Jedes Kind weiss: Xherdan Shaqiri spielt bei Liverpool, Yann Sommer bei Mönchengladbach und Granit Xhaka bei Arsenal. Wo aber kickt Michael Frey? Bereits diese Frage bringt wohl so manchen Fussballfan in Verlegenheit.
In welchem Land und bei welchem Klub ist der Stürmer, der 2018 vom FC Zürich zu Fenerbahce Istanbul gewechselt und seither zweimal ausgeliehen worden ist, aktuell tätig? Wohin hat es den früheren Nati-Verteidiger Johan Djourou verschlagen und bei welchem Verein sorgt YB-Meisterspieler Gregory Wüthrich für eine sichere Defensive? Für einmal gilt unser Blick ins Ausland nicht den grossen Stars, sondern den Spielern neben der grossen Bühne.
Mehr als 200 Schweizer leben gemäss dem Portal Transfermarkt.ch ihren Traum vom Profifussballer im Ausland; die in Liechtenstein tätigen Spieler nicht eingerechnet. Die Mehrheit von ihnen sind Doppelbürger. Sie alle verteilen sich auf 36 Länder und sind über den ganzen Erdball sowie fast alle Kontinente verstreut. Nur in Australien ist unser Land nach dem Abgang von Daniel Lopar bei den Western Sydney Wanderers derzeit nicht vertreten. Um den Rahmen nicht zu sprengen, umfasst Karte nur eine Auswahl.
Wie aber läuft es diesen Spielern, teilweise weit weg von zu Hause? Aus den Augen aus dem Sinn – das bedeutet nicht zwingend, ein Profi verdiene sein Geld in Guangzhou oder Wladiwostok. Denn wer die Super League verlässt und nicht gerade Nationalspieler ist, gerät auch so schnell einmal unter den Radar. Der frühere St. Galler und Luzerner Alain Wiss jagt gleich ennet der Schweizer Grenze beim SC Altach in Österreich dem Ball nach, und ist dennoch schon fast vergessen gegangen.
Manche Fussballer haben sich ins Ausland verabschiedet wie Oliver Buff (zuletzt GC) nach Malaysia, weil sie in der Heimat keinen Job mehr gefunden haben. Andere, wie der momentan vereinslose Danijel Subotic, 31, sind von Natur aus Globetrotter und entdecken fussballspielend den Planeten. Aus dem Nachwuchs des FC Basel stammend, hatte er mit knapp 19 Jahren eine Weltreise angetreten, die ihn nach England, Belgien, Italien, Rumänien, die Ukraine, Aserbaidschan, Kuwait, Moldawien, Südkorea und Kasachstan führte.
«Ich bereue nichts in meiner Karriere, habe in der Fremde unschätzbare Erfahrungen gesammelt und bin früh zum Mann geworden», sagt Subotic, der zuletzt für die Grasshoppers in der Challenge League gespielt hat, acht Sprachen spricht und breit vernetzt ist. «Ich habe meist ausserhalb der Komfortzone und weit weg von der Familie gelebt», sagt der Stürmer. «Ich kann jedem Profi nur empfehlen, einmal ins Ausland zu gehen. Er lernt dort fürs Leben.»
Sie kennen sich schon lange und sind in Belgien wieder vereint. Leonardo Bertone und Michael Frey laufen gemeinsam in gelben Trikots auf, so wie damals bei den Young Boys, jetzt prangt das Klublogo von Waasland-Beveren auf der Brust. In der Provinz Ostflandern kicken sie seit dieser Saison.
Als 14-jährige Jungs standen Bertone und Frey in einer Berner Kantonsauswahl gemeinsam auf dem Platz. Später wurden sie bei YB zum Profi, ehe sich die Wege trennten. Der Stürmer Frey wechselte 2014 nach Lille in die Ligue 1. «Ein Wechsel, den ich machen musste. Wenn Lille anfragt, geht man», sagt Frey heute. In Frankreich fiel er lange verletzt aus, kehrte danach in die Schweiz zurück. Er spielte bei Luzern, bei YB und schliesslich beim FC Zürich, den er 2018 zum Cup-Sieg schoss.
Daraufhin wechselte Frey zu Fenerbahce, spielte und traf zunächst regelmässig, wurde später nach Nürnberg und nun nach Belgien verliehen.
Leonardo Bertone blieb länger bei seinem Herzensverein Young Boys, entschloss sich im Januar 2019 für einen Transfer nach Amerika zu Cincinnati. Ein spannendes Abenteuer für den Mittelfeldspieler. «Aber innerhalb des Vereins passte vieles nicht. Darum wollte ich da nicht länger bleiben.» Im letzten Winter wechselte Bertone zu Thun, das er vor dem Abstieg bewahren wollte. Das Ziel misslang knapp, Bertones Reise ging weiter.
Von Waasland-Beveren hatte Bertone noch nie gehört, als die Anfrage kam. «Ich habe mich nicht gross mit dem belgischen Fussball befasst. Aber die Aufgabe klang spannend», sagt er. Und als für Michael Frey dieselbe Entscheidung anstand, kannte dieser Waasland-Beveren dank Bertone schon. Natürlich habe dies in der Entscheidungsfindung eine Rolle gespielt. «Es ist toll, wenn man Berndeutsch sprechen kann», meint Frey. Als Bertone davon hörte, dass Frey zum Verein wechseln würde, dachte er an einen Scherz. Und als er im Restaurant sass, das Frey betrat, kriegte er sich vor Lachen kaum ein. «Alles war so surreal.»
Die Eingewöhnung wurde für Frey leicht – dank Bertone, der schon eine Wohnung gefunden hatte. Gemeinsam mit seiner Freundin konnte Michael Frey bei seinem Jugendfreund einziehen. In der WG mussten sie gemeinsam eine Quarantäne überstehen, nachdem im Team nicht weniger als 17 (!) Spieler positiv auf das Coronavirus getestet wurden – darunter auch die beiden Berner. Ihnen geht es wieder gut und die WG ist inzwischen Geschichte, nachdem Frey seine eigene Wohnung bezogen hat. Sportlich kämpfen Frey und Bertone als Leistungsträger um den Ligaerhalt. «Es wird bestimmt eine harte Rückrunde», sagt Frey. «In dieser Liga muss man um jeden Punkt kämpfen.»
📸 Michael Frey: altijd voorop in de strijd! 🦁💛💙💪 #wbeant pic.twitter.com/xIpDeBM2Bo
— Waasland-Beveren (@WaaslandBeveren) December 20, 2020
Der Fussball in Belgien sei gut, sagen sie. Oder wie es Bertone auf Berndeutsch sagt: «Der belgische Fussball fägt.» Das liegt daran, dass Belgien als gutes Ausbildungsland gilt. «In jedem Team gibt es Spieler, die eine grosse Karriere machen können», so Bertone. Noch nicht alles im Verein ist so, wie es sich die beiden Berner gewohnt sind. Die Infrastruktur lässt zu wünschen übrig, gewöhnungsbedürftig sind auch die Trainingsmethoden. «Wir trainieren oft über zwei Stunden auf dem Platz mit der Mannschaft», sagt Frey.
Reisen im Beruf: Es ist ein grosses Privileg als Sportler, finden die beiden Berner. Bertone sagt: «Die Möglichkeiten, die der Fussball bietet, sind grossartig. Ich bin kein Nati-Spieler, muss nicht schauen, dass ich bei einem Topklub spiele. Dadurch kann ich mich freier bewegen und Risiken eingehen.» Wie ein Transfer zu Waasland-Beveren.
Nachdem Djourou vor einem Jahr in die Schweiz zurückgekehrt war, erst zum FC Sion, dann zu Neuchâtel Xamax, heuerte er diesen Oktober in der höchsten Liga Dänemarks beim FC Nordsjaelland an. Bei den Dänen ist der 33-jährige Innenverteidiger Stammspieler und verpasste in der Meisterschaft erst ein Spiel. Punktemässig läuft es nicht ganz so gut.
Aus 13 Partien resultieren 16 Zähler, was den zwischenzeitlichen achten Rang einbringt. Djourou werden die regelmässigen Einsätze freuen. Hat er doch in den vergangenen Jahren weniger Glück gehabt und kam öfters nur spärlich zum Zug. In der Schweiz verletzte er sich zuletzt immer wieder, weshalb er bei Sion und Xamax insgesamt lediglich auf sieben Einsätze kam. Nach England, Deutschland, der Türkei und Italien ist Dänemark bereits seine fünfte ausländische Station. Er hat einen Vertrag über zwei Jahre unterzeichnet.
Die Liste der Transferhistorie des vierfachen Nationalspielers ist lang. Seit seinem Super-League-Début im März 2009 wurde der einstige U17-Weltmeister und heute erst 28-Jährige bereits zehn Mal transferiert. Am meisten Einsätze absolvierte Ben Khalifa für GC. Für die Zürcher brillierte er im Alter von 18 Jahren, schoss acht Tore und steuerte sieben Assists bei. Nach dem erfolgreichen Jahr wechselte er zum VfL Wolfsburg. Ein Wechsel, der zu früh kam. Der Schweizer wurde von den Wölfen drei Mal ausgeliehen. Als GC ihn 2014 zurückkaufte, blieb er wieder nur ein Jahr. Es ging für ihn in die Türkei, nach Belgien und wieder zurück in die Schweiz. Und heute? Heute stürmt das verlorene Talent für Espérance Tunis in der 1. Liga Tunesiens. In der noch jungen Saison (vier Spieltage) wurde er gleich beim ersten Spiel eingewechselt, fehlte aber zuletzt wegen muskulärer Probleme.
Nicolas Haas beschenkt sich nach Weihnachten selber: Er erzielt am 27. Dezember mit einem platzierten Abschluss seinen zweiten Saisontreffer. Die Vorlage kommt von Nedim Bajrami, einem Schweizer U21-Nationalspieler. Haas war selber Teil des U21-Nationalteams als er sich 2017 vom FC Luzern verabschiedete. Er wechselte zu Atalanta Bergamo – einem Spitzenteam der Serie A. Dort konnte er sich zwar nicht durchsetzen, hat sich dafür in der Serie B einen Namen gemacht.
Von Jahr zu Jahr spielt Haas um den Aufstieg. Zunächst mit Palermo, dann mit Frosinone, jetzt mit Empoli. Noch immer gehört er Bergamo, eine Rückkehr ist aber ausgeschlossen. «Wenn Empoli aufsteigt, kann ich bleiben», sagt der 24-Jährige. Der zentrale Mittelfeldspieler ist gereift, seine Träume bleiben aber so gross wie damals bei seinem Umzug nach Italien. «Mein Ziel bleibt es, in einer Topliga zu spielen.»
Der ehemalige Nati-Captain ist mittlerweile 36-jährig und spielt in der zweithöchsten türkischen Liga bei Adana Demirspor. Ihm und seinem Team gelang kürzlich eine Cup-Sensation, als sie das grosse Trabzonspor nach Verlängerung im Elfmeterschiessen besiegten. Inler führte sein Team gar als Captain aufs Feld. Er gehört zu den wichtigen Spielern seiner Mannschaft und steht mit ihr nach 15 Runden auf Rang fünf, nur vier Punkte hinter dem Spitzenreiter. Es ist bereits seine vierte Saison in der Türkei. Zuvor spielte er für Besiktas und Basaksehir aus Istanbul. Bei beiden Teams war er längst nicht immer gesetzt. Dafür erfolgreich: Inler wurde mit beiden Klubs schon türkischer Meister und feierte damit, nach Leicester City in der englischen Premier League und dem FC Zürich in der Schweiz, bereits in drei verschiedenen Ländern Meistertitel in der höchsten Liga.
Der 27-jährige Genfer mit spanischen Wurzeln spielt aktuell bei CD Leganes, einer Stadt in der Nähe von Madrid. Zwar nur in der zweithöchsten Liga Spaniens, doch wie Bua gegenüber der Tageszeitung «Blick» sagte, sei diese Liga stärker als die Schweizer Super League. Für ihn sei es ein Traum, hier zu spielen. Es ist das Heimatland seiner Eltern. Trotzdem wäre er gerne beim FC Basel geblieben, für den er in der abgelaufenen Saison zehn Tore erzielte und acht vorbereitete.
In Spanien gehört Bua noch nicht zur Stammelf. In 19 Ligaspielen kam er bloss sechs Mal zum Einsatz. Gar erst Ende November feierte er sein Startelf-Début. Sein Team steht auf Rang vier. Zuletzt war er angeschlagen, ist jetzt aber wieder fit. In der Copa del Rey Mitte Dezember bereitete Bua in der 102. Spielminute den 1:0-Siegestreffer per Eckstoss vor, sein erster Scorerpunkt für Leganes.
Gregory Wüthrich hat gut lachen. Soeben hat er seinen ersten Treffer für Sturm Graz erzielt. Es ist das 3:0 in der 93. Minute gegen Admira Wacker und die Fortsetzung einer eindrücklichen Serie, die von den Steirern eine Woche später mit einem 3:0 gegen St. Pölten auf fünf Siege ausgebaut wird. Mit nur einem Punkt Rückstand auf Leader Salzburg ist Sturm auf Platz zwei in die Winterpause gegangen und hat erst noch ein Spiel weniger ausgetragen. Einen grossen Anteil an der überragenden Vorrunde hat Wüthrich. Mit dem Berner Innenverteidiger ist die Abwehr zu einer Festung geworden und hat in neun Bundesligaspielen lediglich drei Gegentore kassiert. Nach zwei Meistertiteln mit YB hatte der 26-Jährige zunächst ein Jahr in Australien verbracht und für Perth Glory gespielt. Seine Rückkehr nach Europa im August dieses Jahres wurde für Sturm wie für ihn zum Glücksfall.
In seinen zwei Jahren beim FC Lugano ist Davide Mariani zu einem der besten Mittelfeldspieler der Super League geworden. Zuvor hatte er beim FCZ, seinem Stammklub, den Durchbruch nicht geschafft. Dass er dann aus dem Tessin ausgerechnet ins fussballerische Niemandsland Bulgarien und zu Levski Sofia wechselte, war zwar verblüffend, hatte aber finanzielle Gründe. So war es auch keine Sensation mehr, als der heute 29-Jährige nach nur einem Jahr Sofia bereits wieder verliess, um in den Vereinigten Arabischen Emiraten bei Shabab Al-Ahli Dubai noch mehr zu verdienen.
In einem Interview mit dem «Blick» sagte er: «Es gibt keinen Spieler in der Schweiz, der auf seiner Position so gut ist, wie ich.» Nati-Coach Vladimir Petkovic verzichtete derweil weiter auf ihn, und der ligainterne Transfer zu Al-Ittihad Kalba vor drei Monaten wurde hierzulande kaum wahrgenommen.
Auch wenn der 26-jährige Aussenverteidiger und frühere Schweizer Nachwuchsnatispieler mittlerweile 15 Länderspiele für den Kosovo bestritten hat, bleibt er der Giel aus dem Emmental, der beim FC Langnau mit dem Fussball begonnen hat. Über den Thuner und Luzerner Nachwuchs kam er zu YB und wurde Stammspieler. Als dann aber 2016 Bundesligaaufsteiger Ingolstadt anklopfte, hielt es den damals 22-Jährigen nicht mehr in Bern. Doch nach dem Abstieg wollte er nicht mehr in Deutschland bleiben, und die Offerte von Premier-League-Aufsteiger Huddersfield Town kam ihm gerade recht. Ja, Haderjonaj brachte es auf 47 Spiele in der höchsten Liga Englands, aber nach dem Abstieg gefiel es ihm in der Championship nicht mal mehr halb so gut. So konnte er nicht nein sagen, als Kasimpasa aus der türkischen Süper Lig rief. Dort ist er Stammspieler und sein Klub derzeit nicht in Abstiegsgefahr.
Eren Derdiyok hat es nach Usbekistan verschlagen, genauer nach Taschkent. In der Hauptstadt spielt er für Pakhtakor und er besitzt einen Vertrag bis zum 31. Dezember 2021. Geholt hatte ihn Schota Arweladse, der schon früher bei Kasimpasa sein Trainer gewesen war. Wie lange er in Zentralasien bleibt, liess der gebürtige Basler im Gespräch mit CH Media offen. Im Fussball sei schliesslich alles möglich.
Der 32-Jährige hofft nun zunächst einmal darauf, im nächsten Jahr richtig einzuschlagen. Für seinen Klub ist es zuletzt sehr gut gelaufen, wobei Derdiyok nicht oft über die gesamte Spielzeit eingesetzt wurde. Pakhtakor Taschkent wurde im November usbekischer Meister und holte im Dezember auch noch den Sieg im Pokalwettbewerb, der in einem Blitzturnier ausgetragen wurde. Mit drei Toren in vier Spielen hatte der 60-fache Schweizer Nationalspieler einen erheblichen Anteil am neusten Erfolg.
Vielleicht wird Aleksandar Prijovic nach Abschluss seiner Karriere einmal durch die Schweizer Schulzimmer ziehen und im Geografieunterricht zu so manchen Ländern ein Müsterchen auftischen. In der Ostschweiz aufgewachsen, hat er schon als 17-Jähriger den FC St. Gallen verlassen und sich Parma angeschlossen – und los ging die Walz. Prijovic schlug einen horrenden Rhythmus an:
Derby County, Yeovil Town, Northampton, Sion, Lausanne-Sport, Tromsö, Djurgarden, Boluspor, Legia Warschau und PAOK Saloniki hiessen bis im Januar 2019 seine Klubs. Seine beste Zeit hatte er in Polen, als er mit Legia in der Champions League spielte und beim 4:8 gegen Dortmund zwei Tore schoss. Für Serbien nahm er an der WM 2018 teil. Seit bald zwei Jahren spielt der 30-Jährige nun in Saudi-Arabien für Al-Ittihad Dschidda. Er ist Titular und hat einen Vertrag bis im Juni 2023.