen. Kann ja passieren. Aber das waren eigentlich bloss Betriebsunfälle. In der dritten Partie ist die Ordnung in der mittelländischen Hockeywelt mit einem 7:0 (!) wiederhergestellt worden.
Und nun 1:4 in Langenthal. Statt in dieser Viertelfinalserie wie allseits erwartet auszugleichen, sind die Oltner nun 1:3-Rückstand geraten und nur noch eine Niederlage vom neuerlichen Scheitern entfernt. Wie ist das möglich?
Langenthals Sportchef Kevin Schläpfer ist halt ein Schlaumeier. Die Aktion «100'000 Franken Salär sind genug» hat es ihm zwar verunmöglicht, das Meisterteam zusammenzuhalten. Aber Meistergoalie Philip Wüthrich ist geblieben und für die Playoffs ist es ihm gelungen, aus Bern und Langnau die verkannten Talente weiterhin leihweise zu übernehmen. Die kosten ihn lediglich ein «Vergelt’s Gott».
Eigentlich sind an Oltens Drama ja der inzwischen gefeuerte SCB-Trainer Kari Jalonen und Langnaus Bandengeneral Heinz Ehlers schuld. Beide würden jungen Spielern nicht einmal unter Androhung von Waffengewalt eine faire Chance geben. Also müssen Langnaus und Berns ungeliebte Hockeykinder wie Verdingbuben auswärts ihr Glück suchen: Verteidiger Mika Henauer (19) und Langnaus Alain Bircher (22) sind so Verdingbuben, die in der Fremde dienen. Aber der Beste und Charismatischste ist Langnaus Stefan Rüegsegger (21). Bei ihm passt das Bild vom Verdingbuben erst recht: Sein Vater Hans-Jörg ist Bauer in der voralpinen Hügelzone, SVP-Grossrat und Präsident des bernischen Bauernverbandes.
Urchiger und geerdeter in der bernischen Scholle geht nicht. Stefan Rüegsegger würde zu den SCL Tigers passen wie Christian Stucki in eine Zwilchhose. Aber er findet bei Heinz Ehlers einfach keine Gnade. Langnaus Trainer hat ihn zwar bei 37 Partien aufs Matchblatt genommen. Aber ihm nur durchschnittlich 6:25 Minuten Eiszeit zugestanden. Das ist das Betteln versäumt. Oder – um in der Bauernsprache zu bleiben – bloss die Katze auf dem Stall-Bänkli mit dem Strohhalm geneckt.
Also ist er jetzt Vorzeige-Hockey-Verdingbub beim SC Langenthal. Wo er überaus beliebt ist. Allenthalben wird gerühmt, wie gut er sich integriere. «Ä flotte Cheib» wie man im Bernbiet so sagt und viele hoffen schon, er könnte dereinst die Nachfolge von Kult-Captain Stefan Tschannen (35) antreten.
Am Mittwochabend ist Stefan Rüegsegger wie ein Strafgericht über die Oltner gekommen. Der kräftige Powerflügel (188 Zentimeter/91 Kilo) mag ein bisschen zu langsam und zu «gschtabig» sein für die höchste Liga. Sicher ist das allerdings nicht. Man hat ihm ja noch nie eine echte Chance gegeben. Aber sicherlich ist er bei weitem «tifig» (= flink, schnell) genug für die Swiss League.
Stefan Rüegsegger hat Olten in dieser vierten Viertelfinalpartie «zerstört». Er bucht die beiden ersten Treffer zum 1:0 und zum 2:0. Der zweite trifft die Oltner ins Herz. Sie sind bei einem fliegenden Wechsel nicht ganz bei der Sache und lassen die rechte Seite offen. Stefan Rüegsegger nützt die freie Bahn, walzt auf der Aussenbahn nach vorne und kommt über die Oltner wie ein Hagelsturm. Der Puck fährt Silas Matthys ins Netz wie ein wütender Muni in den Asthaufen. Ein Tor wie Blitz und Donner, das sich letztlich als der statistische Siegestreffer erweisen wird.
Was wäre Langenthal ohne seine Hockey-Verdingbuben? Mit ziemlicher Sicherheit «Kanonenfutter» für die Oltner.
Vielleicht ist Kevin Schläpfer einfach ein Glückskind. Wegen des rigorosen Sparprogrammes hatte er auch kein Geld für einen teuren Trainer. Also entschied er sich für eine Billiglösung: er machte einfach den letztjährigen Assistenten Jeff Campbell zum Trainer, der zuvor Langenthal auch jahrelang als Ausländer gedient hatte.
Jeff Campbell ist längst die Trainer-Entdeckung der Saison. Der charismatische Kanadier hat nicht nur seine Jungs nach dem 0:7 im dritten Spiel sogleich wiederaufgerichtet. Er hat letzte Saison als Zauberlehrling und Assistent auch seine Lektion beim taktischen Hexenmeister Per Hanberg (jetzt Trainer in Kloten) gelernt.
Seiner Mannschaft ist beim 4:1 gegen Olten eine taktische Meisterleistung gelungen. So viel taktische Disziplin und Schlauheit ist selbst in der höchsten Liga selten zu sehen: die nominell besseren Oltner konnten sausen und brausen wie sie wollten – sie blieben spätestens in der neutralen Zone hängen. Wenn sie doch durchkamen, dann scheiterten sie an Meistergoalie Philip Wüthrich (22). Auch so ein Verdingbub, den der SCB den Langenthalern diese Saison leihweise überlassen hat.
Wir können diese ganze Geschichte auch auf einen Nenner bringen: Sag mir, wer den besseren Torhüter hat und ich sage Dir, wer eine Playoff-Serie gewinnt. Langenthal hat mit dem künftigen SCB-Goalie Philip Wüthrich den besseren letzten Mann.
Olten muss am Freitag einen Weg finden, Langenthals Hockey-Verdingbuben aufzuhalten und Philip Wüthrich zu überwinden. Sonst droht im Ringen um einen Meisterpokal das Scheitern. Wie 1988/89, 1989/90, 1990/91, 1991/92, 1992/93, 1993/94, 1994/95, 1995/96, 1996/97, 1997/98, 1998/99, 1999/00, 2000/01, 2001/02, 2002/03, 2003/04, 2004/05, 2005/06, 2006/07, 2007/08, 2008/09, 2009/10, 2010/11, 2011/12, 2012/13, 2013/14, 2014/15, 2015/16, 2016/17, 2017/18, 2018/19.
Noch Fragen?
Im Ernst: Wer nimmt sich eine Maus zum Maskottchen und nennt sie Powermaus?
Es gibt nur eine Lösung. Reisst der Maus die Rübe ab und dann ohne affiges Maskottchen auf zu neuen Ufern.
Jalonen wie Ehlers haben dem kurzfristigen Erfolg zuliebe ihre Mannschaften auf Verschleiss gefahren. Topspieler wie Arcobello und Didomenico haben mit den Füssen abgestimmt. Junge Spieler versuchen es gar nicht bei diesen Klubs.
Nur der SCB kann sich so ein Verhalten leisten. Die Tigers nicht.