Die Kombination Investor und Schweizer Fussball funktioniert nicht. Ein Investor will irgendwann sein investiertes Geld und noch etwas obendrauf zurück. So etwas ist in England, Spanien, Italien, Deutschland oder Frankreich – bei den wirklich Grossen des Geschäfts – möglich.
Hier in der Schweiz ist der Fussball etwas für Mäzene. Eine Liebhaberei, die Millionen verschlingt. Der verstorbene Andy Rihs lamentierte 2016, dass er mit seinem Bruder Hansueli über die Jahre «50 Chischte» in YB gesteckt habe. Und jedes Jahr hiess es: «Nomol es paar Chischte, nomol es paar Chischte».
David Degen kennt die Problemzonen des Schweizer Fussballs sehr wohl. Trotzdem kämpft er vehement um die Aktienmehrheit und damit auch um die finanzielle Verantwortung beim FC Basel. Obwohl er persönlich keine 50 Millionen Spielgeld hat.
Es ist kaum die Erfüllung eines Kindheitstraums wie bei Ancillo Canepa (FCZ), die ihn antreibt. Es ist wohl auch nicht die Anziehungskraft des FC Basel, der er ausgeliefert ist. Sonst hätte Degen kaum mit den Grasshoppers anzubandeln versucht. Nein, seine Motivation gründet wohl in der Verlockung des Geldes.
Schliesslich sagte er bei seiner Vorstellung als FCB-Aktionär: «Schweizer kennen den Fussball als Verlustgeschäft. Ich nicht.» Paradox? Vielleicht. Weil hinlänglich bekannt ist, dass im Schweizer Fussball kein Geld zu verdienen ist. Aber auf den zweiten Blick ist ein Schlupfloch zur Rentabilität erkennbar.
Als Degen mit seinem Zwillingsbruder Philipp 2016 die Spielervermittler-Agentur SBE gründete, war die Zeit der unbegrenzten Möglichkeiten bereits vorbei. FIFA und UEFA riefen kurz zuvor das Verbot der Dritteigentümerschaft aus. Ziel war es, dass die Transfersumme vollumfänglich von Klub zu Klub fliesst.
Also kein Fonds, kein Spielervermittler, keine zwielichtigen Figuren, überhaupt keine dritte Partei soll partizipieren. Ein Beispiel: 116,3 Millionen Euro (inklusive Lohn) soll der FC Barcelona für das Gesamtpaket Neymar bezahlt haben. Dessen Ex-Verein FC Santos hat aber nur 17,1 Millionen erhalten. 40 Millionen Euro kassiert eine Firma, die den Eltern von Neymar gehört. 10 Millionen streicht Neymar, 2,7 Millionen sein Vater als Handgeld ein. Und 7,65 Millionen gehen an zwei Investorengruppen.
Eine Möglichkeit, um bei Transfers mehr herauszuholen als bloss das Honorar, bietet sich für Agenten, wenn sie an einem Klub zumindest indirekt beteiligt sind. Ein Beispiel: Das chinesische Unternehmen Foyo kauft sich bei der Agentur Gestifute von Jorge Mendes, dem Ronaldo-Berater, ein. Darauf übernimmt Fosun den englischen Klub Wolverhampton.
Plötzlich spielen ganz viele Mendes-Klienten bei den «Wolves». Und weil Foyo eine Tochtergesellschaft von Fosun ist, sind einerseits die Geldströme garantiert und andererseits die Reglemente eingehalten. Die Grasshoppers, die später ins Fosun-Portfolio aufgenommen werden, fungieren als Auffangbecken für Mendes-Klienten, die entweder den Zenit überschritten haben oder noch nicht gut genug sind für eine europäische Topliga.
Von David Degen wissen wir nicht, ob er ein ähnliches Konstrukt für den FCB im Sinn hat. Wir wissen einzig, dass er seit dem Einstieg beim FCB vor eineinhalb Jahren mantraartig wiederholt, bei der Spielervermittleragentur SBE keine Funktion mehr auszuüben.
Das kann sehr wohl der Fall sein. Aber es scheint unwahrscheinlich, dass er seinem Zwillingsbruder Philipp vollumfänglich die Leitung der SBE überlässt und sich komplett aus allen Angelegenheiten heraushält. Denn David und Philipp gabs in der Vergangenheit stets nur im Doppelpack.
Als sie aufstrebende Fussballstars waren, fragten wir sie in einem Interview: Wie stellt Ihr euch das Leben im Alter vor? «Ein Zweifamilienhaus. Der eine wohnt links, der andere rechts.» Und wie ist es mit Freundinnen? «Wenn der Bruder mit der Wahl nicht einverstanden ist, hat die Frau keine Chance.»
Als Fussballer suchen sie die Nähe zum Jet-Set, wie auch zu Menschen, die in ihrem Leben als Unternehmer einiges erreicht haben. Sie sind nicht nur zappelig und fleissig, sondern auch draufgängerisch und risikofreudig. Insbesondere der 30 Minuten ältere David, der forschere und mitteilsamere der beiden. Aber vor allem sind sie unsichtbar aneinandergekettet. Geht der eine aufs Klo und der andere kriegt es gerade nicht mit, weil er irgendwas auf sein Smartphone tippt, fragt er aufgeregt in die Runde: «Wo ist er hin?»
Schon früh, also noch während sie ihr Geld als Fussballer verdienen, tauchen sie in die Welt des Unternehmertums ein – Immobilien und Internet. Die Zwillinge lancieren ein Projekt namens «Cresqo», eine Art eigene Währung. Die Idee floppt. In einem legendären Interview, dem Bargespräch mit Philipp und David Degen, in welchem sie für «Cresqo» werben, wird aber wunderbar ersichtlich, wie die Rollen verteilt sind.
Als Philipp vom Interviewer gefragt wird, wie «Cresqo» funktioniert, grätscht David dazwischen. «Das muss ich beantworten», sagt er. «Business-Fragen müssen Sie mir stellen.» Philipps Einschub dazwischen – «Ich kanns auch beantworten, aber David kanns besser» – könnte ebenfalls exemplarischer nicht sein.
Was sich aber dort auch schon zeigt: David Degen spricht nie über Geld. Das betont er im Bargespräch, aber auch bei seiner erwähnten Vorstellung im September 2019 als FCB-Aktionär. Auch deshalb ist es schwierig zu wissen, wie viel und woher Degen sein Geld hat. Neben «Cresqo» versandete 2016 auch sein zweites Projekt, «Goalgetter TV», das er einst als «Mischung aus Instagram und Youtube» bezeichnete.
Seit einem knappen Jahr amtet er ausserdem als Aktionär und Verwaltungsrat der eStudios AG – einem «Kompetenzzentrum für eSports». Zeitgleich hat er eine neue Firma gegründet: Die Global Sport Analytics AG. Diese kümmert sich um die Digitalisierung im Sportmanagement. Ein Zufall? Schliesslich lautet sein Ziel als neuer starker Mann beim FCB: «Ich will den Klub für die Zukunft besser machen.»
Oder zurück in die Vergangenheit, als es die magischen Champions-League-Nächte gab? Das ist sehr, sehr unwahrscheinlich. Die Schweizer Klubs haben in den letzten fünf Jahren punkto Finanzkraft in Europa enorm an Terrain eingebüsst. Die Zeiten, als der kleine Hund FCB aus dem grossen Napf fressen durfte, sind passé.
Dabei muss man wissen: Der grosse Napf ist gross, weil sie in Asien lieber zehnmal im Jahr Barcelona gegen Real Madrid gucken als einmal Basel gegen Manchester United. Okay, vielleicht schalten ein paar Millionen rein. Aber nur wegen United.
Das ändert sich nicht mal, wenn dem FCB ein Husarenstück gelingt: Als man bei Adidas vorsprach, darauf verwies, das grosse Manchester United geschlagen zu haben und so einen höheren Beitrag herausschlagen wollte, zückte der Adidas-Mann eine Liste, wo die Trikotverkäufe des FCB mit jenen von Augsburg verglichen wurden. Weiter zu verhandeln, war aus Basler Sicht zwecklos.
In den besten Zeiten wies der FC Basel 132 Millionen Franken Umsatz und 29 Millionen Gewinn aus. YB jubelte zuletzt über 20 Millionen Gewinn. Seltene Erfolgsmeldungen. Gründend auf Einnahmen aus dem Europacup und Spielerverkäufen. Wobei eine Wechselwirkung besteht. Je erfolgreicher in Europa, desto höher der Marktwert der Spieler.
Nur: Der FCB und mit ihm jeder andere Schweizer Klub hat international keine Chance auf Wachstum, weil a) die guten Plätze besetzt sind und b) die Liga ausserhalb der Schweiz bedeutungslos ist. Auch das ist Degen bewusst. Trotzdem weiss er: Eine Möglichkeit gibt es, im Schweizer Fussball Geld zu verdienen. Mit Spielertransfers, wo der FCB letztes Jahr einen Überschuss von 25,4 Millionen Franken erzielte.
Ausnahmen wie Bayern München bestätigen die Regel.
Auf mich persönlich macht er einen etwas zwielichten Eindruck. Seine Art und sein Werdegang mit verschiedensten Firmen/Produkten, die nicht funktioniert haben, macht auf mich etwas den Eindruck dieser Marketing-Influencer, die dich in ihre WhatsApp-Gruppe holen wollen und dir dann ein Schneeballsystem aufschwatzen. Ich weiss nicht, ob ich meinen Klub in seinen Händen sehen möchte.