Von Zeit zu Zeit verfasst SCB-Manager und -Mitbesitzer Marc Lüthi auf der SCB-Homepage einen «Hirtenbrief». Die Mischung aus Ironie und Ernsthaftigkeit des Grossmeisters der Kommunikation ist immer gut zu lesen. Aber seine Zeilen waren bisher nie ein Grund zur Aufregung. Doch diesmal ist es anders. Der SCB-General hat einen Brandbrief publiziert, den es in dieser Form in unserem Hockey noch nicht gegeben hat. Hier die entscheidenden Auszüge:
Diese wahrlich dramatische Message des Mannes, der beim SCB immer und in allem das letzte Wort hat, muss man noch einmal lesen und setzen lassen: «Das Ziel ist, Ende Monat zu wissen, ob wir es uns leisten können weiterzuspielen, oder ob wir den Betrieb einstellen müssen.» Betrieb einstellen? Das bedeutet Konkurs! Das Ende der 1931 gegründeten stadtbernischen Institution!
Auf Nachfrage bestätigt Marc Lüthi, dass er es ganz genau so und nicht anders meint. «Mit Saisontickets, Sponsoring und der Gastronomie nehmen wir pro Saison rund 25 Millionen Franken ein. Weil wir ohne Zuschauer spielen müssen, brechen uns einerseits die Einnahmen weg und andererseits gehört uns das Geld nicht, das wir mit dem Verkauf der Saisonkarten und durch Sponsoring bereits eingenommen haben. Wir müssen wissen, ob wir dieses Geld zurückzahlen müssen oder ob wir es behalten dürfen. Wenn wir es zurückzahlen müssen, können wir den Betrieb nicht mehr weiterführen.» Den Betrieb nicht mehr weiterführen? Konkurs? Das Ende der SCB-Geschichte? Marc Lüthi: «Ja, so ist es. Mir scheint, dass viele immer noch nicht realisiert haben, wie dramatisch die Situation ist.»
In der Praxis sieht es so aus: In den nächsten Tagen erhalten alle 10'500 Saisonkartenbesitzerinnen und -besitzer einen Brief. Darin wird die Existenzfrage gestellt: Seid ihr bereit, auf eine Rückforderung zu verzichten? Dann kann angegeben werden, ob man ganz oder auf einen Teil des Geldes verzichtet. Oder das Geld zurückhaben will. Die Antwort wird unmissverständlich bis Ende November verlangt.
Die Frage ist nun: Was ist, wenn der Brief einfach im Papierkorb landet und keine Antwort kommt? Es ist schon starker Tobak, bereits im November entscheiden zu müssen, ob man auf sein Geld verzichten soll. Zu einem Zeitpunkt, an dem noch nicht einmal klar ersichtlich ist, wohin die sportliche Reise geht. Vielleicht komme ich ja erst im Frühjahr zum Schluss, ob ich auf das Geld verzichten mag oder nicht.
Dessen ist sich Marc Lüthi bewusst. Deshalb ist der Brief so verfasst, dass es auf jeden Fall bis Ende November eine Antwort gibt. Der SCB-Geschäftsführer sagt: «Wer bis Ende November nicht antwortet, verzichtet auf eine Rückforderung. So haben wir es im Brief formuliert.» Keine Antwort heisst also: Ich verzichte auf mein Geld. Das tönt nach Fan-Erpressung. Verliert, wer nicht antwortet, tatsächlich sein Geld? Ist das juristisch überhaupt haltbar? «Es ist eine Grauzone …», gibt Lüthi zu.
Die 10'500 Saisonticketinhaberinnen und -inhaber bekommen in den nächsten Tagen also dicke Post. Die Sponsoren wird Marc Lüthi im persönlichen Gespräch zu überzeugen versuchen. Immerhin wird er beim langjährigen Hauptsponsor Peugeot auf Verständnis stossen: Peugeot gehört inzwischen auch zum Auto-Imperium von Walter Frey, und dem ZSC-Präsidenten liegt das Wohl unseres Hockeys und damit die Erhaltung der Berner Institution am Herzen.
Aus dem gestern vom Bundesrat bewilligten, aber vom Parlament noch nicht bestätigten 115-Millionen-Geldregen für den Mannschaftssport kann der SCB rund 5 Millionen Franken erwarten – also «nur» einen Tropfen auf den heissen Stein, der hilft, aber die wirtschaftlichen Probleme des Meisters nicht lösen, ja nicht einmal wesentlich zu mildern vermag.
Im gleichen Zug macht Marc Lüthi noch einmal unmissverständlich klar, dass es diese Saison keinen Trainerwechsel und kein zusätzliches ausländisches Personal geben wird: «Wir setzen alles daran, aus dem vorhandenen Potenzial ein Maximum herauszuholen. Aber wir können es uns einfach nicht leisten, auch nur einen einzigen Franken für die in normalen Zeiten bei enttäuschenden Resultaten üblichen Massnahmen auszugeben.»
Komme sportlich, was wolle: Don Nachbaur bleibt bis Saisonende an der Bande und hat weiterhin nur drei ausländische Spieler zur Verfügung. Zum ersten Mal in unserer Hockey-Geschichte dürfte das Bekenntnis eines Managers zum Trainer nicht bloss eine Floskel sein, die schon nach ein paar weiteren Niederlagen nicht mehr gilt. Nachbaur darf einen Wintermantel kaufen. Weil er ihn im Dezember, Januar und Februar braucht, wenn die Kälte nach Bern kommt und er immer noch da ist.