Fussball ohne Zuschauer, das hat uns das vergangene Jahr mit dieser elenden Corona-Pandemie gezeigt, ist nicht das gleiche. Partien in leeren Stadien haben den Charakter eines Testspiels. Ganz egal, was auf dem Spiel steht.
Es ist verständlich, dass jeder Fussballfan auf den Moment wartet, an dem er wieder in ein Stadion darf. Oder an dem er wenigstens den TV einschalten und eine anständige Atmosphäre geniessen kann. So wie es ganz allgemein der grosse Wunsch ist, dass wir alle darauf warten, wieder ein Leben ohne Einschränkungen leben zu können.
Der UEFA kann es offenbar nicht schnell genug gehen mit den Öffnungen. Schon vor drei Wochen hatte Aleksander Ceferin, der Präsident des europäischen Fussballverbands, betont: Länder, die keine Fans zulassen, können die Austragung von EM-Spielen im Sommer 2021 vergessen. «Jeder Ausrichter muss garantieren, dass Fans zu den Spielen dürfen. Die Option, dass irgendein Spiel der EM ohne Fans ausgetragen wird, ist definitiv vom Tisch», sagte Ceferin.
Den zwölf Verbänden, die Spiele ausrichten, wurde damit Druck auferlegt. Bis heute mussten sie der UEFA ein Konzept einreichen, wie die Partien durchgeführt werden können.
Die Verbände waren fleissig und meldeten sich noch vor Ablauf der Frist. «Wir hatten den 7. April als Deadline gesetzt, deshalb ist es erfreulich, dass sich alle Städte bereits positiv zurückgemeldet haben», sagte der Schweizer Turnierdirektor Martin Kallen gestern dem dänischen Sportsender TV3 Sport. Noch lasse sich nicht festlegen, mit wie vielen Zuschauern die Städte planen. «Ich kann allerdings sagen, dass es momentan von Stadt zu Stadt grosse Unterschiede gibt, inwieweit die Stadionkapazität voraussichtlich ausgenutzt wird», sagte Kallen.
Gerade für die Partien in Kopenhagen, wo drei Gruppenspiele und ein Achtelfinal ausgetragen werden, sieht es gut aus. Der Parken, der eine Kapazität von rund 38'000 Fans hat, soll während der Euro 2020 (so der offizielle Name, welcher trotz der Verschiebung um ein Jahr behalten wurde) gut gefüllt sein. «Wenn man in Betracht zieht, wie Dänemark die Pandemie gehandhabt hat und wie gut die Test-Strategie aussieht, haben wir einen berechtigten Glauben daran, dass mindestens 18'000 bis 20'000 Zuschauer zugelassen werden», so Kallen. «Wir haben sogar die Hoffnung auf eine Auslastung des Stadions von 60 Prozent, also um die 24'000 Zuschauer.»
Wie hoch die Auslastung des Römer Olympiastadions sein wird, ist noch offen. Italiens Verbandspräsident Gabriele Gravina sprach jedoch von einem «starken Signal», das man von der Regierung erhalten habe, wonach Partien vor Fans stattfinden dürften. Gesundheitsminister Roberto Speranza habe den Verband beauftragt, die besten Lösungen auszuloten. Dem Vernehmen nach soll die Anzahl zugelassener Zuschauer mit dem Fortschritt beim Impfen zusammenhängen: Je mehr Geimpfte, desto mehr Zuschauer.
In Rom spielt auch die Schweiz, gegen Gastgeber Italien. Das Nationalteam von Vladimir Petkovic bestreitet zuvor das Auftaktspiel gegen Wales und danach das abschliessende Gruppenspiel gegen die Türkei in Aserbaidschans Hauptstadt Baku.
Und dort ist die Corona-Pandemie noch nicht im Griff. Der aserbaidschanische Journalist Elseveder Memmedov sagte dem italienischen Portal «Tuttomercatoweb», die Situation bezüglich der Pandemie sei in Aserbaidschan «nicht gut, die Zahl der Fälle steigt.» Man hoffe auf den Fortschritt der Impfkampagne, aber auch auf das schöne Frühlingswetter.
Brisant ist, dass am 6. Juni in Baku die Formel 1 gastiert – und die Regierung bereits beschlossen hat, dass der Grosse Preis von Aserbaidschan sicher ohne Zuschauer über die Bühne gehen wird. Nur sechs Tage später steht dann das EM-Spiel zwischen der Schweiz und Wales auf dem Programm.
«Wir haben jede Möglichkeit geprüft, um einen Weg zu finden, das Renn-Wochenende auf eine verantwortungsvolle Weise zu veranstalten, die die Rückkehr der Fans ermöglichen würde», liessen die GP-Organisatoren verlauten. Doch es sei trotz einer Verbesserung der Lage auf globaler Ebene klar geworden, dass es zu früh sei, um das Rennen mit Fans sicher durchzuführen.
In Rumänien gab das Sportministerium derweil bekannt, man habe die gesetzlichen Grundlagen geschaffen, um das Nationalstadion in Bukarest zu 25 Prozent auslasten zu können. Das heisst: Rund 13'000 Zuschauer könnten dabei sein.
Sportminister Eduard Novak betonte die wichtige Bedeutung der EM für Rumänien: «Wir haben die historische Chance, Teil eines grossen Sportereignisses zu sein und unter Beweis zu stellen, dass wir unseren Verpflichtungen in Bezug auf die Organisation und die Sicherheit der Gesundheit nachkommen.» Aus Regierungskreisen wurde zudem verlautet, dass möglicherweise auch ausländische Fans anreisen dürften. Diese würden sich vermutlich auschliesslich für die Spiele interessieren, weshalb es eine äussert geringe Wahrscheinlichkeit gäbe, dass sie länger als 48 Stunden in Rumänien blieben.
Einen Viertel des Stadions will man auch im spanischen Bilbao füllen, das wären knapp 14'000 Zuschauer. Im russischen Sankt Petersburg soll die 68'000 Fans fassende Arena sogar zur Hälfte gefüllt werden können. Angesichts der Corona-Pandemie sei die Auslastung von 50 Prozent der Kapazität ein gutes Ergebnis, konstatierte der Generaldirektor des Spielorts, Alexei Sorokin, gegenüber der Agentur RIA Novosti.
Konkrete Pläne zur Rückkehr der Zuschauer gibt es in England. Die Halbfinals des FA Cups im Londoner Wembley-Stadion sollen in rund zehn Tagen vor jeweils 4000 Fans ausgetragen werden. Beim Final des League Cups zwischen Tottenham Hotspur und Manchester City sollen es dann in zweieinhalb Wochen bereits doppelt so viele Zuschauer sein. Und der Cup-Final Mitte Mai soll, wenn alle Pläne aufgehen, bereits vor 21'000 Zuschauern steigen. Der Geschäftsführer des englischen Fussballverbands, Mark Bullingham, sprach gegenüber der Agentur AP von wichtigen Schritten auf dem Weg zum grossen Ziel, wieder in einem vollen Stadion spielen zu können. «Hoffentlich ist das zum Ende der EM schon der Fall», sagte Bullingham.
Noch nicht detailliert äusserte sich Schottlands First Minister, Nicola Sturgeon. Sie zeigte sich indes für den Spielort Glasgow «optimistisch, dass wir mit einer recht guten Anzahl von Zuschauern im Hampden-Stadion spielen können.» Zugleich betonte Sturgeon: «Wir befinden uns immer noch in einer globalen Pandemie. Ich kann nicht Anfang April hier stehen und absolute, hundertprozentige Garantien für den Juni geben – für nichts. Aber ich bin sehr, sehr hoffnungsvoll.»
Am ehesten auf der Kippe stehen EM-Spiele in Dublin, glaubt man der britischen «Sun». Sollten der irischen Hauptstadt die Partien entzogen werden, könnten sie in London über die Bühne gehen, im vor zwei Jahren eröffneten Tottenham Hotspur Stadium. Gegen diese Pläne mit einem zweiten Stadion in London soll allerdings die lokale Polizei sein, weshalb auch Manchester eine Option darstellt. Dort hat angeblich das Etihad Stadium von Manchester City die Nase vorn, das Old Trafford von Manchester United hätte das Nachsehen. Auch der St.James' Park in Newcastle könnte dem Bericht zufolge eine Alternative sein – und zwar sowohl für Dublin wie auch für Glasgow.
Noch eher zurückhaltend ist man in Deutschland. Aus München heisst es, man habe der UEFA lediglich verschiedene Szenarien eingereicht. Welches schliesslich in die Tat umgesetzt werden könne, hänge von der Pandemie-Situation im Juni und Juli ab. Es sei «freilich denkbar und wünschenswert», dass Zuschauer in der Arena dabei sein könnten, beantwortete die Stadt eine Anfrage der Nachrichtenagentur dpa.
Der niederländische Verband hofft, für die Spiele in Amsterdam mindestens 12'000 Zuschauer begrüssen zu können. «Das Coronavirus ist unberechenbar und es gibt keine Garantien», sagte der lokale Turnierdirektor Gijs de Jong. «Wir bleiben jedoch zuversichtlich, dass sich die Situation im Juni so weit verbessert hat, dass noch mehr Zuschauer dabei sein können.» Ungarns Regierung hatte der UEFA bereits vor zwei Wochen mitgeteilt, dass Geimpfte in Budapest ins Stadion dürften. Bis Ende Mai soll jeder im Land die Möglichkeit haben, sich gegen das Coronavirus zu impfen.
Wie der «Spiegel» berichtet, will die UEFA bei einem Treffen des Exekutivkomitees am 19./20. April oder spätestens bis Ende April eine Entscheidung über das Format der EM fällen.
(Mit Material der Agentur Keystone-SDA)
Baku liegt in Europa?
ich glaube wir sollten mal die Atlanten aktualisieren...
Ich bin zwar auch Formel 1 Fan, aber das Zentrum von Baku für ein Geisterrennen abzuriegeln ist ja der pure Wahnsinn. Geisterspiele in Stadien und Geisterrennen auf herkömmlichen Rennstrecken waren ja verständlich. Aber Millionen auszugeben und eine Stadt absperren aber keinen reinlassen, nur damit das internationale Publikum am TV die Stadt sehen kann. Wahnsinn.