«Wo waren Sie in den letzten 15 Jahren? Hatten Sie einen anderen Beruf?» So reagierte Ancillo Canepa auf die Frage eines Journalisten, ob er den FC Zürich immer noch als Spitzenklub sieht. Das war im August. Und es gab Argumente, diese Frage zu stellen: 7. Platz in der letzten Saison, 7. Platz in der vorletzten Saison. Das sind nicht die Tabellenregionen, in denen sich ein Spitzenklub aufhält.
Die Frage, ob Zürich noch ein Spitzenklub ist, hätte man auch im Oktober mit Nein beantwortet – ausser Präsident Canepa natürlich. Nur ein Punkt aus drei Spielen. Die Konsequenz: Der Präsident ersetzte Trainer Ludovic Magnin durch Massimo Rizzo, der zuvor für die U18 zuständig war. Das Resultat: In sechs Spielen unter dem neuen Trainer holen die Zürcher 13 Punkte und klettern nach dem gestrigen 4:0 gegen Lausanne auf Rang 3.
Also doch ein Spitzenklub? Hat Canepa den FCZ mit dem Trainerwechsel zum Spitzenklub gemacht? Die Antwort Canepas kennen wir bereits. Der Ahnungslose indes würde sagen: abwarten. Das wirkt vielleicht etwas schwammig. Aber der Ahnungslose erinnert daran, dass der FCZ auch unter Magnin gute Phasen hatte, aber halt nicht spitzenklubmässig über einen längeren Zeitraum.
Und doch lässt die Art, wie die Mannschaft unter Rizzo spielt, den Schluss zu: Dieser FCZ kann Titelverteidiger YB stressen. Ähnlich, wie es der FC St. Gallen in der vergangenen Saison gemacht hat.
Was macht Rizzo anders als Magnin? Das offensichtlichste: Er stabilisiert die Defensive. Unter Magnin kassierte der FCZ in dieser Saison 2,7 Gegentore pro Spiel. Unter Rizzo liegt der Wert bei 0,7.
Und wie macht er das? Rizzo setzt beispielsweise wieder auf Nathan. Ein Brasilianer mit der Technik eines Nicht-Brasilianers. Das ist nicht schön fürs Auge. Aber wahnsinnig zweckdienlich. Nathan verrichtet Abwehrarbeit wie in den guten alten Zeiten, als man noch von Manndeckern sprach.
Weil der FCZ hinten mit kantigen Typen wie Nathan und dem Deutschen Sobiech agiert, kommt man gar nicht erst in Versuchung des gepflegten aber riskanten Aufbauspiels. Stattdessen greift man auch mal zum langen Zuspiel. Kurz: Die Rückkehr zum Pragmatismus verleiht dem FCZ Sicherheit.
Das mit den langen Bällen, dem schnörkellosen Überbrücken des Mittelfelds macht ja auch Sinn, wenn man vorne so stark besetzt ist wie der FCZ. Beispielsweise mit Raketen wie Benjamin Kololli (je ein Tor und Assist gegen Lausanne), Aiyegun Tosin (1 Tor), Assan Ceesay (je 1 Tor und Assist) und Wilfried Gnonto. Oder mit dem abgezocktesten und smartesten Spielmacher der Liga, Antonio Marchesano. Oder dem willigen Brecher Blaz Kramer. Oder dem schlauen Marco Schönbächler.
Und sonst? Unter Rizzo heisst es im Vergleich zu Magnin nicht mehr: Im Zweifel für die Jugend. Auch hier drückt Rizzos Pragmatismus durch. Magnins Ziel war es, möglichst viele junge Spieler zu forcieren, damit sie gewinnbringend verkauft werden können. Daran ist grundsätzlich nicht viel auszusetzen. Aber dadurch fehlte die Balance in der Mannschaft. Es fehlte die Reife. Aber auch eine Diversität punkto Qualität. Zu viele Spieler waren sich zu ähnlich.
Rizzo indes setzt auf Spieler wie Nathan (25), Aliti (27), Schönbächler (30), Doumbia (28), Sobiech (29), Kololli (28), Brecher (27) und Marchesano (29). Akteure, die allein aufgrund ihres Alters keine grossen Transfererlöse versprechen. Dafür stehen sie für Stabilität.
Wenn also der FCZ seiner Linie treu bleibt, – dass der zum Jahresende auslaufende Vertrag mit Rizzo nicht verlängert wird, glauben nicht mal mehr die Ahnungslosen – kann er zum Spitzenklub werden. Canepa hats ja immer schon gewusst.
Spass bei Seite, ich war nie ein Fan von Magnin und auch wenn nun wieder "alles gut" ist, hätte es dennoch nie und nimmer so lange dauern müssen/dürfen.