Für die mit den Verhältnissen der Stadt Bern nicht ganz vertrauten Leser: Die Reitschule ist ein autonomes Kulturzentrum in Bern. Weil dort die staatliche Obrigkeit ignoriert wird und scheinbar jeder macht, was er will, gerät die Institution immer wieder mal in die Schlagzeilen.
Der SC Bern ist ein autonomes Sportunternehmen und hat ein ähnliches Problem: Weil die trainerische und taktische Obrigkeit immer wieder mal ignoriert wird, ist der SCB diese Saison schon öfters in die Kritik und zeitweise in den Tabellenkeller geraten. Eishockey ist eben eine Mischung aus Kreativität und Disziplin, Anarchie und taktischem Gehorsam.
Der finnische Trainer Antti Törmänen hat dieses antiautoritäre «Reitschul-Prinzip» im Herbst 2011 beim SCB eingeführt. Im ersten Jahr erreichte er das Finale (Niederlage gegen die ZSC Lions), im letzten Frühjahr gewann er die Meisterschaft und diese Saison scheiterte er. Die taktische und sonstige Verwilderung hatte nicht mehr tolerierbare Ausmasse angenommen.
Nun führt Lars Leuenberger das Team. Auch nicht so autoritär wie einst Bill Gilligan oder John van Boxmeer. Aber doch mit dem Mut, miserable Leistungen zu sanktionieren. Er ist der erste SCB-Trainer, der es gewagt hat, die Ikone Ivo Rüthemann unter die Wolldecke zu stecken. Aber in den Grundzügen führt auch er nach dem «Reitschul-Prinzip».
Kann der SCB mit dem «Reitschul-Prinzip» am Ende doch den Titel verteidigen? Oft schien die Antwort in dieser Saison klar: Nein, auf keinen Fall. Aber gestern zeigte sich gegen die Kloten Flyers wieder einmal die meisterliche Seite dieser antiautoritären Kultur.
Am Vorabend hatte eine 1:3-Pleite in Genf den SCB schon wieder in bedrohliche Nähe der Abstiegsrunde gerückt. Jedem war klar: Jetzt braucht es eine Reaktion. Ein Donnerwetter des Trainers war nicht notwendig. Und siehe da: Die Berner haben meisterlich reagiert. Sie überrollten Kloten. Den Zürchern, die zuvor viermal hintereinander gewonnen hatten, verging sehen und hören und zeitweise war es, als sei der Leibhaftige vom Gurten herabgefahren.
Auf einmal war die meisterliche Mischung aus Tempo, Kreativität, Härte, Gradlinigkeit und Disziplin da. Joël Vermin, der in 40 Spielen gerade mal vier Treffer erzielt hatte, buchte gestern zwei Tore. Der brave Defensiv-Soldat Beat Gerber feierte seinen ersten Saisontreffer. Es spielte keine Rolle, dass Leitwolf Byron Ritchie fehlte (fällt rund eine Woche aus) und für ihn die finnische Nullnummer Mikko Lehtonen spielte.
Nach zehn Minuten stand es bereits 3:0 und alles war vorbei. Schon im Mitteldrittel konnte es sich Lars Leuenberger gar leisten, Daniel Rubin und Ivo Rüthemann unter der Wolldecke hervorzuholen. Und am Ende traf gar noch Mikko Lehtonen. Der SCB spielte so, wie es von einem Team erwartet werden kann, das 14 Millionen Franken kostet.
Die Kloten Flyers waren nicht gut. Aber sie waren gut genug, um ein ernsthafter Gegner zu sein: Die Ursache für die einseitige Angelegenheit ist die Überlegenheit der Berner. Nicht die fehlende Widerstandskraft der Gäste. Es ist nicht auszuschliessen, dass der SCB seinen Titel verteidigt.