Eigentlich ist die Suche nach einem Trainer für einen erfahrenen Sportchef wie Martin Steinegger (48) nicht so schwierig. Der EHC Biel ist einer der begehrtesten Arbeitsplätze in Europa. An qualifizierten Bewerbern fehlt es nicht. Aber in diesem Fall geht es nicht einfach um die Suche eines Trainers. Es geht darum, eine Persönlichkeit zu finden, die einerseits fachlich kompetent ist und andererseits mit einer ganz besonderen Situation umgehen kann.
Antti Törmänen (50) muss seine Arbeit nach einer Krebsdiagnose seit dem 31. Juli für die nächsten sechs Monate ruhen lassen. Er braucht nun all seine Kraft, um wieder gesund zu werden. Der finnische Trainer gehört nun erst recht zum EHC Biel. Martin Steinegger sagt, das sei ihm sehr wichtig. «Er hat mit der Chemotherapie begonnen und wird ab und zu bei uns im Stadion vorbeischauen und wohl auch mal bei einer fachlichen Diskussion im Trainerbüro dabei sein. Ich denke, wir können Antti unterstützen, wenn wir ihm die Möglichkeit zu einer Ablenkung geben.»
Bei EHCB-Headcoach Antti Törmänen ist vor kurzen eine Krebserkrankung diagnostiziert worden. Die EHCB-Familie wünscht Antti von ❤️💛 eine möglichst rasche Genesung.
— EHC Biel-Bienne (@ehcbiel) July 31, 2020
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Biel ist also nicht auf der Suche nach einem neuen Trainer. Sondern nach einem Trainer auf Zeit. Einem Stellvertreter für Antti Törmänen, der die Mannschaft seit dem 11. Dezember 2017 erfolgreich geführt hat.
Martin Steinegger sagt, er lege jedem Kandidaten diese Ausgangslage offen. «Ich stelle ihm am Anfang des Gespräches die Frage, ob er mit dieser besonderen Situation umgehen kann. Der Trainer, den er für die nächsten Monate ersetzen muss, gehört nach wie vor zu uns. Auch wenn Antti vielleicht physisch nicht immer präsent sein wird, in den Köpfen der Spieler wird er es sein. Und das ist gut so. Mit dieser Gegenwart eines anderen Trainers muss einer umgehen können. Wenn er sich das nicht zutraut, macht die Fortsetzung des Gespräches keinen Sinn. Deshalb stelle ich diese Frage gleich als Erstes.»
Martin Steinegger wäre fähig, den Job des Cheftrainers vorübergehend zu übernehmen. Er hat sich dagegen entschieden. Wohlwissend, dass die Mannschaft nach den Rücktritten von Torhüter-Titan Jonas Hiller und Captain-Legende Mathieu Tschantré und mehr als zehn auslaufenden Verträgen in einer Umbruchphase steht, aber nach zwei Halbfinals de Suite trotzdem hohe Erwartungen erfüllen sollte.
Der Sportchef wird vor allem neben dem Eis gebraucht. Um Spieler mit auslaufendem Arbeitsverhältnis per Ende Saison wie Janis Moser (20), Samuel Kreis (26), Valentin Nussbaumer (19), Jason Fuchs (24) oder Michael Hügli (24) zu halten. Auch wenn beim EHC Biel in diesen Tagen einiges wichtiger ist als eine Vertragsverlängerung: The show must go on! Spitzen-Mannschaftssport gewährt dem Management in unsicheren Zeiten keine Pausen.
Martin Steinegger hat seine Kandidaten-Liste erstellt und führt nun die Gespräche ohne grossen Zeitdruck. Die Ausrichtung –schwedisches, schweizerisches, finnisches oder nordamerikanisches Hockey? – spiele eigentlich keine Rolle. Wichtiger sei Führungsqualität. «Wir sind gut vorbereitet und können uns mit der Wahl des neuen Mannes bis Anfang September Zeit lassen. Alles, was im Sommer getan werden musste, ist getan worden und taktisch brauchen wir keine neue Ausrichtung. Hockeytechnisch ist die Aufgabe gut lösbar.»
Aber es sei wichtig, dass der neue Mann Erfahrung als Cheftrainer habe. «Ein Assistent mag fachlich gut genug sein. Aber es ist etwas ganz anderes, eine Mannschaft zu führen.» Man kann es salopp auch so sagen. Biel bildet immer wieder Spieler aus. Aber Biel kann es sich jetzt nicht leisten, einen Trainer auszubilden.
Ein logischer Kandidat wäre eigentlich Heinz Ehlers. Er hat Biel 2008 in die höchste Liga zurückgeführt und seither in der Schweiz eine grosse Karriere gemacht. Im letzten Frühjahr hat er den noch ein Jahr laufenden Vertrag in Langnau aufgelöst und ist in seine Heimat heimgekehrt, um die dänische Nationalmannschaft im Hauptamt zu übernehmen.
Martin Steinegger sagt, er habe auch an Heinz Ehlers gedacht. «Aber in unserer Situation wäre es für einen Trainer schwierig, wenn er sich zusätzlich auch noch um eine Nationalmannschaft zu kümmern hat.» Heinz Ehlers wird nicht Antti Törmänens Stellvertreter.