Natürlich ist Fabian Lustenberger schon etwas stolz auf die Binde. «Mein Wohlbefinden hängt zwar nicht von ihr ab», sagt der neue Spielführer von Meister YB, «aber ich freue mich über die Wertschätzung, wenn ich bei einem neuen Club gleich Captain sein darf.» Er sehe sich als Bindeglied zwischen Trainer und Team, müsse jetzt aber erst einmal mit Leistung vorangehen. «Wenn diese nicht stimmt, ist es schwierig, anderen etwas zu sagen oder etwas einzufordern.»
Lustenbergers Fall ist kein Novum. Auch Valon Behrami beim FC Sion und Veroljub Salatic bei GC sind nach ihren Transfers sofort Captain geworden. Und doch müssen diese Profis etwas Besonderes an sich haben, wenn sie gleich zum verlängerten Arm des Trainers werden. «Fabian bringt alles mit, um ein hervorragender Captain zu sein. Er ist eine Persönlichkeit, die immer zuerst an das Wohl der Mannschaft denkt», sagt YB-Trainer Gerardo Seoane.
Auch Steve von Bergen, Lustenbergers Vorgänger, ist sich sicher: «Er war bereits drei Jahre lang Captain in der Bundesliga. Er ist ein Leadertyp und passt sehr gut zu YB.»
Es gab und gibt Spieler wie Karl Odermatt, Köbi Kuhn, Urs Fischer und Francesco Totti, die man sich ohne Binde am Arm nicht vorstellen kann. Die wohl schon mit ihr auf die Welt gekommen sind. Womöglich hat man in drei Jahren auch von Lustenberger dieses Bild.
Alex Heinen schreibt für die Berliner «Fussballwoche» und ist seit vierzig Jahren Hertha-Fan. Für den 52-Jährigen ist Lustenberger schlicht der «Mister Zuverlässig», der nach und nach in eine führende Rolle hineingewachsen sei. Ohne Stargehabe und immer bodenständig. «Die Fans haben ein Gespür dafür, wer sich mit dem Club identifiziert und wer nicht», sagt Heinen.
Die Ostkurve sah im Schweizer Innenverteidiger einen «Fussballgott» und sang: «Lusti, wir brennen für dich!» Lustenberger sagt: «Ich war immer authentisch und habe mein Bestes gegeben.» Und muss lachen über den Reim «Lusti ist polyvalent, hat nie ein Training verpennt.»
Polyvalent: Gegen 1860 München hütete er einst für zehn Minuten das Tor und blieb ungeschlagen. «Er ist polyvalent, wir werden viel Freude an ihm haben» – mit diesen Worten hatte ihn einst auch Lucien Favre vorgestellt, nachdem der Schweizer Trainer den 19-jährigen Aufbauer vom FC Luzern nach Berlin gelotst hatte und nie gedacht hätte, dieser würde zwölf Jahre bleiben.
Bereits zu Beginn der 70er-Jahre war mit Kudi Müller ein Luzerner an die Spree gekommen, der vor «100'000 Zuschauern» (Müller) mit zwei Toren zum 2:1 gegen Mönchengladbach in die Geschichte einging. Lustenberger sagt: «Ich kenne Müller. Er war in Luzerns U16 mein Trainer.» Müller sagt: «Er war sehr ehrgeizig und hat einen Topcharakter.»
Mit 220 Einsätzen ist Lustenberger der Schweizer mit den fünftmeisten Bundesligaspielen. Er stieg zwei Mal ab, zwei Mal auf und gehörte, schier unbemerkt, weil er selten grätschte, zu den besten Zweikämpfern der Liga. Es ist ein Rätsel, weshalb er es nur auf drei Länderspiele brachte. «Ich flog halt immer unter dem Radar», sagt Lustenberger.
Die letzten beiden Jahre hat er alleine gelebt, weil seine Frau – sie hatten sich in Berlin kennen gelernt – mit den beiden Kindern bereits ins Eigenheim in der Innerschweiz gezogen war. Jetzt ist die Familie wieder vereint und aus «Lusti» ist wieder der «Fäbu» geworden, der er schon in Luzern gewesen war. Der damalige Teamkollege Seoane ist heute sein Trainer und mit ihm will der Spieler gewinnen, wozu er bisher keine Chance gehabt hat: einen Titel. Und in der Champions League spielen will er auch. Lustenberger, der nie eine andere Rückennummer als die 28 getragen hat, sagt: «Ich möchte mithelfen, die Erfolgsgeschichte von YB weiterzuschreiben.»