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Eismeister Zaugg

Der SC Bern hat ein Problem – der Trainer ist zu gut und «unentlassbar»

Head Coach Kari Jalonen beobachtet seine Spieler beim Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem SC Bern und den SC Rapperswil-Jona Lakers, am Freitag, 13. September 2019 in der Po ...
Kari Jalonen – er ist nicht für die Krise des SC Bern verantwortlich.Bild: KEYSTONE
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Der SC Bern hat ein Problem – der Trainer ist zu gut und «unentlassbar»

29.09.2019, 05:5329.09.2019, 12:43
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Der SC Bern verliert zum ersten Mal unter Kari Jalonen fünfmal in Serie. Die Niederlage in Zug (2:5) zeigt: Der SCB hat ein Ausländer- und ein Torhüterproblem. Aber kein Trainerproblem. Ja, bei einem Trainerwechsel könnte der SCB in den sportlichen Abgrund stürzen.

Krise? Das Wort spricht beim SCB keiner aus. Simon Moser, ein Captain ohne Fehl und Tadel, bezeichnet die aktuelle Situation als «Zwischentief».

Die weiteren Erklärungen der SCB-Spieler folgen der Krisenkommunikations-Betriebsanleitung: Man müsse in den Spiegel schauen, jeder müsse mehr leisten und so weiter und so fort. So zu reden wird heute jedem schon im Juniorenalter im Medientraining beigebracht.

Der SCB steckt nicht in einer klassischen Krise, die schliesslich in der Trainerentlassung gipfelt. In anderen Jahren und mit anderem Personal wäre der Trainer in Bern nach fünf Niederlagen de suite und rückläufigen Zuschauerzahlen ein Thema. Doch jetzt nicht. Kari Jalonens Position ist sogar gefestigter denn je. Das SCB-Schicksal ist nämlich jetzt erst recht mit dem finnischen Bandengeneral verknüpft: Er holt nach wie vor eigentlich zu viel aus dieser Mannschaft heraus.

Die taktische «Schablonisierung» ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass der SCB mit diesem Personal nur noch mit Kari Jalonen erfolgreich sein kann. Dank seinem Trainer spielte der SCB letzte Saison weit über seinem spielerischen Nominal-Wert. Der Trainer ist zu gut – und damit «unentlassbar». Mit anderem sportlichen Führungspersonal an der Bande könnte der SCB die Playoffs jetzt schon vergessen.

Wenn es nicht am Trainer liegt, woran dann? Der SCB hat zwei Probleme. Beide können zügig und in einem Arbeitsgang gelöst werden.

Problem Nummer eins sind die Torhüter. Immer mehr zeigt sich: Niklas Schlegel und Pascal Caminada sind gute Schönwetter-Goalies. Will heissen: Scheint die Sonne in der SCB-Abwehr, sind beide warm, regnet es in der SCB-Abwehr sind beide sofort nass. Sie sind nicht gut genug, um das Wetter in der SCB-Abwehr zu ändern. Dazu sind nur grosse Goalies in der Lage.

Berns Goalie Niklas Schlegel schaut in die Halle beim Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem SC Bern und den SC Rapperswil-Jona Lakers, am Freitag, 13. September 2019 in der Po ...
Niklas Schlegel (im Bild), zusammen mit Pascal Caminada, performen nur bei Hochform der SCB-Abwehr.Bild: KEYSTONE

Die Partie in Zug war für den SCB das erste grosse Spiel in dieser Saison. Erstens, um im Hinblick auf die Playoffs Präsenz gegen den grossen Herausforderer in dessen Stadion zu markieren. Niederlagen in Genf oder Lugano oder gegen Lausanne vermögen das SCB-Selbstvertrauen vorerst wenig zu erschüttern. Was im Herbst am meisten zählt ist das «Massnehmen» mit dem meistgenannten Titelfavoriten.

Zweitens, um die fünfte Niederlage in Serie und ein Aufkommen von noch grösserer Unruhe im Büro von SCB-Manager Marc Lüthi zu vermeiden.

Die Partie gegen den SCB war auch für Zug die bisher wichtigste Partie. Niederlagen in Rapperswil-Jona oder Langnau interessieren bei einem Titelfavoriten vorerst nicht. Was zählt, ist ein Erfolg über den SC Bern. Denn jeder Sieg mildert das SCB-Trauma. Die Zuger haben in drei Jahren zweimal gegen den SCB den Final verloren. Berns Pech: Leonardo Genoni beschliesst, dem SCB den Meister zu zeigen. Er ist bis zur Entscheidung (4:0) überragend und zelebriert seine bisher beste Partie für Zug.

So sind sie, die grossen Goalies. Sie sind da, wenn es zählt. Was sind ein paar Lotter-Tore gegen Langnau oder Lausanne gegen einen Sieg über den Meister? Nichts. Eben.

Die Highlights gegen den EV Zug

Leonardo Genoni sorgt mit seiner Sicherheit und Ausstrahlung dafür, dass die Zuger an den Sieg glauben. Das ist das «Genoni-Doping». Zum ersten Mal haben wir in Zug den wahren Leonardo Genoni gesehen. Zum 1:0 gibt er sogar den zweiten Assist und ist damit offensiv besser als SCB-Topskorer Mark Arcobello.

Mit einem Torhüter wie Leonardo Genoni hätte der SCB diese Partie wahrscheinlich gewonnen oder zumindest nur knapp verloren.

Der SCB zeigt, abgesehen von einer gewissen Nervosität und einem Hang zum «Übereifer» (in dieser Situation logisch), keine klassischen Krisensymptome. Das Spiel ist gut strukturiert und von fehlender Einstellung, Kampfkraft, Härte und Leidenschaft kann keine Rede sein. Wenn Trainer Kari Jalonen nach dem Spiel sagt, er sei mit der Einstellung, dem kämpferischen Engagement seiner Spieler zufrieden, dann hat er recht: in einem hochstehenden, intensiven Spiel haben wir einen grossen SCB mit einem kleinen Torhüter gesehen. Und ein grosses Zug mit einem grossen Torhüter.

Mit Pascal Caminada war es unmöglich, dieses Spiel zu gewinnen. Seine Fangquote liegt bei miserablen 79,17 Prozent. Zwei der ersten vier Tore hätte ein grosser Goalie verhindert.

Berns Miika Koivisto, fotografiert waehrend dem ersten offiziellen Eistraining der Saison 2019/20, am Montag, 5. August 2019, in der Postfinance Arena in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Miika Koivisto – derzeit eine Nullnummer.Bild: KEYSTONE

Problem Nummer zwei ist Miika Koivisto (29). Der finnische Verteidiger ist für unsere Lauf- und Tempo-Liga unbrauchbar – was für das Niveau unserer Meisterschaft spricht. Nach sieben Partien hat er die schlechteste Plus-Minus-Bilanz des ganzen Teams (minus 5!) und eine statistische Brille (kein Skorerpunkt). Eine Nullnummer.

Aber Miika Koivisto ist zugleich die Lösung des Torhüter- und Ausländerproblems: der SCB kann es sich leisten, diesen spielerischen «Nonvaleur» durch einen ausländischen Torhüter zu ersetzen. Bei den ZSC Lions trainiert der finnische Nationalgoalie Joni Ortio (28), dem sein letztjähriger KHL-Klub trotz einer starken letzten Saison im letzten Moment doch keinen neuen Vertrag gegeben hat.

Kari Jalonen ist ein guter Bekannter der Familie Ortio. Aber er hütet sich, irgendwelche Spekulationen anzuheizen wie der Teufel vor dem Sprung ins Weiwasser-Bassin. Wohlwissend, dass jedes Wort in diese Richtung das Selbstvertrauen von Niklas Schlegel und Pascal Caminada «zerstören» würde. Und so antwortet er zur Frage, ob ein ausländischer Goalie eine Option sei: daran habe er noch nicht einmal gedacht.

Von ZSC-Sportchef Sven Leuenberger kommt guter Bescheid. Er sagt, Joni Ortio sei fit, aber er brauche natürlich Spielpraxis. Er darf mit den ZSC Lions trainieren, bis er einen neuen Arbeitgeber findet.

Ein Blick zurück auf die zwei letzten SCB-Krisen zeigt uns, dass die Lösung «ausländischer Goalie» Sinn machen kann.

ARCHIVBILD ZUR VERTRAGSVERLAENGERUNG ZWISCHEN DEN SCL TIGERS UND HEAD COACH HEINZ EHLERS, AM DIENSTAG, 20. NOVEMBER 2018 ---- L'entraineur de Langnau Heinz Ehlers lors du match du championnat sui ...
Auch er kann Krise: Heinz Ehlers von den SCL Tigers.Bild: KEYSTONE

In der Saison 2013/14 wird Meistertrainer Antti Törmänen gefeuert und durch den kuriosen kanadischen Schablonen-Trainer Guy Boucher ersetzt, der Kari Jalonen nicht einmal die Schlittschuhe binden könnte. Der SCB verpasst als Titelverteidiger die Playoffs und kommt ein Jahr später nicht über die Viertelfinals hinaus. Der Trainerwechsel hat nichts bewirkt.

Im Laufe der Saison 2015/16 wird der SCB von Guy Boucher erlöst. Lars Leuenberger übernimmt, schafft gerade noch die Playoffs und wird Meister. Ein neuer Torhüter hat ebenso grossen Anteil an der Wende wie der Trainerwechsel: der tschechische Nationalgoalie Jakub Stepanek ersetzt den verletzten Marco Bührer.

Miika Koivisto auf die Tribüne, ein ausländischer Goalie ins Tor. So einfach wäre es.

Die Frage vor diesem Wochenende war: Können Kari Jalonen und Heinz Ehlers Krise? Nun wissen wir die Antwort: Ja, sie können Krise. Aber kann SCB-Sportchef Alex Chatelain Krise?

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54 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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And1
29.09.2019 07:50registriert Februar 2018
„Mit anderem sportlichen Führungspersonal an der Bande könnte der SCB die Playoffs jetzt schon vergessen.“ Der SCB hat Hochkaräter im Team, von welchen die Konkurrenten nur träumen können: Blum, Moser, Rüfenacht, Scherwey, Arcobello, Untersander etc nominell sind sie also weit weg davon ein Playoutteam zu sein... Herr Zaugg verliert selber gerade ein bisschen den Durchblick und macht einen auf Drama... ;) Durchschnaufen und Tee trinken!
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emptynetter
29.09.2019 06:32registriert April 2014
Und sonst ist Alex Chatelain dann halt ein Lotter-Sportchef.
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Focke
29.09.2019 06:55registriert September 2016
Wohlgemerkt mit Haas haben Sie einen hochkarätigen Natispieler verlohren, der schwer zu ersetzten ist. Zum Glück haben sie nicht noch Scherwey in Übersee abgegeben. Genonis abgang schmerzt sicherlich etwas, aber Schlegel wird ihn ersetzen, das braucht jedoch Zeit. Genauso wie Genoni (schlechteste Fangquote aller Goalies) in Zug. Die Ausländer mögen nicht alles versprechen was man erhofft hatte doch von einer Krise kann man noch nicht reden. 2 Titel in 3 Jahren ist aussergewöhnlich! Zu glauben, man spiele jedes Jahr als Favoriten auf ist naiv. Die Liga ist zu ausgeglichen geworden
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Zug in der «Geldfalle» – eine brisante Polemik aus den eigenen Reihen
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Reto Steinmann ist in Zug eine Hockey-Stimme, die respektiert und gehört wird. Von 2004 bis 2016 war Hockey-Einzelrichter und er praktiziert heute als Anwalt und Notar in Zug. Seine Kolumne in der Lokalzeitung ist eine brisante Polemik sozusagen aus den eigenen Reihen. Als ehemaliger Hockey-Journalist für die NZZ vermag er seine Ausführungen sachlich zu formulieren. Was der Kritik noch mehr Gewicht gibt. Seine Kolumne liest sich, um in der Juristensprache zu bleiben, schon fast wie eine Anklageschrift.

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