«Hätte», «könnte», «eigentlich» oder «sollte» sind im Sport Fachausdrücke für Verlierer. Wer sie bemüht, versucht eine Niederlage schönzureden. Und doch gibt es auch Ausnahmen.
Eine solche Ausnahme haben wir am Samstagabend erlebt. Die Schweizer hätten gegen Schweden eigentlich gewinnen sollen und könnten durchaus Tabellenführer der Gruppe B sein.
Warum haben sie nicht gewonnen? Es war eine dieser Partien, die jeden Ausgang nehmen können. Wie es für ein unberechenbares Spiel auf glatter Unterlage eben so ist. Der Puck «spickt» von Verteidiger Romain Loeffel ab und ermöglicht dem Weltmeister ohne zwingende Möglichkeit den Ausgleich.
Der Puck prallt im Powerplay vom Pfosten zurück und Philipp Kuraschew kann sich nicht zum 3:3 feiern lassen. Es gibt noch einige solcher Szenen. Für und gegen die Schweiz. Für und gegen die Schweden.
Die Art und Weise, wie Roman Josi die Scheibe seinem Gegenspieler durch die Schlittschuhe zaubert und Joël Genazzi das 2:2 ermöglicht, hatte auch den Segen der Hockeygötter. Und es passt, dass beim 3:4 der Puck vom Pfosten ins Netz abgelenkt wird.
Und am Ende ist diese Niederlage auch dem Umstand geschuldet, dass Eishockey in diesen Tagen bedeutet: Eishockey ist, wenn am Ende Schweden doch gewinnt. Wir haben das ja im letzten WM-Finale gegen die Schweden auf bittere Art und Weise erfahren müssen.
Aber auch die schwedische Dominanz wird vorbeigehen. Schliesslich hat es auch einmal geheissen: Fussball ist, wenn am Ende doch Deutschland gewinnt. Und das ist nicht mehr so.
Was sagt uns das alles? Dass die Schweizer inzwischen in jeder Beziehung auf Augenhöhe mit dem Weltmeister spielen. Was ja auch das nahezu ausgeglichene Torschussverhältnis von 29:24 (12:6, 10:11, 7:7) für Schweden zeigt.
Hakan Södergren, der ehemalige Internationale, der seit Jahren die WM-Turniere fürs schwedische Fernsehen beobachtet, sagt es sogar so: «Die Schweizer sind inzwischen schneller und sie spielen schwedischer als wir Schweden.» Er meint damit das dynamische, kreative Offensivspiel, in das sich auch die Verteidiger blitzschnell einschalten.
So spielen die Schweizer erst seit der letzten WM. Das ist der grosse Unterschied: Früher machte es nur ein Ausnahmezustand möglich, gegen die Titanen des Welteishockeys mithalten zu können. Unser Torhüter, der «auf dem Kopf» stand. Der Favorit, der gegen uns überheblich und nicht ganz bei der Sache war. Heroischer Kampfgeist und der Beistand der Götter. So wie beim bisher letzten Sieg gegen Schweden an einer WM 2013 im Eröffnungsspiel in Stockholm (3:2). Aber mit gewöhnlichem Spiel war nichts zu machen.
Gegen Schweden war es nun ein «gewöhnliches» Spiel. Will heissen: Die Schweizer spielten so, wie sie inzwischen auf internationalem Niveau zu spielen pflegen. Nicht weit über ihrer durchschnittlichen Leistungsfähigkeit. Aber auch dann spielen sie auf höchstem Weltniveau.
Wir spielen gegen den Weltmeister? Na und? Wir müssen den Titanen Henrik Lundqvist überwinden? Na und?
Es gibt eine Szene, die uns so treffend zeigt, mit welcher Selbstverständlichkeit wir inzwischen Weltklassehockey spielen. Berns Gaëtan Haas (er wird später noch das 3:3 erzielen) stürmt unbeeindruckt von der Prominenz auf der Gegenseite nach vorne, spielt den Puck wunderbar weich hinüber zum Sven Andrighetto und der schiebt ihn frech Henrik Lundqvist (Jahressalär bei den Rangers 7,5 Millionen Dollar), einem der besten Goalies der Welt, wie einem Junior durch die Schoner zum 1:0 ins Netz. Und Lino Martschini wieselte so durch die gegnerische Zone, wo immer wieder mächtige Verteidiger mit über 190 Zentimeter Mannshöhe lauerten, wie er das auch gegen Ambri oder die ZSC Lions zu tun pflegt.
Hier müssen wir kurz innehalten und noch etwas über SCB-Mittelstürmer Gaëtan Haas vermelden. Soeben hat er eine NHL-Offerte erhalten, die er annehmen wird. Ja, der General Manager der betreffenden NHL-Organisation ist sogar in Bratislava eingetroffen.
Der Bitte, doch die Sache diskret zu handhaben und nicht gleich in die Welt hinauszuposaunen, kommt der Journalist gerne nach und so ist ihm der Name des neuen Arbeitgebers von Gaëtan Haas wieder entfallen.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang für das helvetische Hockey ja nur zu wissen, dass der SCB mindestens nächste Saison ohne besten Schweizer Center auskommen muss. Gaëtan Haas hat im SCB-Vertrag eine NHL-Ausstiegsklausel, die er nun aktivieren wird. Sein Agent Jaro Tuma, Gentlemen und die Diskretion, bestätigt erst auf hartnäckiges Nachfragen, ob es stimme, dass sein Klient eine NHL-Offerte habe: «Ja, aber bitte ruhig bleiben. Ich darf noch nichts sagen.»
Doch kehren wir zum Spektakelspiel gegen Schweden zurück. Die Schweizer waren bei weitem gut genug, um den Weltmeister in die Enge zu treiben und so nahe an den Sieg zu kommen, dass wir, um die Differenz zu erklären, nicht mehr von einer spielerischen, läuferischen, taktischen Differenz, nicht mehr von Kraft, Postur und Tempo reden. Sondern lediglich von «hätte», «könnte», «eigentlich» oder «sollte».
Wir waren so gut wie der Weltmeister. Was natürlich noch nicht heisst, dass wir so gut wie Weltmeister sind. Übertreiben wollen wir dann doch nicht. Aber nun sind wir auch juristisch und rechnerisch und theoretisch im Viertelfinale.
Eismeister
*halteinne*
Für den weiteren Verlauf dieser WM ist diese Niederlage gar nicht so schlecht. So bleiben wir weiterhin voll fokussiert. Wir sind auf Augenhöhe. Gegen die Titanen darf man nie, nicht eine Sekunde, nachlassen.
Diese Mannschaft macht einfach Spass. Eishockey macht Spass.
Ich wünsche ihm als SCB-Fan bereits jetzt viel Glück und Erfolg!